Bundespräsident zurückgetreten: Wulff ist weg, Merkel sucht Nachfolger
Bundespräsident Christian Wulff erklärt seinen Rücktritt. Bundeskanzlerin Merkel zollt ihm Respekt. Wulffs Nachfolger soll gemeinsam mit der Opposition abgestimmt werden.
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BERLIN taz | Bundespräsident Christian Wulff ist zurückgetreten. Auf einer Pressekonferenz im Schloss Bellevue erklärte er am Freitagvormittag nach nur 598 Tagen aus dem Amt auszuscheiden. "Das Vertrauen und meine Wirkungsmächtigkeit sind nachhaltig beeinträchtigt", sagte er.
Er trete zurück, um den Weg für einen neuen Präsident freizumachen. Es sei ihm nicht mehr möglich, sein Amt nach innen und nach außen wahrzunehmen, "wie es notwendig ist". Die anstehende rechtliche Klärung werde aber zu einer vollständigen Entlastung führen, sagte Wulff. Er habe sich stets rechtlich korrekt verhalten. Wulff dankte vor allem seiner Ehefrau, die er als Repräsentantin eines menschlichen und modernen Deutschlands kennengelernt habe. Kritik übte Wulff an den Medien: "Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt."
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einer Pressekonferenz, Wulff und seine Ehefrau Bettina hätten "Deutschland in der Welt würdig vertreten." Sie habe seinen Rücktritt mit "größtem Respekt und tiefem Bedauern" aufgenommen. Wulffs Nachfolger soll gemeinsam mit der Opposition gefunden und abgestimmt werden."Die Stärke des Landes liegt in seiner Vielfalt. Damit wird Wulffs Name verbunden bleiben", sagte Merkel. Es sei eine Stärke "unseres Rechtsstaats, jeden gleichzubehandeln."
Die Spitzen von CDU, CSU und FDP wollen sich zur Frage eines Nachfolgers am Samstag treffen, hieß es aus Koalitionskreisen. Ein Treffen mit SPD und Grünen soll folgen.
Wulffs Vertretung wird kommissarisch Bundesratspräsident Horst Seehofer übernehmen, Bundeskanzlerin Angela Merkel springt vertretungsweise als Rednerin auf der zentralen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Rechtsterrorismus am Donnerstag in Berlin ein.
Bis Mitte März muss nun die Bundesversammlung zusammentreten, um einen neuen Bundespräsidenten zu bestimmen.
Ermittlungen auch gegen Groenewold
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Donnerstagabend beim Bundestag die Aufhebung der Immunität beantragt. Zur Begründung wurde angegeben, dass es nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und weiterer Medienberichte gegen den früheren niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten nun einen Anfangsverdacht im Zusammenhang mit Kontakten zum Filmfonds-Manager David Groenewold gebe.
Auch gegen ihn wird ermittelt. Erst wenn der Bundestag dem Aufhebungsantrag zugestimmt hat, kann die Staatsanwaltschaft tatsächlich ermitteln. Groenewold hatte mit Wulff 2007 auf Sylt Urlaub gemacht und dabei die Hotelkosten zunächst bezahlt; Wulff will den Betrag später in bar beglichen haben. Die niedersächsische Landesregierung hatte einer Firma Groenewolds knapp ein Jahr zuvor eine Millionen-Bürgschaft gewährt - die aber nie in Anspruch genommen wurde.
Das Gesuch nach Aufhebung der Immunität von Bundespräsident Christian Wulff ist bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eingetroffen. Er werde den Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover "unverzüglich an den zuständigen Ausschuss für Immunitätsangelegenheiten weiterleiten", teilte Lammert am Freitag in Berlin mit. Verbunden sei dies mit der Bitte, "den Antrag sorgfältig zu prüfen und eine Beschlussempfehlung für das Plenum des Deutschen Bundestages vorzubereiten".
Lammert kündigte an, dass das Parlament gleich zu Beginn seiner nächsten Sitzungswoche über die Aufhebung von Wulffs Immunität befinden werde. Diese beginnt am 27. Februar.
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