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Burkini-Verbote in Frankreich vor GerichtGrundsatzentscheidung erwartet

Das Oberste Verwaltungsgericht in Frankreich prüft die zahlreichen Burkini-Verbote. Eine Entscheidung soll es in den kommenden Tagen geben.

Bald vielleicht doch wieder erlaubt: Eine Frau mit Kopftuch und langem Hemd am Strand in Marseille Foto: reuters

Paris afp | Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht hat am Donnerstag die umstrittenen Burkini-Verbote an französischen Stränden geprüft. Konkret befasste sich der Staatsrat in Paris bei einer Anhörung mit einem Dekret des Mittelmeer-Badeorts Villeneuve-Loubet, das den muslimischen Ganzkörperbadeanzug an seinen Stränden verbietet. Die Richter werden in den kommenden Tagen eine Grundsatzentscheidung zu den Burkini-Verboten fällen, die in Frankreich zu erhitzten Debatten geführt haben.

Nach dem islamistischen Anschlag von Nizza am 14. Juli haben nach und nach mehr als 30 französische Städte Burkinis an ihren Stränden verboten. Die Bürgermeister verweisen zur Begründung auf die angespannte Stimmung in Frankreich: Muslimische Badebekleidung könne als Provokation empfunden werden und zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen. Kritiker verurteilen die Maßnahme als überzogen und islamfeindlich.

Das Verwaltungsgericht von Nizza hat das Burkini-Verbot in Villeneuve-Loubet für rechtmäßig erklärt: Es sei „notwendig, angemessen und verhältnismäßig“. Zwei Organisationen, die Menschenrechtsliga und das Kollektiv gegen Islamfeindlichkeit in Frankreich, sind deswegen vor den Staatsrat gezogen. Sie hoffen, dass Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht das Dekret kippt – was Auswirkungen auf alle anderen vergleichbaren Dekrete hätte.

Die Burkini-Verbote spalten Frankreich, wo eine strikte Trennung von Kirche und Staat gilt und wo der Umgang mit dem Islam immer wieder zu Kontroversen führt. Die Burkini-Debatte sorgt auch im Ausland für Schlagzeilen: Zuletzt sorgten Fotos von der Polizeikontrolle einer Frau in langen Kleidern am Strand von Nizza für Aufsehen.

Auch die sozialistische Regierung ist in der Frage der Burkini-Verbote gespalten: Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem sagte am Donnerstag dem Sender Europe 1, sie sei zwar gegen den Burkini; die Vielzahl von Burkini-Verboten sei aber „nicht willkommen“. „Es stellt sich die Frage nach unseren Freiheitsrechten.“

Premierminister Manuel Valls widersprach ihr umgehend und verteidigte die Dekrete der Bürgermeister. Seiner Bildungsministerin warf er im Sender RMC eine „Fehlinterpretation“ vor.

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9 Kommentare

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  • Da sich einige Kommentare an einem unwichtigen, aber leider anscheinend Reizwort-Detail meines Postings verhaken, hier die Einordnung: "Allah liebt die Vielfalt" ist ein Zitat aus einem Abenteuerfilm, glaube irgendein Robin Hood o.ä., wo ein weißer Junge einen schwarzen (Hautfarbe) Kreuzritter? fragt, warum er schwarz ist. Die Antwort fand ich cool, es hat nichts damit zu tun, ob ich den Islam gutheiße oder Religionen überhaupt. Daran kann man gut sehen, wie reflexhaft die Auseinandersetzung mit solchen Themen seit dem 11. September 2001 geworden ist. Seit den 60iger Jahren gab es muslimische Gastarbeiter in Deutschland, das war jahrzehntelang kaum ein Problem.

  • Die Grande Nation wird eingeholt von jahrzehntelanger Kolonialpolitik. Steter Tropfen höhlt wohl auch dort den Stein:-(

  • Unterhalb des Stammtischpotentials wirds interessant, denn das Thema berührt das Selbstverständnis (eines Menschen, einer Region, eines Landes, einer Kultur) und insbesondere dessen Grundlagen.

     

    Das Verbot von Symbolen war schon immer lächerlich und zeigt nur an, wer gerade mächtig genug ist, zu definieren, was verboten wird. Es hat nicht dazu geführt, dass die symbolisierten Konzepte verschwanden, es wurde nur die Auseinandersetzung mit ihnen weggedrückt. Für eine lebendige, starke Demokratie ist es aber zentral, sich mit Widersprüchen auseinanderzusetzen. Mittlerweile entsteht der Eindruck, dass die herrschende Kaste an einer starken Demokratie kein Interesse hat.

     

    Der Bereich verfassungsfeindliche Symbole: Im §86 StGB halbwegs festgelegt, betrifft hauptsächlich die Rechten. Bei verfassungsfeindlich fallen mir allerdings auch Maßnahmen wie TTIP und CETA ein oder NSA, IWF sowie zahlreiche weitere Institutionen, die beabsichtigen, die verfassungsmäßige Ordnung dieses Landes (und anderer Länder) zu beschädigen oder das bereits getan haben, zB §10 GG. Auch das Konzept marktkonforme Demokratie fällt hierunter. Nichts davon ist verboten. Wer schreibt, der bleibt.

     

    Wenn man es mit der Freiheit ernst meint, gehört kein einziges Symbol verboten, und keine zugehörige Gruppierung bzw Denkweise, weder Wiking-Jugend noch KPD noch IS, nicht mal die Deutsche Bank. Das ist ein Unterschied zu diesen Gruppen und kein Zeichen von Schwäche, sondern von Souveränität. An Friedens- oder Anti-CETA-Demos soll teilnehmen können, wer will, die Natural Born Griller genauso wie die Veganer, Allah liebt die Vielfalt. Wer andere schädigt, für den gibts im Strafrecht genügend Paragraphen. Wer bewaffneten Konflikt sucht, kann auch den haben. Es braucht aber oberhalb dieser Ebenen keine Gouvernanten, die vorgeben, was wir zu sehen, lesen, reden und zu denken haben. Das selbst entscheiden zu können, gehört untrennbar zu einer freien Gesellschaft.

    • @uvw:

      Allahs Meinung ist völlig uninteressant. Es geht einzig darum, dass religiöse Symbole (Verscheierung wird in der regel "religiös" begründet) in der Öffentlichkeit, insbesondere in der eines laizistischen Staates, nichts zu suchen haben.

      • @Brigitte Sanders:

        Dann bleiben die Frauen eben zu hause und gehen nicht mehr baden.

        So ein Schwachsinn!

    • @uvw:

      "Das Verbot von Symbolen war schon immer lächerlich und zeigt nur an, wer gerade mächtig genug ist, zu definieren, was verboten wird. Es hat nicht dazu geführt, dass die symbolisierten Konzepte verschwanden,"

       

      Ach nein, da irren Sie sich aber.

       

      Denken Sie einmal dran, wie der Polytheismus aus Europa verschwand mit der Ausbreitung des Christentums - da bedurfte es gar keiner grossartigen Unterdrückung, es war irgendwann einfach nicht mehr cool (und hilfreich), zu Mithras, Dionysos oder Aphrodite zu beten.

       

      Denken Sie daran, wie das Christentum aus Deutschland verschwand: im Osten sind kaum noch 20% der Leute getauft und die sind meistenteils eher alt. Im Westen hat es noch mehr Kirchenmitglieder, die fast ausnahmslos reine Papiermitglieder sind.

       

      Man kann Irrglauben überkommen. Und deutliche Symbolpolitik kann den Prozess beschleunigen.

       

      Konkret: wer den Nikab ablegen muss wegen eines Gesetzes und sieht, dass die Erde sich nicht auftut und die Hölle ihren Schlund nicht öffnet, nur weil fremde Menschen einen sehen können - der wird auch irgendwann am Sinn des ganzen zweifeln.

    • 3G
      34420 (Profil gelöscht)
      @uvw:

      "Allah liebt die Vielfalt"







      Ernsthaft? Erzählen Sie das mal den Schwulen in den islamischen und noch einigen anderen Ländern.

       

      [...]

       

      Die Moderation: Der Beitrag wurde bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Tja, die Frage ist immer, ob man alles verbieten will oder soll, was einem nicht gefällt. An der Antwort erkennt man unweigerlich Leute, die die Freiheit lieben oder halt nicht. Und rationale Menschen erkennt man daran, ob sie sich vorher überlegen, ob sie mit einem Verbot eigentlich das erreichen, was sie erreichen wollen, oder eher das Gegenteil. Wer immer nur das tut, was sich gut anfühlt, ungeachtet der Folgen, der ist irrational.

    • @Mustardman:

      "An der Antwort erkennt man unweigerlich Leute, die die Freiheit lieben oder halt nicht"

       

      Nicht ganz. Hier kollidieren nämlich unterschiedliche Freiheitsrechte. Im häufigsten Fall: die Freiheit meines Nachbarn, etwas zu tun vs. die meine Freiheit, etwas nicht zu tun bzw. nicht zu erleiden.

       

      Konkret beim Nikab-Verbot:

      - die Freiheit der Gesellschaftmehrheit, etwas nicht zu erleiden

      - die abstrakte Freiheit von Frauen (nämlich weder symbolishc noch körperlich unterdrückt zu werden)

       

      vs.

      - die individuelle Freiheit der Kleidungswahl und

      - die Religionsfreiheit

       

      Erkennen kann man nur, wer welche Freiheiten für relevanter hält.