Bundeswehreinsätze im Inland: Mission ohne Gesetz
Die Union versucht, die SPD bei Anti-Terror-Einsätzen der Bundeswehr auszubooten. Ihrer Ansicht nach darf die Armee im Inland aufmarschieren.
Schon seit 2006 ist klar, dass für bestimmte Anti-Terror-Einsätze der Bundeswehr keine Grundgesetzänderung erforderlich ist. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Bundeswehr nicht nur bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen helfen darf, sondern auch bei terroristischen Anschlägen, denn diese seien ebenfalls Unglücksfälle. Sechs Jahre später erlaubte Karlsruhe der Bundeswehr hierzu sogar den Einsatz „militärischer Waffen“.
Karlsruhe definierte 2012 aber relativ hohe Anforderungen. So dürfe die Armee nur bei Anschlägen „von katastrophischem Ausmaß“ Amtshilfe leisten, zum Beispiel nach einem Anschlag auf ein AKW. Bloße Warnungen der Geheimdienste vor drohenden Anschlägen ermöglichen keinen Einsatz der Bundeswehr. Diese dürfe nicht schon im „Vorfeld“ einer eventuellen Katastrophe eingreifen.
Allerdings ging es in Karlsruhe immer um Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage. In beiden Urteilen befasste sich das Verfassungsgericht mit dem rot-grünen Luftsicherheitsgesetz von 2005. Dieses erlaubte den Abschuss entführter Passagiermaschinen. Karlsruhe sah darin zwar einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Nach wie vor erlaubt das Luftsicherheitsgesetz aber das Abdrängen verdächtiger Flugzeuge.
Ein vergleichbares Gesetz zum Anti-Terror-Einsatz der Bundeswehr auf dem Boden ist nicht geplant, versichert Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD. Die SPD würde daran auch nicht mitwirken. Nach Ansicht von Verteidigungs- und Innenministerium ist für Anti-Terror-Einsätze der Bundeswehr aber gar kein zusätzliches Gesetz mehr erforderlich. Damit könnte die Bundeswehr nach Großanschlägen also jetzt schon an Checkpoints Maschinengewehre postieren und Panzer auffahren.
Was bei Anti-Terror-Einsätzen konkret geplant ist, lässt man in Regierungskreisen noch offen. Klar ist aber, dass Bundeswehr und Polizei demnächst entsprechende Übungen beginnen sollen. Solche Übungen sieht auch das Weißbuch vor, das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch vorstellte.
Arnold bleibt zwar standhaft: „Die SPD lehnt den hoheitlichen Einsatz der Bundeswehr nach Terrorangriffen weiter ab“. Wenn sich die Rechtsauffassung der Regierung durchsetzt, hat das aber keine Folgen mehr.
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