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Bußgeldbescheide für Prostituierte

■ Pro Woche ein Bescheid/ Wohnungslose bekommen ihn auf der Wache „zugestellt“

Knapp vier Wochen ist es her, daß die drogenabhängige Susanne L. zu vier mal 80 Mark Bußgeld verurteilt wurde, weil sie sich das Geld für ihre Sucht durch verbotene Prostitution verdient hatte. Vier Tagessätze je 80 Mark — das entsprach nach Vorstellung der vorsitzenden Richterin „je einem Mal mit einem Kunden“. Nach dem skandalösen Urteil, das Susanne L. vor einer Frauenriege verkündet worden war (Richterin, Staatsanwältin, Protokollantin), riefen Leserinnen empört bei uns an. Einige wollten Susanne L. direkt helfen. Erste Spenden zur Bezahlung des Bußgeldes sind in der taz bereits eingetroffen.

Doch vorerst macht es wenig Sinn, das Geld an die Gerichtskasse weiterzuleiten: Die Staatsanwältin hat Berufung eingelegt. Offenbar will Staatsanwältin Heinke doch noch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung durchsetzen, wie sie sie im Plädoyer bereits gefordert hatte.

Susanne L. hat Angst vor der zweiten Verhandlung. Schon die erste hatte sie an den Rand der Verzweiflung gebracht: War sie doch just an dem Tag angesetzt, als sie mit der Methadonbehandlung beginnen durfte. Eine Rechtsanwältin konnte Susanne L. sich nicht leisten — sie hätte (so der Mittelwert in Bußgeldverfahren) 680 Mark gekostet. Den ersten Prozeß stand die 26jährige also alleine durch. In den zweiten werden die MitarbeiterInnen aus dem ehemaligen Übernachtungsprojekt in der Schmidtstraße mitgehen. Von ihnen wird Susanne L. im Rahmen des Methadon- Sonderprogramms für ausstiegswillige Prostituierte betreut. Susanne L. fürchtet, um eine Vorstrafe nicht herumzukommen: „Und dann muß mich nur jemand im Sperrgebiet sehen, und schon muß ich die Strafe absitzen.“ Vor wenigen Tagen erst war Susanne L. — im Gespräch mit ihrer Sozialarbeiterin — auf der Straße von Polizisten angemacht worden: „Sie haben doch gerade erst ein Verfahren gekriegt, was machen Sie denn schon wieder hier? Sie dürfen sich hier nicht aufhalten.“

Susanne L. ist kein Einzelfall. Die Mitarbeiterinnen des Frauen-Methadonprogramms in der Schmidtstraße haben allwöchentlich mindestens eine Frau, die

Der Drogenstrich in Bremen hat sich von der Friesenstraße (Foto) in die Humboldtstraße verlagert — doch einen „Betreuungsbus“ im Auftrag der Gesundheitsbehörde gibt es nicht mehr. Foto: Katja Heddinga

Hilfe im Umgang mit einem Bußgeldbescheid sucht. Ines Bilger, Sozialpädagogin: „Es gibt aber auch Frauen, die nie einen Bescheid bekommen.“ Es treffe eben besonders diejenigen, die den Polizisten persönlich bekannt seien. Mittlerweile werden die Frauen unter einem Vorwand (z.B. Feststellung von Personalien) sogar mit zur Wache genommen, nur um ihnen den Bußgeldbescheid zuzustellen.

Denn nach wie vor sind viele der Frauen, auch der knapp 40 im Methadonprogramm, wohnungslos: 70 Prozent sind obdachlos, sie schlafen vor allem in Notunterkünften, Hotels oder bei Freiern und Bekannten. ra

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