piwik no script img

Bundesratsinitiative nach Moria-BrandHamburg enthält sich

Berlin und Thüringen wollen, dass Länder selbstständig Geflüchtete aus Moria aufnehmen können. Bremen unterstützt den Antrag, Hamburg nicht.

Wird mit der Entscheidung des Senats unglücklich sein: Seebrücken-Demonstrant an der Binnenalster Foto: dpa

Hamburg taz | Nach dem Großbrand des griechischen Flüchtlingslagers Moria scheint der Einsatz der deutschen Bundesländer groß. Auch Hamburg kündigte erst Dienstag an, 500 Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Allerdings nur „anerkannte Flüchtlinge“, also solche, die das Asylverfahren bereits durchlaufen haben. In Moria warten jedoch alle Menschen noch auf ihr Verfahren.

Eine Bundesratsinitiative der Länder Berlin und Thüringen, die eine vereinfachte Aufnahme von Flüchtlingen ermöglichen soll, unterstützt der Hamburger Senat nicht. Bei der Abstimmung des Gesetzentwurfs am kommenden Freitag im Bundesrat will sich Hamburg enthalten.

Der Antrag aus Berlin und Thüringen ist nicht ganz neu: Bereits im vergangenen November stand er auf der Tagesordnung und wurde kurzfristig abgesetzt. Die Bundesländer wollen erreichen, dass sie in bestimmten Fällen ohne die Zustimmung des Bundesinnenministeriums (BMI) Menschen aus anderen Staaten aufnehmen können. Bisher ist ein „Einvernehmen“ des BMI notwendig. Andere Bundesländer, wie beispielsweise Bremen, haben bereits angekündigt, den Antrag zu unterstützen.

Der Senatssprecher Marcel Schweitzer begründet die Entscheidung der rot-grünen Regierung, sich zu enthalten, mit Schwierigkeiten beim Gesetzentwurf: Zum einen gelte der entscheidende Paragraf nur für Menschen, die sich außerhalb der EU befänden – den Flüchtlingen aus Moria sei damit in der aktuellen Situation also nicht geholfen.

Das sorgt für eine eigene Asyl- und Außenpolitik im Bundesland und das ist nicht vorgesehen

Marcel Schweitzer, Senatssprecher

Außerdem bräuchte man bei der Umsetzung des Gesetzentwurfs „Kapazitäten“ im Land, um vor Ort mit den Behörden zu verhandeln und wichtige Fragen zu klären, beispielsweise wer kommen dürfe oder ob die Flüchtlinge sich dann nur im jeweiligen Bundesland oder in ganz Deutschland bewegen dürften. „Das sorgt für eine eigene Asyl- und Außenpolitik im Bundesland und das ist nicht vorgesehen“, sagt Schweitzer. Die Bereitschaft zu helfen sei aber trotzdem da, das habe Hamburg auch gegenüber dem BMI verdeutlicht. Bis zu 500 Flüchtlinge wolle man aufnehmen.

Carola Ensslen, Sprecherin für Flucht und Migration bei der Linksfraktion, hält das für unrealistisch. Denn wenn die Bundesregierung rund 1.500 Flüchtlinge aufnehmen werde, seien davon nur 40 Flüchtlinge für Hamburg vorgesehen: „Wir werden nicht überproportional viele Geflüchtete aufnehmen, es werden nicht mehr als 100“, prognostiziert sie.

Die Enthaltung im Bundesrat ist für Ensslen ein fatales Signal an Moria, denn die Aufnahme von Menschen von dort wäre mit einem eben solchen Antrag möglich geworden. „Da hätte Hamburg mutig vorangehen sollen“, sagt sie. Stattdessen verstecke sich der Senat hinter juristischen Details. Es sei rechtlich umstritten, ob sich der Paragraf, den die Bundesratsinitiative betrifft, wirklich nur auf Menschen außerhalb Europas beziehe.

Heiko Habbe von der kirchlichen Hilfsstelle Fluchtpunkt vermutet, dass hinter den Vorbehalten der SPD die Sorge stehe, die Mittel für die Aufnahme der Geflüchteten selbst übernehmen zu müssen. Hamburg solle sich nun dafür einsetzen, zumindest 500 Flüchtlinge aus Lesbos aufzunehmen, wo derzeit viele obdachlos auf den Straßen schlafen. Da aber ausschließlich „anerkannte Flüchtlinge“ aufgenommen werden sollen, also solche, die ihr Asylverfahren bereits erfolgreich hinter sich gebracht haben, wird das wohl nichts werden. Das bestätigt auch die Linken-Abgeordnete Ensslen: „Es geht für Hamburg nur um Menschen, die bereits einen Schutzstatus haben. Es werden keine aus Moria und Lesbos aufgenommen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.