Bundesliga: Harmonie auf Schalke
Mit zwei Siegen gegen nicht allzu starke Gegner hat sich der FC Schalke 04 an die Tabellenspitze geschlichen. Die Fans haben ihr Team wieder ganz lieb - auch Halil Altintop.
DUISBURG taz Es war beinahe rührend, welch überschwängliche Liebe die Fans von Schalke 04 am Dienstagabend für Halil Altintop aufbrachten. Schon während der Präsentation der Mannschaften vor dem glasklaren 2:0-Sieg beim MSV Duisburg wurde der Stürmer mit einem warmen Applaus in der Startelf begrüßt, und nur wenige Augenblicke später, nach seinem Tor zum 1:0 (3.), wogten peitschende "Altintop"-Sprechchöre durch die Arena. Zlatan Bajramovic überkam "eine Gänsehaut" angesichts dieser rasanten Wendung in der Causa Altintop - nicht nur der Bosnier, die ganze Mannschaft hatte mitgefühlt, mit dem zuletzt so heftig ausgepfiffenen Kollegen. An diesem Abend wurde Altintop aber gefeiert. Selbst eine Stunde nach Spielende stand noch eine Traube treuer Schalker Anhänger am Mannschaftsbus und dichtete Lieder für den Türken. "Das hat richtig gut getan", sagte der 24-Jährige, der in den Fokus der Kritik geraten war, weil er nach der Champions-League-Niederlage gegen den FC Valencia erklärt hatte, dass er sich von den Fans "ein bisschen mehr erwartet" habe.
Diese Worte hatten den Stolz der treuen Anhänger gekränkt, und dafür rächten sich einige. Jetzt haben alle gemerkt, dass sie mit solch einem nutzlosen Streit niemandem helfen. Außer der Konkurrenz. Die Mannschaft hatte sich deshalb in den vergangenen Tagen demonstrativ an der Seite Altintops positioniert, der Anhang hatte seinen Versöhnungswillen gezeigt, und der Spieler selber erklärte nach der Partie in Duisburg: "Die Situation war ganz blöd. Dieser Satz war nicht als Kritik gemeint, ich weiß genau, was für tolle Fans wir haben und dass die immer hinter uns stehen." Dieses starke Friedensengagement unter allen Beteiligten war Ausdruck eines tiefen Bedürfnisses nach Harmonie, nach konstruktivem Miteinander. Schließlich stehen enorm wichtige Wochen vor dem FC Schalke 04.
Ein bisschen fühlte sich dieses Fußballspiel daher an wie eine Filmromanze mit Missverständnissen und folgendem Happy End. Irgendwann raunte des Stürmers Kevin Kuranyi sanfte Stimme, "noch schöner" als sein eigenes erlösendes 2:0 (78.) sei gewesen, "wie der Halil gefeiert wurde". Und als all die zufriedenen Schalker in die laue Ruhrgebietsnacht aufbrachen, waren sie vermutlich erfüllt vom Gefühl einer glücklichen Liebe zu ihrem Klub.
Denn dieser Abend hatte nicht nur den Streitpunkt Altintop aus der Welt geschafft. Nach dem "Wischi-Waschi-Saisonstart" (Trainer Mirko Slomka) ist Schalke in der Spitzengruppe der Bundesliga angekommen. Zudem tut es Spielern wie Jermaine Jones, Ivan Rakitic, Heiko Westermann oder auch dem zuletzt etwas schwächeren Christian Pander sichtlich gut, ihr Niveau in Partien wie gegen Arminia Bielefeld oder den MSV Duisburg zu stabilisieren. "Wir hatten einfach ein sehr schweres Auftaktprogramm", sagte Schalkes Manager Andreas Müller, umso erstaunlicher ist es, dass nun zwei Siege reichten, um (zumindest für ein paar Stunden) einen Platz ganz nah an der Spitze der Ligatabelle zu erklimmen, einen Champions-League-Platz
Unbeantwortet bleibt aber weiterhin die Frage, ob der Entwicklungsprozess schon so weit gediehen ist, dass auch Spitzenteams besiegt werden können. Gegen Stuttgart, Leverkusen, Valencia, München oder Wolfsburg reichte es eben nicht zum Sieg, am morgigen Freitag kommt nun Hertha BSC Berlin in die Arena. "Dort können wir unsere Woche vergolden", sagte Kuranyi, aber dann dürfen sie nicht noch einmal derart schlampig mit den eigenen Möglichkeiten umgehen, so wie sie es bei den eindeutig unterlegenen Duisburgern getan haben. "Wir mussten nach dem frühen Gegentor immer weiter aufmachen, was so eine Spitzenmannschaft eiskalt ausnutzt", klagte Trainer Rudi Bommer, das Tor hatte Torhüter Tom Starke den Schalkern mit einem Fehler geschenkt.
"Eiskalt" war jedoch ein sehr euphemistischer Begriff für den Umgang der Gäste mit ihrer Überlegenheit. "Ich habe in der 70. Minute zu meinem Freund Tobias Willi gesagt, solche Spiele enden meistens 1:1", erzählte Bajramovic, nachdem Peter Lövenkrands, Kuranyi, Jones und Bajramovic selber Großchancen verstolpert hatten. Aber Duisburg ist eben nicht Valencia, deshalb blieben die wenigen Möglichkeiten des MSV ebenfalls ungenutzt, und der Schalker Genesungsprozess fand ohne Rückschlag eine Fortsetzung.
Wie nachhaltig der ist, wird sich aber erst gegen stärkere Teams wie Hertha oder Rosenborg Trondheim zeigen. Dann sollte man "sich Valencia ruhig als Vorbild nehmen", schlug Bajramovic vor: "Man stellt die Räume schön eng hinten und lässt dem Gegner keine Luft zum Atmen, dann fallen die Tore mit schnellen Gegenangriffen. So wird in Europa gespielt." Schalke entwickelt sich fleißig weiter in dieser Zeit des Übergangs vom Spätsommer in den Herbst - das gilt für die Fans ebenso wie für die Spieler.
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