piwik no script img

Bundestag legalisiert Lohnraub für die Altenpflege

■ Regierung beteuert: Geld soll nur gekürzt werden, wenn Pflegeversicherung auch kommt

Berlin (taz) – Arbeitnehmern kann von Anfang nächsten Jahres an der Lohn oder das Gehalt an Feiertagen um 20 Prozent gekürzt werden. Das beschloß gestern der Bundestag. Nach dem neuen Gesetz zur Lohnfortzahlung verlieren die Arbeitnehmer insgesamt den Lohn für zwei Tage im Jahr, wahlweise können sie auch auf zwei Urlaubstage verzichten. Mit dem so ersparten Geld wollen die Arbeitgeber ihren Beitrag zur Pflegeversicherung kompensieren.

Das neue Lohnfortzahlungsgesetz wurde von der CDU/FDP-Koalition gegen den erbitterten Widerstand der Opposition durchgepeitscht. Da die neue Regelung nicht der Zustimmung im Bundesrat bedarf, könnte die Lohnkürzung vom 1. Januar kommenden Jahres an in Kraft treten. Theoretisch könnte dies sogar der Fall sein, wenn die Pflegeversicherung gar nicht eingeführt wird.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms erklärte allerdings gestern, die FDP wolle weder „eine Pflegeversicherung ohne Kompensation noch eine Kompensation ohne die dazugehörige Pflegeversicherung“. Käme die Pflegeversicherung nicht, werde das neue Lohnfortzahlungsgesetz „wieder eingestampft“, sagte ein FDP-Sprecher. Im neuen Gesetzestext zur Lohnfortzahlung ist eine solche Verknüpfung mit dem Pflegegesetz allerdings nicht vorgesehen.

Das Pflegegesetz selbst soll in der zweiten Oktoberhälfte im Bundestag abschließend beraten werden. Danach muß dann der Bundesrat und darin vor allem die SPD-Mehrheit zustimmen. Die SPD hat nach wie vor ihren geballten Widerstand angekündigt. Das Pflegegesetz sei nur „der Probelauf“ für eine grundsätzliche Neuverteilung der Lasten im Sozialversicherungssystem, so der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Rudolf Dreßler. Mit dem Pflegegesetz verlören die Arbeitnehmer nicht nur zwei Tage Lohn im Jahr, sondern müßten auch noch ihren Beitrag von 0,85 Prozent am Bruttoeinkommen mitentrichten. BD Siehe Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen