piwik no script img

BundeswehrDie Armee der Freunde und Helfer

Immer öfter stehen Soldaten auf deutschen Marktplätzen. Linkspartei und Grüne befürchten eine Vorbereitung auf bewaffnete Inlandseinsätze.

Auch auf Volksfesten wird sie immer häufiger gesehen: Die Bundeswehr Bild: dpa

Berlin taz Soldaten stehen an der Gulaschkanone auf dem Marktplatz. Wer sich bei diesem Anblick nichts Böses denkt, irrt nach Ansicht der Linksfraktion im Bundestag. Die Bundeswehr wird immer öfter bei solch "harmlosen" Gelegenheiten im Inland eingesetzt. Die Linksfraktion geht davon aus, dass sich hinter der gestiegenen Zahl der sogenannten "Amtshilfeeinsätze" der Versuch verbirgt, "die Bevölkerung an den Anblick von Soldaten im Straßenbild zu gewöhnen". Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, vermutet, dass damit auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für weiter gehende Inlandseinsätze geschaffen werden soll.

Denn in den meisten Fällen handele es sich weder um Einsätze zur Terrorabwehr noch um Katastrophen- oder Unglücksfälle, wie es im Grundgesetz eigentlich vorgesehen ist. Die Soldaten treten inzwischen vermehrt auf Weihnachtsmärkten oder Sportveranstaltungen in Erscheinung. So waren beim Berlin-Marathon im vergangenen Jahr 322 Soldaten im Einsatz. "Es ist nicht ersichtlich, warum da die Bundeswehr anwesend sein muss", sagt Jelpke. Sie zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Einsätze: "Das Gesetz gibt das nicht her."

Am Donnerstag beantwortete die Bundesregierung eine entsprechende Kleine Anfrage der Linksfraktion. Daraus geht hervor, dass die Soldaten in den vergangenen beiden Jahren je 10-mal von den Bundesländern angefordert wurden. Zwischen 1996 und 1999 war dies nur jeweils 1-mal pro Jahr der Fall. "Technische Amtshilfe" lautet das Zauberwort, mit dem Einsätze der Bundeswehr wie beim G-8-Gipfel, bei der WM, aber auch bei anderen Veranstaltungen begründet werden.

Die Zahl der Einsätze, die nicht von den Ländern, sondern direkt von Veranstaltern angefordert werden, hat sich sogar auf 20 pro Jahr erhöht. Seit 1996 wurde die Bundeswehr insgesamt 353-mal im Inland eingesetzt - und übernahm damit zunehmend Aufgaben, die früher Technisches Hilfswerk (THW) oder Rotes Kreuz leisteten.

"Wir bewegen uns in einer rechtlichen Grauzone", sagt auch der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei. Für die Amtshilfe gibt es keine konkrete gesetzliche Grundlage. In Artikel 35 des Grundgesetzes heißt es lapidar: "Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe." Auch der Bundeswehrverband sieht die Entwicklung mit Sorge: "Wir sind total gegen eine Ausweitung der Einsätze im Inneren", sagte Sprecher Wilfried Stolze der taz.

"Indem die Bundeswehr Präsenz zeigt, signalisiert sie der Bevölkerung, dass sie gebraucht wird", sagt Nachtwei. Die zivilen Kräfte wie das THW würden verschlankt, das Militär dagegen gestärkt. Schäuble gehe es letztendlich auch um den bewaffneten Einsatz. "Wohin das führt, haben wir beim G-8-Gipfel gesehen." Im Juni hatten Bundeswehr-Aufklärer bei Tiefflügen Fotos von Protestcamps angefertigt.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!