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CDU-Arbeitnehmer fordern MindestlohnFünf Euro sind zu wenig zum Leben

Der Chef der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann, fordert einen gesetzlichen Mindestlohn. Er sieht durch Lohndumping traditionelle Werte seiner Partei gefährdet.

Der CDU-Traum von Jägerzaun und Eigenheim klappt nur mit fairem Lohn. Bild: dpa

BERLIN taz | Unterschiedlicher könnte die Sicht der Dinge kaum sein. Wirtschaftslobbyist Hubertus Pellengahr lobt schlecht bezahlte Arbeit. "So genannte Niedriglöhne sind in Deutschland für viele Menschen vor allem eines: Einstiegslöhne", sagt der Chef der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Die Organisation, die die Interessen großer Unternehmen vertritt, will herausgefunden haben, dass jährlich ein Viertel der Niedriglöhner in Jobs mit normaler Bezahlung aufsteige.

Karl-Josef Laumann, der Chef der CDU-Sozialausschüsse dagegen betrachtet den Niedriglohnsektor eher als Gefahr. "Eine Million Menschen in diesem Land verdienen weniger als fünf Euro pro Stunde", sagt der ehemalige nordrhein-westfälische Sozialminister, "damit kann man weder eine Familie ernähren noch ausreichende Rentenansprüche erwerben."

Die politische Debatte über schlecht abgesicherte Arbeitsverhältnisse geht in eine neue Runde. Einerseits haben diese Jobs in den vergangenen Jahren zugenommen, andererseits verschiebt sich das gesellschaftliche Klima. Die Banken- und Finanzkrise lässt die Forderung nach einer besseren Regulierung der Wirtschaft wieder lauter werden. In diesen Chor reihen sich nun auch die Sozialausschüsse mit einer Forderung ein, die zum Programm der Mutterpartei CDU bisher nicht passt.

Neuheit in der CDU

Erosion der Arbeit

Laut CDU-Sozialausschüssen arbeiteten mittlerweile 20 Prozent aller deutschen Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Das wären rund acht Millionen Menschen. 1,15 Millionen verdienten 2008 weniger als fünf Euro pro Stunde. Währenddessen habe sich die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse seit 1995 fast verdoppelt und 2010 bei 2,5 Millionen gelegen. Außerdem würden rund eine Million Leiharbeiter bis zu 50 Prozent weniger verdienen als normal beschäftigte Arbeitnehmer. Dies widerspreche der EU-Richtlinie zur Zeitarbeit von 2008.

Das will Sozialpolitiker Laumann ändern. In seinem Antrag für den CDU-Parteitag im November plädiert der christdemokratische Arbeitnehmerflügel für "eine allgemeine Lohnuntergrenze". Damit macht sich erstmals eine große Gruppe in der CDU dafür stark, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Kein Arbeitnehmer in Deutschland dürfte dann schlechter bezahlt werden als die definierte Untergrenze.

Wie aber will Laumann den Mindestlohn verwirklichen? Zuerst müssten Regierung und Bundestag eine gesetzliche Grundlage schaffen. Dann würden sich die Tarifpartner – Bundesvereinigung der Arbeitgeber und Deutscher Gewerkschaftsbund – in einem bundesweit gültigen Tarifvertrag auf die konkrete Höhe des Mindestlohnes einigen.

Gelinge dies nicht, könnte alternativ der bereits eingeführte Mindestlohn der Leiharbeitsbranche für alle deutschen Arbeitnehmer übernommen werden, so Laumann. Damit würde die Untergrenze bei rund sieben Euro in Ostdeutschland und acht Euro im Westen liegen.

Apell an traditionelle Werte

Heute, so räumt Laumann ein, habe die Mindestlohn-Forderung wohl keine Mehrheit in der CDU. Bis zum Parteitag im November will der Sozialpolitiker das aber ändern, indem er das Ansinnen in möglichst vielen Kreisverbänden zur Diskussion stellt und dabei an die traditionellen Werte der CDU anknüpft. "Wir wollen, dass die Menschen heiraten, Häuser bauen und Kinder bekommen." Ohne soziale Sicherheit und einen Ordnungsrahmen der Wirtschaft sei auch die Familie als Lebensform gefährdet, so Laumann.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hingegen sieht die soziale Sicherheit durch den Niedriglohnsektor nicht bedroht. In ihrer neuen Studie, die das Institut der deutschen Wirtschaft erstellt hat, heißt es: Der Bereich der schlecht bezahlten Jobs wachse zwar, doch es handele sich um zusätzliche Arbeitsplätze. Die Zahl der Normalverdiener mit auskömmlichen Löhnen nehme umgekehrt nicht ab. Die deutsche Mittelschicht brauche sich also keine Sorgen zu machen.

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9 Kommentare

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  • JK
    Juergen K.

    Hömma ! sch.Laumann !

     

    Von 7 Euro die Stunde hätte ich mir die LEG gekauft,

    die Ihr in NRW an die Heuschrecken verschenkt habt.

     

    Aber popelig von 7 Euro ein Haus bauen ... ?!

  • WR
    Weiße Rose

    Irgendwann lernt es noch der letzte im Ländle: Wenn wir auch künftig in einer weitgehend friedlichen Gesellschaft miteinander auskommen wollen, dann können nicht Millionen durch Sklavenlöhne - von einer z.T. dekadent reichen Oberschicht - ungeniert ausgebeutet werden!

  • C
    Celsus

    Wiederholt vertrat der bei der CDA (Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft) organsisierte Arbeitnehmerflügel der CDU sehr gute und sogar bewudnerungswürdige Ansichten. Allerdings schlägt sich dies in keiner Weise in der Politik der CDU nieder.

     

    Wann wurde deren positives Menschenbild und vor allem auch positives Arbeitnehmerbild denn zuletzt beachtet? Es ist nahezu bewunderungswürdig, wie lange diese Menschen dann noch bei der CDU verharren.

  • H
    Hasso

    Wer gegen Mindestlöhne ist, sollte nicht mehr gewählt werden, dann kommt der Mindestlohn beim nächsten Mal von selbst. Wenn die Politik nicht will, dann muss man sie eben zwingen.(Wir sind das Volk!)Solange es noch genug "Idioten" gibt haben die Etablierten, kein Interesse etwas zugunsten des Kleinbürgers zu ändern.Die Bankenrettung, scheint der Politik wichtiger zu sein, als das Existenzminimum seiner Bürger. Man weiß ja auch warum! Auf diese schäbige Art und Weise, kann man ein gut dotiertes "Scheinpöstchen" im Bankengewerbe bekleiden. "Eine Hand wäscht die andere". Es müsste heißen: Zum Wohle des Klüngels und nicht zum Wohle des Volkes.

  • L
    Lars

    Endlich Mindestlöhne einführenn mindestens, 8,50 € in Ost und West gleich, entweder sind wir ein Land oder nicht. Schluß mit dieser albernen Einteilung in O. u. W. Wenn das mit den Mindestlöhnen nicht eingeführt wird, dann geht auf die Straße und kippt die Karre endlich um. Es reicht mit den lächerlichen Niedriglöhnen.

  • N
    noevil

    Einspruch, Herr Pellengahr: Dass Niedriglöhne vor Allem ein Einstieg sein sollen, ist längst ein allzu durchsichtig gewordenes Feigenblatt der Arbeitgeber und der sie vertretenden Parteien. Sie sind in allererster Linie - und nichts anderes - für die allermeisten Arbeitnehmer ein demütigender Dauerzustand, der auch für uns Land eine Schande ist.

  • KJ
    Kleine Jobs

    Bei der Diskussion wird immer nicht zwischen Vollzeit-Jobs und Zusatz-Jobs für Armuts-Rentner, Hausfrauen, Schüler, Studenten unterschieden.

     

    Gigalocal o.ä. könnten per Statistiken aktuelle faire dynamische Preise für Hilfsstägigkeiten festlegen. Diese kann man dann nicht steuerlich absetzen so das der Auftraggeber (Armutsrentner oder Spitzensteuer-Bonze) die Hilfe im Garten oder Einrichtung-Internet oder Rasenmähen nach dynamischem Mindestlohn für diese Tätigkeiten bezahlt aber schon selber zu seinem Steuersatz versteuert hat.

    Oder die Linke beschliesst einfach: Niedrigjobs sind verboten. Kein Rentner darf sich für ein paar Euros im Garten legal helfen lassen.

    Darüber kommen die 400-Euro-Jobs für Hausfrauen, Studenten, Schüler, Rentner wie Kassieren oder Zeitungen austragen oder am Bahnhof helfen. Darüber kommt dann Vollerwerb.

     

    Wer die Durchschnitts-Pension und hunderttausende Bezieher davon demgegenüberstellt, erkennt wo das Geld bleibt.

  • W
    Weinberg

    Karl-Josef heißt nicht nur LAUMANN, er ist auch einer, denn der CDU-Wirtschaftsflügel wird ihm inkl. seiner Parteichefin Merkel demnächst zeigen, wo der Hammer hängt!

  • A
    aurorua

    Wirtschaftslobbyist Hubertus Pellengahr, warum denke ich da bloß automatisch an garen, und zwar mit Teer und Federn.