Bundestag debattiert über Cannabisgesetz: Symbolstreit ums Kiffen
Die Union hinterfragt das Cannabisgesetz, um als Opposition Kante zu zeigen. Die letzte Novembersitzung des Bundestags – eine Keilerei ums Kiffen.
Es gäbe vieles zu besprechen und das seit April bestehende Cannabisgesetz sei nun wirklich nicht das Problem, kritisiert Janine Wissler (Linke). Hier gehe es mal wieder um einen Antrag der „Verbotsunion“, die Menschen entmündigen wolle. „Kotzelachen beim Oktoberfest sei Kulturgut, aber eine Tüte rauchen nicht“, so Wissler weiter.
Man müsse die Auswirkungen auf die innere Sicherheit ernst nehmen, heißt es hingegen im Antrag der Union. Auch der Cannabiskonsum von Minderjährigen sei besorgniserregend. „Die Drogenmafia ist nicht nach Deutschland unterwegs, sie ist längst angekommen“, meint Silke Launert (CDU) zu Beginn.
Die Ampel habe eine „Einladung an Kriminelle“ ausgesprochen. Als Beispiel nennt sie die sogenannte „Mocro Mafia“, die an der niederländischen Grenze agiert und vornehmlich aus Marokkanern bestehe. „Sie haben es bestimmt gut gemeint, Herr Lauterbach“, sagt sie. Aber die Drogenkriminalität sei in NRW angekommen. Bandenkriege und Schießereien im öffentlichen Raum, all das führt die CDU Abgeordnete auf das „vermurkste“ Gesetz zurück. Der Schwarzmarkt sei entgegen der Versprechungen nicht ausgetrocknet worden.
Lauterbach verteidigt drogenpolitischen Kurs
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigt das Gesetz: Es sei ein wichtiger Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Das Monopol für Dealer beim Verkauf von Gras sei das Problem für die Kriminalität gewesen. „Die niederländischen Clans sind das Ergebnis der gescheiterten Drogenpolitik“, so der Minister. Das sei das Erbe der vorherigen Regierung.
Es gebe keine Evidenz dafür, dass das Gesetz nun den Konsum in der Bevölkerung erhöhe. Man müsse dem Gesetz eine Chance geben. Nicht die Konsumenten seien kriminell, sondern die Dealer. Präventionsangebote und Jugendschutz bleibe weiterhin eine Priorität.
Seit dem ersten April dieses Jahres darf in Deutschland Cannabis konsumiert und in Maßen privat angebaut werden. Das Gesetz ist jedoch in vielen Punkten limitiert, sodass man genau genommen nicht von einer Legalisierung, sondern eher einer Entkriminalisierung spricht. Bei einer Legalisierung wäre auch ein privater Handel, also Dealen, erlaubt. Stattdessen findet seit dem ersten Juli über sogenannte Cannabis Social Clubs eine legale, kontrollierte Abgabe statt. Dazu kommen strenge Auflagen, wo man öffentlich rauchen darf.
Unter dem lauten Gejohle von Union und AfD fragt Lauterbach: „Was wäre denn sonst das Konzept gewesen?“. Beatrix von Storch (AfD) entgegnet daraufhin nur flapsig: „Hören Sie auf zu kiffen, Lauterbach“. Ihr Parteikollege Martin Sichert (AfD) holt stattdessen zum Schlag gegen die Union aus. „Es ist verrückt, so zu tun, als seien Kiffer ein Risiko für die innere Sicherheit“, so Sichert. Es seien die Migrant:innen.
Ein Erfolg der Ampel
Die FDP verteidigt das Gesetz der gemeinsamen Koalition. So lobt Kristine Lütke (FDP), dass man bei diesem Thema gut zusammengearbeitet habe. Eine ernsthafte Debatte über die Folgen des Gesetzes, lasse sich erst führen, wenn dazu Daten vorliegen. Dem pflichten die SPD und Grünen bei. Die Evaluation ist im kommenden Jahr geplant.
Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) schießt in ihrer Rede nach rechts. Die Union habe „ein seltsam obzessives Verhältnis zum Thema Cannabis, was nur noch vom Gendern getoppt werde“, sagt sie. „Kämpfen Sie doch gemeinsam mit uns“, so die Grünen Politikerin weiter.
Widerstand von der Union
Gemeinsam kämpfen, so macht die Union mit Aktionen wie diesen immer wieder deutlich, will sie nicht. Es ist weiterhin unklar, welche Gesetze der Ampel nun mit der benötigen Unterstützung der CDU künftig verabschiedet werden. „Die Hobbykiffer, das ist die Community der Grünen“, so Tino Sorge (CDU).
„Beruhigen Sie sich ein bisschen, genießen Sie die Auszeit und dann geht es weiter“, sagt die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am Ende der hitzigen Diskussion. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bundestag ab dem vierten Dezember dann wieder mehr mit zentralen und zukunftsgerichteten Vorhaben beschäftigen wird. Der vermutlich anstehende Wahlkampf findet seit dieser Woche Einzug in ideologisch gefärbte Bundestagsdebatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“