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■ CDU-Leitlinie: Jeder soll für seine Gesundheit mehr selbst zahlenPlacebo statt Medizin

Vielfach wurden sie gefordert, nun sind sie endlich heraus: Die „gesundheitspolitischen Leitlinien“ der CDU. Ein vielversprechender Titel. Aber was steht Neues darin? Nichts. Die Union renoviert die Ideen des vormaligen Gesundheitsministers Horst Seehofer (CSU) aus dem Jahre 1997 – und befindet sich also politisch noch immer in der Prä-Schröder-Ära, als die Bundestagswahl noch nicht verloren war.

Damals wollte Seehofer die explodierenden Kosten bei den Arznei- und Heilmitteln in den Griff bekommen, indem er die Patienten mehr selbst zahlen ließ. Zudem mussten sich die Versicherten an den steigenden Ausgaben für die Instandhaltung der Krankenhäuser beteiligen. Nicht zuletzt dieses Notopfer und die erhöhten Medikamentenzuzahlungen quittierten die Wähler mit der Abwahl der alten Regierung. Angesichts dieser Erfahrung ist es schon äußerst merkwürdig, dass der CDU heute nichts anderes einfällt als früher: Die Versicherten sollen wieder mehr zahlen, sei es durch höhere Eigenbeteiligungen oder durch so genannte Wahltarife bei den Krankenkassen. Ähnlich wie bei einer Autoversicherung soll man selbst wählen, wie komfortabel der Schutz gegen Krankheit sein soll. Was darf's denn sein? Eine schulmedizinische Grundversorgung für alle, Naturheilmittel, Kuren oder Psychotherapien nur gegen private Zusatzversorgung?

Die „Leitlinien“ der CDU sind alles andere als ein großer gesundheitspolitischer Entwurf, geschweige denn ein Baustein für den Umbau des Sozialstaates gar. Nun kann man einwenden, auch das rot-grüne Reformgesetz von Gesundheitsministerin Andrea Fischer habe schwere handwerkliche Mängel: Schließlich ist die Regierung mit dem Versprechen angetreten, dass sie weder die Zuzahlungen erhöhen noch Leistungen für die Versicherten streichen will. Und jetzt lässt sie sich diese Zusage von Ärzten, Schwestern und Krankenhäusern finanzieren: Fischer legt ihnen Fesseln an, „Globalbudget“ genannt. Der Staat setzt für alle Ausgaben im Gesundheitswesen eine fixe Summe fest.

Fischer glaubt, der Staat könne überblicken, was in welcher Ecke des Systems gebraucht wird, und das Geld in die richtige Richtung steuern. Die Kritiker entgegnen: In einem zwangsverordneten Sparsystem werde es immer Mangel geben, was letztlich hieße, nicht alle Patienten könnten gleich gut versorgt werden. Das Budget würde „unweigerlich zu weiteren Leistungskürzungen und zu einer Zwei-Klassen-Medizin führen“, schimpfen die Verfasser des CDU-Papiers. Geflissentlich übersehen sie, dass eben sie selbst eine Zwei-Klassen-Versorgung vorschlagen – mit ihrer Idee von Basis- und Zusatzversicherung. Anschluss an modernste, aber teure oder schulmedizinisch nicht anerkannte Therapien können sich dann ohnehin nur Wohlhabende sichern.

Das Globalbudget ist für Rot-Grün essenziell; momentan kann Sozialpolitik nur mit stabilen Beitragssätzen funktionieren. Außerdem wird durch das Budget die Rolle der Krankenkassen gestärkt. Dies kann endlich dazu führen, dass Bewegung in die tradierte Rollenverteilung im Gesundheitswesen kommt. Ärzte, Krankenhäuser und andere so genannte Leistungserbringer dürfen nicht länger davon ausgehen, dass letztlich schon irgendwie der von ihnen geforderte Preis gezahlt wird. Demnächst ist es Krankenkassen erlaubt, mit dem preiswertesten Anbieter von Leistungen zu verhandeln und direkte Verträge abzuschließen. Das muss noch lange nicht heißen, dass die Patienten zwangsläufig schlechter versorgt werden.

Als Andrea Fischer vor einem Jahr Gesundheitsministerin wurde, wollte sie das „System vom Kopf auf die Füße stellen“. Ihre Gesundheitsreform folgt allerdings dem schlichten Leitbild der stringenten Ökonomisierung der Medizin. Darin unterscheidet sie sich kaum von der CDU. Beide sehen den Kranken als kostspielige Ware, über die entschieden wird.

Seit 150 Jahren zahlen Gesunde für Kranke, Junge für Alte und Besserverdienende für Ärmere, egal, wie viel jeder besitzt und wie viel Hilfe er braucht. Um dieses System der Solidarität durch Umverteilen wird Deutschland beneidet. Bislang geben aber weder Fischer noch die CDU eine Antwort auf die Frage, wie das solidarische Gesundheitswesen zukunftssicher gemacht werden kann. Annette Rogalla

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