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Bundesverwaltungsgericht hat entschiedenStraße frei für die Radfahrer

Mehr Rechte für Radfahrer: Künftig dürfen sie fast immer auf den Straßen fahren, sogar wenn es Radwege gibt. Doch es gibt auch Ausnahmen.

Müssen sich nicht nur auf Radwegen quetschen: Radfahrer in Deutschland. Bild: Bastografie / photocase.com

Es ist eine Frage, die im Alltag eines jeden Radfahrers eine Rolle spielen kann - zumindest wenn gerade Polizisten in der Nähe sind: Müssen Radfahrer einen Radweg benutzen, der oft holprig oder zugeparkt sein kann? Oder dürfen sie auch auf der Straße fahren, auf der sie schneller vorankommen könnten?

Die Regel ist: Wenn ein Radweg da ist und mit dem entsprechenden Verkehrsschild ausgewiesen wird, gilt die Radwegebenutzungspflicht. Fehlt allerdings das Schild, dürfen sich die Radfahrer - auch verkehrsrechtlich gesehen - aussuchen, ob sie auf dem Radweg oder der Fahrbahn radeln. Nach einem jetzt veröffentlichten Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) haben Radfahrer nun bessere Chancen, gegen die Schilder vorzugehen.

Konkret ging es in dem Rechtsstreit um neue Radwege im bayrischen Regensburg. Dort hatte die Stadtverwaltung gemeinsame Geh- und Radwege neben der Straße eingerichtet und durch blaue Schilder für beide Fahrtrichtungen eine Benutzungspflicht für Radfahrer angeordnet. Das Verbot für Radfahrer, auf der Fahrbahn zu fahren, begründete die Stadt mit allgemeinen Sicherheitserwägungen.

Dies wollte der Kläger, der Chef des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Regensburg, nicht hinnehmen und ist dagegen juristisch vorgegangen. Das BVG gab ihm nun in der Sache recht und stellte klar, dass Radwege nur dann als benutzungspflichtig gekennzeichnet werden dürfen, wenn aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse eine erheblich erhöhte Gefährdung für die Verkehrsteilnehmer besteht. Diese habe aber im konkreten Fall in Regensburg nicht vorgelegen.

Der Fahrradclub ADFC begrüßte das Urteil. Das Gericht habe die Rechte der Radfahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer gestärkt, so Clubsprecher Roland Huhn. Das Gericht habe damit bestätigt, dass Radfahrer im Regelfall auf der Fahrbahn unterwegs sein dürfen und Städte und Gemeinden nur im Ausnahmefall Radwege als benutzungspflichtig kennzeichnen dürfen.

Gleichwohl ändert sich in der Praxis zunächst erst einmal wenig. Denn da, wo die blauen Schilder stehen, gilt nach wie vor die Benutzungspflicht. Nun allerdings haben engagierte Radfahrer juristisches Rüstzeug an der Hand, gegen solche Schilder vorzugehen. "Das werden wir unterstützen", so Huhn.

Die Radwegebenutzungspflicht ist der Radfahrerlobby seit langem ein Dorn im Auge. Radwege sind nämlich häufig in einem schlechteren Zustand als Straßen. Zudem sind Radfahrer auf Radwegen für Autofahrer, die abbiegen, meist schwieriger zu sehen als Radfahrer auf der Straße - eine der häufigsten Unfallursachen.

Das wird auch deshalb zum größeren Problem, weil Radfahren im Trend ist. Legten die 80 Millionen Einwohner Deutschlands im Jahr 2002 noch durchschnittlich 85 Millionen Kilometer pro Tag per Fahrrad zurück, so waren es 2008 schon 90 Millionen - Tendenz steigend. "Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung", so Huhn. Denn die Liebe zum Rad hängt noch von der Region ab. Während in den Großstädten das Fahrrad immer häufiger benutzt werde, gehe die Fahrradbenutzung in kleineren Städten sogar zurück. Huhn: "Wir haben noch viel zu tun."

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11 Kommentare

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  • J
    jones

    Ich finde es auch unglaublich, dass der Radverkehr durch die Pflicht, Radwege zu benutzen, eingeschränkt wird. Ich gehe sogar noch weiter: Ich finde, dass die Pflicht für Kraftfhrzeuge, die Fahrbahn zu benutzen, den Kraftfahrzeugverkehr einschränkt. Auch Autofahrer sollten sich aussuchen dürfen, ob sie auf der Fahrbahn oder auf dem Gehweg oder sonstwo fahren wollen. Und Fußgänger sollten dieses Auswahlrecht sowieso haben. Auch Ampeln schränken den Verkehr generell total in. Die sollten wir auch abschaffen.

  • N
    Norbert

    Ich bevorzuge Radwege, doch leider sind diese oft im schlechten Zustand. Wenn auch Fußgänger die Radwege nutzen kommt es oft zu Problemen, weil einige Zeitgenossen kein Verständnis für Radfahrer aufbringen wollen und sich belästigt fühlen. Dies insbsondere wenn sie Hunde mitführen.

    Ein weiteres Problem ist es, dass Radwege oft nur kurze Strecken laufen, rechtwinklig beginnen oder enden und zugeparkt sind, Bei vielen Radwegen ist die Auf- bzw. Abfahrt nicht auf Straßenhöhe abgesenkt. Dies kann Stürze verursachen und Schäden am Rad verursachen.

     

    Auf der Straße kommt man besser voran und man wird eher gesehen. Mich hätte fast ein LKW überfahren, wenn ich nicht an einer Nebenstraße vom Rad gesprungen wäre.

     

    Ich finde die Entscheidung des Gerichtes für richtig. Der Radfahrer sollte selbst entscheiden können wo er fährt. Nur ein Depp wird auf viel befahrenen Straßen fahren wollen.

  • U
    ullrich

    Sehr geehrter Herr ROTHER

    Die Überschrift ihres Artikels ist leicht irreführend betreffs des "Künftig dürfen sie fast immer auf den Straßen fahren". Richtig ist dass Radfahrer auch auf dem Radweg auf der _Straße_ fahren, nähmlich auf dem "Straßenteil" Radweg. Die Fahrbahn ist auch nur ein Straßenteil, nicht die _Straße_.

    mfg

     

    BU

  • CH
    Christoph Hipp

    @arribert

    Das ist immer das "Problem" mit der gefühlten versus realen "Sicherheit" auf Radwegen. "Gefühlt" entspricht in diesem Fall halt nicht "real".

    Wenn man die Unfall"szene" beobachtet, stellt man fest, dass der größte Teil der Unfälle mit Radfahrerbeteiligung Eigenverschulden (meist mit mehr oder minder starken Verletzungen) sind, dann kommt aber gleich der nächste große Block mit Unfällen in Kreuzungsbereichen - und dort gibt es die meisten Toten und Schwerverletzten - und sehr oft die "besondere" Situation, dass man als Radfahrer definitiv nicht die kleinste Chance hatte, den Unfall zu vermeiden (außer durch Nicht-Radfahren). Und das kann es ja wohl nicht sein.

  • M
    Margo

    @ arribert:

     

    Das Risiko, auf dem Radweg Opfer eines Unfalls zu werden, ist auf (innerörtlichen) Radwegen HÖHER als auf der Fahrbahn.

  • J
    Jakob

    Auf dem Radweg wird man bei Einmündungen oder Grundstücksausfahrten dauernd von Autos übersehen und muss auf seine Vorfahrt verzichten. Auf der Fahrbahn wird man viel besser gesehen. Da man im direkten Aufmerksamkeitsfeld der Autofahrer ist, ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass man von hinten angefahren wird. Auf dem Radweg fährt man dagegen oft im toten Winkel und wird dann übersehen, wenn der LKW nach rechts abbiegen will. Diverse Studien haben gezeigt, dass selbst gut ausgebaute Radwege die Unfallgefahr für Radfahrer deutlich steigern.

  • DD
    Dr. Dumm

    Die sollen mal lieber die BRD nach 129a verklagen, weil 10 Jahre nach dem Völkermord durch Hurrikan Mitch Autofahren immernoch erlaubt ist.

  • E
    Ex-Radfahrer

    Ich fahre als Radfahrer in Berlin lieber auf den Bürgersteigen (natürlich da wo Menschen sind langsam und rücksichtsvoll). Jetzt allerdings nicht mehr, da mein Fahrrad seit dem letzten Aufprall auf ein Auto Schrott ist. Also fahre ich lieber wieder mit dem Auto.

  • A
    arribert

    Sehr merkwürdig. Ich als Radfahrer bin froh, wenn ich auf einem Radweg fahren kann und nicht ständig von Autos überholt werde. Meist fahren auch nur Rennradfahrer auf der Straße, wegen des Zustandes der Wege, aber das wäre mir das Risiko nicht wert.

  • U
    Udo

    Ändern wird das nichts, denn die Städte und Gemeinden weigern sich seit 13 Jahren, diese Rechtslage umzusetzen.

  • K
    Kai

    Schade, aus dem Artikel hätte man mehr machen können. Es wird dem unbedarften Leser überhaupt nicht klar, warum wir die Benutzungspflicht weg haben wollen.

     

    Die wesentliche Aussage des gestrigen Urteils ist, dass die Benutzungspflicht der Radwege eine Einschränkung des Radverkehrs bedeutet und deshalb eine Benutzungspflicht einer besonderen Begründung bedarf. Diese Begründung kann nur in besonderen Gefahren bestehen, die an vergleichbaren Strassen nicht vorliegen. Schnellfahrende PKW an mehrspurigen Strassen z.B. sind normal und stellen keinen Grund für eine Radwegbenutzungspflicht dar. Künftig werden diese Schilder also wesentlich seltener aufgestellt werden dürfen.

     

    Dass Radwege praktisch immer unsicherer zu benutzen sind als die Fahrbahn daneben, ist den wenigsten bisher klar. Dabei ist das schon mehrmals wissenschaftlich untersucht worden. Zusätzlich kommt man dort meist nur sehr langsam von der Stelle, auf der Fahrbahn daneben erheblich schneller.

     

    Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, allen Radfahrern die Radwege wegzunehmen. Es geht darum, dass man trotz Radweg auf der Fahrbahn fahren können soll.