Bundeswehr-Angriff in Afghanistan: "Das war Tötung auf Verdacht"
Die Opposition wirft der Bundeswehr Fehler beim Angriff auf zwei Tanklaster vor. Bundeswehr-Oberst Georg Klein habe eine Gefahr "konstruiert".
Nach Einsicht in den Nato-Untersuchungsbericht zum Bombardement zweier Tanklaster in Afghanistan erheben mehrere Verteidigungspolitiker der Opposition schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr. "Aus dem Bericht geht hervor, dass eine akute Gefahrensituation konstruiert wurde, die so nicht vorhanden war", sagte Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, am Dienstag der taz. Das habe zu einer Reihe von weiteren Fehlentscheidungen beim Luftangriff Mitte September im nordafghanischen Kundus geführt.
Auch die Linkspartei kritisierte das Vorgehen von Bundeswehr-Oberst Georg Klein, der den Luftangriff angefordert hatte. "Es gab keine unmittelbare Bedrohung vor Ort", sagte Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken. Dennoch habe Klein den Befehl zum Bombardement gegeben, was einer "Tötung auf Verdacht" nahe käme. "Das ist der eigentliche Skandal." Klein hatte die Luftunterstützung mit der Begründung angefordert, seine Truppen hätten Feindberührung, was der als geheim eingestufte Bericht jedoch widerlege. Es sei möglicherweise nicht ausreichend gewesen, sich nur auf eine Quelle und die Live-Bilder der Luftunterstützung zu verlassen.
Die Nato zeigt sich in dem Bericht beunruhigt, dass die Bundeswehr sich über eindeutige Regeln hinweggesetzt habe. Als Erklärung werde laut Schäfer angeführt, die Bundeswehr sei mit den Vorschriften für Kampfeinsätze nicht vertraut genug gewesen, da sie erst seit kurzem an Kampfhandlungen beteiligt war. Aus dem Bericht gehe auch hervor, dass es eine vorschnelle Reaktion der Verantwortlichen gab. Schäfer sprach von einer "übereilten Eskalation", die von Oberst Klein verursacht wurde. Es sei verwunderlich, dass die normalerweise vorgesehenen Tiefflüge zur Abschreckung in diesem Fall allein durch seine Entscheidung abgelehnt wurden.
SPD-Politiker Arnold kritisierte, dass die Bundeswehr es versäumt habe, nach dem Angriff die vorgeschriebene umfassende Aufklärung vor Ort durchzuführen. "Es gab zivile Opfer, das wird aus dem Bericht klar", so Arnold. Wie viele genau, das lasse sich nicht mehr feststellen.
Schäfer und Arnold zeigten sich verwundert über die Bewertung des Berichts durch die Bundeswehr. Deren Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hatte nach einer ersten Auswertung vergangene Woche betont, er habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Oberst Klein und die deutschen Soldaten militärisch angemessen gehandelt hätten. "Diese Einschätzung ist ein deutlicher Kontrast zu dem, was im Bericht steht", sagte Paul Schäfer gestern. "Es entsteht der Eindruck, dass weiter versucht wird, abzuwiegeln", analysiert SPD-Mann Arnold die Äußerungen von Schneiderhan. Der habe zwar eine Fürsorgepflicht für Oberst Klein, "aus Falsch darf deshalb aber nicht Richtig gemacht werden", so Arnold.
Auch die Grünen sehen die Bundeswehr nach Einsicht des Berichts nicht entlastet. "All das, was wir bereits im Vorfeld bemängelt hatten, wird durch den Nato-Bericht nicht entkräftet", sagte Verteidigungspolitiker Omid Nouripour der taz. Jetzt müsse es einen öffentlich zugänglichen Bericht der Regierung geben, damit das Parlament über den Vorfall ausführlich debattieren könne. Linke-Verteidigungsexperte Schäfer fordert, den Bericht wenigstens in Teilen öffentlich zu machen. "Zudem muss die Regierung Stellung nehmen, in Person von Herrn zu Guttenberg."
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden prüft derzeit, ob gegen Oberst Georg Klein wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung ermittelt wird. Spätestens Anfang nächster Woche werde nach Durchsicht des Nato-Berichts darüber entschieden, hieß es.
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