piwik no script img

Bundesratsinitiative aus BerlinRot-Schwarz will Schwule entschädigen

Bis 1969 war Schwulsein strafbar - nun gibt es eine Bundesratsinitiative des rot-schwarzen Senats zur Entschädigung von Verfolgten.

Schwul und gut so - Impression vom Berliner Christopher Street Day 2011. Bild: reuters

Der rot-schwarze Senat will Homosexuelle für Verfolgung durch den Strafrechtsparagrafen 175 entschädigen lassen. Dazu hat die Landesregierung am Dienstag eine Bundesratsinitiative beschlossen. Der Bundestag hatte zwar bereits 2002 Homosexuelle für Verfolgung in der NS-Zeit rehabilitiert und ihnen eine Haftentschädigung zugesprochen. Außen vor blieben aber dabei jene, die durch den im Nationalgesetzbuch verschärften und nach 1945 weiter gültigen Strafrechtsparagrafen 175 noch bis 1969 verfolgt wurden.

„Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, wird mit Gefängnis bestraft“, stand noch mehr als zwanzig Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft im bundesdeutschen Strafrecht. Auch in der DDR stand Homosexualität bis 1968 unter Strafe. „Die junge Bundesrepublik hat die nationalsozialistische Verfolgung der Homosexuellen fortgesetzt“, heißt in einer Dokumentation der Antidiskriminierungsstelle des Landes. „Die von den Nazis verschärften Strafvorschriften wurden beibehalten und ebenso exzessiv angewandt.“

Die zuständige Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD), sprach nach der Kabinettssitzung am Dienstag von „einem dunklen Fleck in der Geschichte“, in den es mehr Licht zu bringen gelte. Neben der Bundesratinitiative soll es deshalb mehr Forschung und Dokumentation in diesem Bereich geben. Wie viel Geld der Senat dafür ausgeben will und wie hoch die Entschädigungen sein sollen, konnte Kolat nicht sagen. Die Senatorin rief Zeitzeugen auf, ihre Geschichte öffentlich zu machen und sich dazu an die Antidiskriminierungsstelle zu wenden (www.berlin.de/lb/ads).

Nach Kolats Angaben gab es in der Bundesrepublik 50.000, in der DDR – wo das Zahlenmaterial allerdings schwerer ermittelbar sei – 1.800 Verurteilungen wegen Homosexualität. Endgültig verschwand der Paragraf 175 erst 1994 aus dem bundesdeutschen Strafrecht: Zwischen 1969 und 1994 waren homosexuelle Kontakte von Erwachsenen mit unter 18-Jährigen strafbar, während heterosexuelle Kontakte schon mit 16-Jährigen erlaubt waren, was heute generell gilt.

Laut Kolat unterstützen auch andere SPD-geführte Bundesländer die Initiative. Sie geht aber davon aus, dass es auch bei CDU-geführten Ländern im Bundesrat Unterstützung gibt, weil es nicht allein eine Initiative der Sozialdemokraten ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • C
    Chesterfield

    Der Vorschlag kommt viel zu spät,denn die,die es am meisten betrifft sin heute büber 80 Jahre alt.Wir wurden in den Fünfzigern und Sechzigern bestraft,und das nicht zu knapp.Noch in den sechziger Jahren wurden im Zentralkrankenhaus Hohenasperg von einem SS Arzt homosexuelle Männer kastriert.Es handelt sich da um Dr.Mauch uns Konsorten.Wenn man heute an Entschädigungen denkt,so ist das gut und schön,aber es kommt zu spät.Die letzten Zeitzeugen sind dann gestorben bevor sie rehabilitiert worden sind.Viele der damaligen Verurteilten saßen in deuschen Zuchthäusern und wurden wie der letzte Dreck behandelt.Zum Teil auch noch von ehemaligen KZ Aufsehern.Das Zuchthaus Bruchsal war voll davon.Und jeder Schwule,der etwa an Verfassungsklage gegen § 175 auch nur dachte,hatte nie eine geringste Chance auf Bewährung entlassen zu werden.Dafür sorgte dann edr Altnazi Dr.Rudolph,seines Zeichens Regierungsdirektor und Leiter der Strafanstalt.Man könnte Bücher darüber schreiben über die Seilschaften alter Nazis im Justizdienst jener Jahre.

  • EA
    Enzo Aduro

    @aurorua

     

    lol.

    Sie haben Genetik falsch verstanden. Allein das es schwule Menschen gibt, zeigt doch das es natürlich ist.

     

    Wenn Schwulsein genetisch ist

    => Dann entsteht das eben durch Mutation jedes mal neu. Mutation ist ein natürlicher Teil der Evolution und findet laufend statt. Oder es ist als rezessives "gen" (vereinfacht) bei heterosexuellen menschen im genpool.

     

    Wenn Schwulsein NICHT genetisch ist

    sondern durch andere Einflüsse entsteht, dann ist ihre ganze Argumentation eh hinfällig.

  • A
    aurorua

    @ Tim Müller

     

    Völlig natürlich? Sind noch nicht behandelbare endokrin-neuronal-und psychisch bedingte sexuelle Störungen völlig natürlich?

    Bestenfalls in dem Sinne, dass durch evolutionär bedingte Selektion alle die die nicht bi sind und nicht zur Samenbank rennen, ihre Gene nicht mehr weitergeben.

  • EA
    Enzo Aduro

    @Tim Mûller

     

    Ich meinte natürlich das inhaftieren Unschuldiger, in Ihrem Steuerbeispiel.

  • EA
    Enzo Aduro

    @Tim Mûller

    Lieber wäre mir eine persönlicher Empfang vom Bundespräsidenten und die Übergabe einer Plakette oder ähnliches.

     

    Das Geldentschädigen finde ich problematisch.

  • EA
    Enzo Aduro

    @Tim Mûller

    Ich stimme Ihnen doch vollständig zu, wenn es darum geht, das das eine Sauerei war. Und das die Urteile -auch wenn es nur Symbolik ist- nicht aufgehoben sind, ist eigentlich nicht nachzuvollziehen.

     

    Einen Entschädigungsanspruch kann ich daraus nicht ableiten. Ihr Vergleich hinkt auch sehr. Unschuldige zu verurteilen, war nie legal. Aber gerade das ist ja bei der Schwulengesetzgebung das Problem gewesen: Sie haben Sich straffällig gemacht. Die Urteile waren ja rechtens, vom Gesetz gedeckt.

     

    Den Ton, das ich "wenig von XYZ Ahnung habe", können Sie auch sein lassen.

  • TM
    Tim Mûller

    Aduro, Sie haben ein seltsames Rechtsverständnis: Es geht um Unrecht das diesen Menschen widerfuhr. Sie wurden für etwas bestraft, das völlig natürlich ist. Auch wenn der Staat dies nicht wieder gut machen kann, so hat er die Pflicht sie zumindest zu rehabilitieren. Und: natürlich trägt die Öffentlichkeit eine Verantwortung! In dem Sie die Inhaftierung Unschuldiger mit steuerrechtlichen Fragen vergleichen, zeigen Sie nur wie wenig Ahnung Sie von diesem Thema haben.

  • EA
    Enzo Aduro

    Ich weiß echt nicht was diese ganze Entschädigerei soll. Die Allgemeinheit hat ja nichts davon das Schwulsein strafbar war, ihr jetzt Geld wegzunehmen ist auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.

     

    Lieber sollte man für die steuerliche Gleichstellung bei kinderlosen Ehen was tun.

     

    Sonst kommt man in 43 Jahren vielleicht auf die Idee die Schwulen dann dafür zu entschädigen.