Buxtehude verhindert Syrien-Vortrag: Politisch oder nicht?
Die Stadt Buxtehude verbietet eine Live-Reportage über Syrien vor dem Krieg in einer Schulaula, weil die politisch sei. Ein Vortrag über Finnland wäre dagegen okay.
Aus diesen Fotografien des syrischen Alltags hat Jäkel eine Live-Reportage für die Bühne konzipiert. Damit wollte er – auf Einladung einer Stadtteilelterngruppe – im April auch im niedersächsischen Buxtehude auftreten. Doch die Kleinstadt legte ihr Veto ein.
Das Problem: Die Stadtverwaltung in Buxtehude wertet die Veranstaltung als politisch. Es gibt einen Ratsbeschluss von 2017, der besagt, dass in Schulgebäuden keine politischen und religiösen Veranstaltungen stattfinden dürfen. Und der größte Veranstaltungssaal der Stadt mit rund 500 Plätzen, ebenjener, den die Stadtteilelterngruppe buchen wollte, liegt in der Halepaghen-Schule.
Dunja Sabra von den Stadtteileltern des Familienbildungszentrums in Buxtehude ärgert diese Einschätzung der Verwaltung, die auch die Bürgermeisterin von Buxtehude Katja Oldenburg-Schmidt (parteilos) mitträgt. „Unser Anliegen ist es, mit dieser Reportage die Bilder in den Köpfen zu revidieren“, sagt Sabra.
Syrien und auch die Menschen, die von dort nach Deutschland gekommen seien, würden in den Medien beinahe ausschließlich mit Not, Leid, Krieg, Flucht und Armut in Verbindung gebracht. „Dabei hat das Land eine reiche Kultur, eine lange Tradition und es haben dort viele Ethnien und Religionen friedlich zusammengelebt.“ Um das zu zeigen, hat die Initiative Jäkel eingeladen.
Ganz unpolitisch geht nicht
Mit dem Vortrag „Syrien. Erinnerungen an ein Land ohne Krieg“ tourt der Fotojournalist Lutz Jäkel durch Deutschland.
Der Islamwissenschaftler hat Syrien in einem Zeitraum von 20 Jahren immer wieder bereist – bis 2011 die ersten Unruhen losgingen.
Im Norden gibt es bereits weitere Termine für die Live-Reportage: Am 26. April ist Jäkel in Stade, am 21. Juni in Oldenburg und am 31. August in Bremen.
Mehr Infos unter: lutz-jaekel.com
„Wir haben nicht mit Widerstand gerechnet“, sagt Sabra, die sich in ihrer Arbeit angegriffen fühlt. Die Initiative setzt sich für Integration und Völkerverständigung ein. Vier Wochen habe sich die Verwaltung Zeit gelassen und ihnen dann in einem persönlichen Gespräch die Absage erteilt. Sie unterstütze eigentlich den Ratsbeschluss, sagt Sabra. „Es ist sinnvoll, dass in Schulen keine Wahlkampfveranstaltungen stattfinden dürfen, aber bei dem Vortrag geht es um Kultur und Geschichte.“
So sieht das auch der Referent Jäkel selbst, der 2011 zuletzt in Syrien war. „Ich wundere mich, dass mich niemand von der Stadt gefragt hat“, sagt er. Natürlich erwähne er bei einer Veranstaltung über Syrien auch den Krieg und er thematisiere als Journalist auch am Ende seines Vortrages die diktatorische Regierung.
„Wie soll man auch völlig unpolitisch über ein Land berichten, dass sich seit acht Jahren in einem fürchterlichen Krieg befindet?“ Doch es gehe ihm vor allem darum, den täglichen Kriegsbildern etwas entgegenzusetzen. Mehr Wissen über das Land helfe, Vorurteile abzubauen, sagt Jäkel.
Es ist tatsächlich nicht besonders eindeutig, was die Stadtverwaltung als politisch einstuft und was nicht. Im Februar tritt Entertainer Kay Ray auf der Halepaghen-Bühne auf. Der wird im Kartenvorverkauf so angepriesen: „Kay Ray teilt aus nach allen Seiten, ohne Rücksicht auf Verluste und Zeitgeistbefindlichkeiten, ohne Angst vor Nazikeulenschwingern oder Applaus von der falschen Seite.“ Ist das jetzt weniger politisch als ein Syrien-Vortrag?
Ratsbeschluss auf den Prüfstand
Zudem berichten Sabra und ihre Mitstreiterin Birgit Wilhelmy davon, dass eine Stadtmitarbeiterin in dem gemeinsamen Gespräch gesagt habe, dass ein Vortrag über Finnland kein Problem sei.
Die Stadt schließt das nicht aus. „Es gibt keine Richtlinien dafür, was als politisch gilt. Das wird im Einzelfall entschieden“, sagt der Sprecher der Verwaltung, Thomas Bücher. Künftig müsse man aber über solche Veranstaltungen wie die von Kay Ray möglicherweise anders entscheiden. Vielleicht müsse der ganze Ratsbeschluss noch einmal auf den Prüfstand, „weil das für die Zukunft weitreichende Konsequenzen haben kann, die wir so in der Form weder politisch noch von Verwaltungsseite her beabsichtigt haben“, sagt Bücher.
Es sei nicht darum gegangen, den Vortrag zu unterbinden oder eine politische Haltung zu bewerten, sagt der Stadtsprecher. „Wir haben sofort für Ersatz gesorgt.“ Die Stadt reservierte einen alternativen Raum mit 199 Plätzen in einem anderen Gebäude.
„Grundlage dafür, die Veranstaltung als politisch zu bewerten, war eine Recherche im Internet“, sagt Bücher. In vielen Städten habe es eine Diskussion nach dem Vortrag gegeben und dabei habe sich Jäkel politisch geäußert.
So eine Anschluss-Diskussion war in Buxtehude jedoch gar nicht geplant. „Wir wollten nur, dass die Gäste in der Pause ins Gespräch kommen“, sagt Sabra. Den kleineren Raum will die Initiative nicht annehmen. Sie kenne mindestens 150 syrische Geflüchtete, die sofort dabei wären. „Das soll aber keine Veranstaltung von Syrern für Syrer werden“, sagt Sabra. „Wir wollen die Buxtehuder Mehrheitsgesellschaft erreichen.“ Sie hoffe deshalb darauf, dass die Bürgermeisterin ihre Meinung ändere.
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