Bundespräsident und Sexismus-Debatte: „Gauck sendet gefährliches Signal“
Junge Frauen ärgern sich via offenem Brief über die „Tugendfuror“-Äußerung des Bundespräsidenten. Die #Aufschrei-Initiatorin wirft ihm Herabwürdigung vor.
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BERLIN dpa | Die Initiatorin der Twitter-Debatte um Sexismus im Alltag, Anne Wizorek, hat eine Äußerung von Bundespräsident Joachim Gauck zu diesem Thema kritisiert. „Er bagatellisiert hier etwas, das ernst zu nehmen ist“, sagte Wizorek am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“.
Der Bundespräsident hatte in einem Spiegel-Interview gesagt: „Wenn so ein Tugendfuror herrscht, bin ich weniger moralisch, als man es von mir als ehemaligem Pfarrer vielleicht erwarten würde.“
Gauck würde stets das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern fordern – gerade das sei unter #Aufschrei passiert, sagte Wizorek. „Wenn er (...) eine solch wichtige Debatte herabwürdigt und als Medien-Hype abtut, dann sendet er einfach ein gefährliches Signal.“
Unter dem Hashtag #Aufschrei war Ende Januar nach als sexistisch bewerteten Äußerungen von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle eine Debatte über Sexismus in der Gesellschaft losgebrochen.
Bereits am Mittwoch hatten sich junge Frauen in einem offenen Brief an Gauck gewandt: Durch die Verwendung des Wortes „Tugendfuror“ bringe er erniedrigende, verletzende oder traumatisierende Erlebnisse in Verbindung mit dem abwertend verwendeten Begriff „Furie“.
Der Bundespräsident äußerte sich unterdessen bei der Verleihung des Verdienstordens an 33 Bürgerinnen anlässlich des Weltfrauentags am 8. März am Donnerstag laut Redemanuskript: „Auch in unserer Gesellschaft, die uns allen so entwickelt und reif erscheint, gibt es noch Benachteiligung, auch Diskriminierung und alltäglichen Sexismus.“ Darüber sollte von Frauen und Männern gleichermaßen eine engagierte Debatte geführt werden. Damit könnten Missstände benannt und aufgedeckt werden, sagte Gauck.
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