CCC-Kongress in Hamburg: Ethik zwischen Null und Eins

Beim Kongress des Chaos Computer Clubs geht es nicht nur darum, welche Systeme sich wie hacken lassen, sondern auch darum, wann man es besser nicht tut.

Besucher mit Werkzeug beim CcC-Kongress. Bild: dpa

HAMBURG taz | „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“ – das ist ein Leitsatz der Hackerethik des Chaos Computer Clubs. Schon seit der Verein gegründet wurde, wissen die Mitglieder um die Macht der Computer und Daten und wollten sie daher Menschen zur Verfügung stellen, statt sie von Staat und Konzernen monopolisieren zu lassen.

Doch die einfachen Lehrsätze der Achtziger Jahre werden immer wieder aufs Neue auf die Probe gestellt. So appellierte der bekannte Hacker Jacob Appelbaum in seiner Keynote dafür, dass sich die Hacker nicht vom Überwachungsstaat vereinnahmen lassen. Denn allzu oft stecken hinter Sicherheitsfirmen Interessen der Staaten, Scheinfirmen der Geheimdienste oder Dienstleister, die ihre Techniken auch in den Dienst von Diktatoren stellen. Oder sie kopieren schlichtweg die Erkenntnisse von Hackern. „Wenn ihr beim Überwachungsstaat mitarbeitet, helft ihr verdammt noch mal Kinder zu töten“, sagt er im Hinblick auf den automatisierten Drohnenkrieg der USA und die digitale Hochrüstung von Diktaturen.

Sollen die Hacker also brav ihre Hände in den Schoß legen und zusehen, wie das Internet militarisiert wird? Nein, findet Appelbaum. Er plädiert dafür, den Überwachungsstaaten etwas entgegenzusetzen wie zum Beispiel Verschlüsselungstechnik, die Menschen vor den neugierigen Augen des Staates schützt. Auch im Aufbau alternativer Infrastrukturen und offener Hardware sieht er einen gesellschaftlichen Gegenentwurf, dem Hacker ihre Energie widmen sollten.

Druck erzeugt Gegendruck

Doch Hacker und andere Aktivisten haben in den letzten Jahren immer wieder neue Methoden gefunden, sich im Kampf um die digitale Oberhoheit Gehör zu verschaffen. Dazu gehören so genannte DDOS-Attacken, bei denen Server mit Unmengen an Anfragen lahmgelegt werden. Gerade die Bewegung „Anonymous“ hat mit immer neuen spektakulären Angriffen das Licht der Öffentlichkeit gesucht. Doch dieser Widerstand hat Folgen: Mehrere Mitglieder von Anonymous wurden verhaftet, mit neuen Gesetze sollen solche „Hacktivismus“-Aktionen stärker verfolgt werden.

Sind DDOS-Attacken IT-Angriffe oder ziviler Ungehorsam? Sylvia Johnigk vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) sieht in ihnen einen der Wege, sich digital Gehör zu verschaffen. Dass DDOS-Angriffe als Begründung für weitere staatliche Einschränkungen herhalten sollen, ist ihrer Ansicht nach ein Unding. „Ich finde es unverschämt, dass Leute, die zivilen Ungehorsam leisten, unter diesem Begriff Cyberwar abgehandelt werden. Das hat mit Krieg nichts zu tun.“, sagt Johnigk. Stattdessen müsste international ein digitales Demonstrationsrecht geschaffen werden.

DDOS als Zensur

Doch wann wird aus einer Demonstration die Unterdrückung anderer? „Eine populäre Kritik an den DDOS-Attacken ist, dass sie eine Zensur darstellen“, sagt Molly Sauter, die für das Center for Civic Media in den USA arbeitet. Denn viele Daten-Aktivisten kämpfen dafür dass Daten fließen und eben nicht für Blockaden. Ein erfolgreicher DDOS-Angriff besteht längst nicht mehr aus dem Äquivalent einer Sitzblockade, bei denen Tausende einfach über ihren Webbrowser eine Webseite so überlasten, dass sie schließlich nicht mehr erreichbar ist. Vielmehr setzen sie auf Software, die gezielt Schwachstellen in Servern ausnutzt, um einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Teilweise kommen auch kriminelle Botnetze zum Einsatz.

Trotzdem sieht Sauter in dem gemeinschaftlichen DDOS-Angriff immer noch eine wertvolle digitale Protestform – allerdings nur, wenn er in eine ganze Kampagne eingebunden ist. „Der Nutzer muss schließlich wissen, warum eine Webseite nicht erreichbar ist“, sagt Sauter. Dies war zum Beispiel bei der „virtuellen Sitzblockade“ gegen die Lufthansa-Webseite als Protest gegen die Beteiligung der Fluglinie an Abschiebungen der Fall. Die Webseite der Lufthansa wurde nicht völlig lahmgelegt – trotzdem war die öffentliche Wirksamkeit enorm.

Doch ohne Abstimmung können diese Attacken auch gegenteilige Wirkung haben. So hatte die digitale Bürgerrechtsbewegung in Polen bei den Protesten gegen das internationale Abkommen ACTA schon wesentliche Unterstützung aus der Politik erhalten, als Anonymous mit Attacken gegen polnische Webseiten zusätzlich Druck machen wollte. Statt sich von Sachargumenten überzeugen zu lassen, sahen sich die polnischen Offiziellen so dem Eindruck ausgesetzt, dass sie dem Druck von digitalen Angriffe nachgeben würde. „Diese Angriffe hatten also exakt den gegenteiligen Effekt“, sagt ein polnischer Bürgerrechtsaktivist in Hamburg. ACTA wurde nicht wegen, sondern trotz der DDOS-Attacken abgelehnt.

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