Bundesrechnungshof kritisiert: Lobbyisten schreiben an Gesetzen mit
In vielen Ministerien sitzen Lobbyisten, kritisiert der Rechnungshof. Besonders betroffen sind die Ressorts Wirtschaft, Finanzen und Verkehr.
BERLIN taz Lobbyisten aus Unternehmen und Verbänden sind in weit größerem Umfang als Mitarbeiter in Ministerien eingesetzt, als von der Bundesregierung bislang zugegeben. Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestages, der der taz vorliegt, waren in den Jahren 2004 bis 2006 ständig rund hundert solcher Personen in den obersten Bundesbehörden tätig. Dabei waren sie auch an der Formulierung von Gesetzentwürfen beteiligt, die jeweils die eigene Branche betrafen. Diese Praxis werfe Fragen in Bezug auf die "Neutralität, Glaubwürdigkeit und Transparenz des Handelns der öffentlichen Verwaltung" auf, schreibt der Rechnungshof.
Rund zwei Drittel der betreffenden Lobbyisten sind dem Bericht nach länger als sechs Monate im jeweiligen Ministerium tätig und damit in die Arbeitsabläufe voll eingebunden. In mehr als 60 Prozent der Fälle wurden die Mitarbeiter weiterhin von dem entsendenden Verband oder Unternehmen bezahlt. Dass mehr als drei Viertel der Externen von bundeseigenen Unternehmen, Sozialversicherungen oder Zuwendungsempfängern entsandt wurden, macht die Sache aus Sicht der Rechnungsprüfer nicht besser. Auch solche Stellen verfolgten Ziele, "die nicht zwangsläufig mit den Zielen der Behörde deckungsgleich sein müssen".
Der Bericht listet insgesamt 20 Beispiele von besonders krassen Einzelfällen auf, allerdings ohne Namensnennung der betroffenen Behörden und Verbände. So ließ etwa ein Bundesministerium die Stellungnahme zur Einführung eines neuen EU-Kontrollsystems von einem Mitarbeiter erstellen, der auf der Gehaltsliste eines Großunternehmens aus der zu kontrollierenden Branche stand. In einem vergleichbaren Fall erstellte der Beschäftigte eines Unternehmens eine Vorlage, die vom Erlass einer EU-Richtlinie für die betreffende Branche mit der Begründung abriet, das "Geschäftsmodell" des entsendenden Unternehmens sei in Gefahr.
Besonders zahlreich sind die Lobbyvertreter in den Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und Verkehr anzutreffen. Das geht aus einer Auflistung hervor, mit der die Bundesregierung vor mehr als einem Jahr zwei Anfragen von FDP und Grünen beantwortete. Im Verkehrsministerium saßen etwa Vertreter der Fraport, des Flughafens Köln-Bonn oder der Deutschen Flugsicherung. Der Fraport-Vertreter soll nach taz-Informationen auch mit der Novelle des Fluglärmgesetzes befasst gewesen sein.
Ein Sprecher von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) rechtfertigte gegenüber der taz den Einsatz eines AOK-Entsandten in seinem Haus. Der Referatsleiter, der anfangs weiter von der Kasse bezahlt worden war, stehe mittlerweile auf der Gehaltsliste des Ministeriums. Man dürfe "in einem freien Land" niemanden unter Generalverdacht stellen, der allein wegen seiner hohen Sachkenntnis in einer Behörde tätig sei.
Die vom Rechnungshof geforderte einheitliche Vorschrift für den Einsatz externer Mitarbeiter in den Bundesministerien ist nach Angaben des federführenden Innenministeriums bereits seit vorigem Jahr in Arbeit. Die letzte Verhandlungsrunde fand dazu im März statt. Wann die endgültige Regelung vorliegen wird, lasse sich noch nicht absehen, sagte ein Sprecher der taz. Am Austausch zwischen Wirtschaft und öffentlicher Hand werde aber festgehalten.
Der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck bemängelte, von einem "Austausch" könne kaum die Rede sein, da in dem fraglichen Zeitraum lediglich fünf Bundesbedienstete den umgekehrten Weg gingen und in Unternehmen hospitierten. Der Einsatz von Externen müsse auf sechs Monate begrenzt werden, sie müssten stets als Außenstehende erkennbar sein und dürften nicht mit Aufgaben befasst werden, die das Interesse ihres Verbands oder Unternehmens tangierten.
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