Bundesliga aktuell: Der Mann des Friseurs
■ Spielertypen der 90er Jahre (Folge 9): Am Popstar verdienen sich alle blöd
Der Popstar hat nach dem Abi eine Lehre als Bankkaufmann gemacht und ist anschließend Profi geworden. Bis zum 16. Lebensjahr hat er Spitzentennis gespielt und war Bezirksjugendmeister. Erst nachdem ein Platz unter den Top 100 in der Weltrangliste aussichtslos geworden war, hat sein Vater für ihn den ersten Profivertrag ausgehandelt.
Der Popstar kennt seinen Marktwert zimlich genau, denn rechnen kann er, da er natürlich eine Banklehre absolviert hat. Deshalb hat er auch nach dem
Das Popstar-Team
Prototyp: Lars Ricken
Tor: Illgner
Verteidigung: Spanring, Ziege, Haber
Mittelfeld: Ricken, Scholl, Brand, Sousa (G. Reina)
Sturm: Polster, Bobic (Herrlich), Dundee
Prognose: Bei schönem Wetter und hohen Prämien spielen die Popstars ansehnlichen Fußball, bei tiefem Boden, strömendem Regen und böigem Wind aber sinkt das Niveau merklich.
ersten Profijahr den Verein gewechselt, um seinem Ziel, nach drei Jahren Profikarriere bei den Bayern in München zu unterschreiben, in wohlkalkulierten Schritten näherzurücken. Dann hat er sich einem Spielerberater anvertraut, der mit seinem Vater zusammenarbeitete, bis seine Frau das Management übernahm. Mit Werbeverträgen verdient der Popstar mehr Geld als mit Fußball.
Die Hobbies des Popstars sind Golf, Helikopterskiing, Tiefseetauchen und Geldanlagen. Er trägt Klamotten von Boss, Versace und, wenn's wegen der Werbegelder unbedingt sein muß, auch mal adidas, Reebok oder Nike. Zum Schuhkauf fliegt er nach Mailand oder fährt mit seinem neuen Jaguar, den er sich gekauft hat, weil er „mal was anderes ausprobieren wollte“, dorthin.
Der Popstar ist redegewandt. Er kann auf Anhieb unfallfrei einen grammatikalisch einwandfreien Satz mit den Begriffen hoch, motiviert, individuell, Fehler, Region, identifizieren, schuldig und akzeptieren bilden. Von mindestens fünf absolut hippen Popbands kennt er die Leadsänger persönlich und spielt selbstverständlich auch selbst ein Instrument oder singt beziehungsweise rappt wenigstens. In der Welt der Medien bewegt er sich wie ein Fisch im Wasser, auf dem Platz nur dann, wenn die Prämie stimmt oder das Spiel live im Fernsehen übertragen wird. Bevor er 30 wird, sichert sich der Popstar eine Stellung als Repräsentant einer angesehenen Sportartikelfirma.
Der Popstar ist belesen. Neben täglich Bild und wöchentlich Sport-Bild und kicker liest er Focus und die Bildunterschriften in der Bravo. Ab und zu schaut er sogar in den Sportteil der Frankfurter Rundschau und freut sich darüber, daß Profifußballer dort immer „leitende Angestellte“ genannt werden.
Medien, Manager und Marketingexperten lieben den Popstar, denn sie haben ihn ja schließlich zum Popstar gemacht, und jetzt verdienen sich alle blöd daran, daß er ein Popstar ist, nicht zuletzt der Popstar selbst.
Als „Helden für die Kinderzimmer“ verspotten ihn Fußballfachblätter für Erwachsene. Es sind ja schließlich die Kinder, die den Popstar reich machen, indem sie Popstartrikots, Popstarbettwäsche und Popstartaschentücher kaufen. Die Fachblätter für Kinder verleihen dem Popstar den „Goldenen Otto“, Teenager bewerfen ihn mit Teddymäusen, kreischen hysterisch, wenn er ihnen nahekommt, und kritzeln Liebesschwüre in Poesiealben und an die Kabinenwände der Fußballstadien.
Viel Geld gibt der Popstar für den Friseur aus, der ihm regelmäßig die adäquate Popstarfrisur zu verpassen hat. Der Kurzhaarpopstar hat damit vergleichsweise wenig Probleme, diejenigen, die aber nicht aussehen möchten wie der Centre Court von Wimbledon oder ganz kahl, quält die bange Frage: Wie hält meine Popstarfrisur auf dem Platz, wenn ich schwitze und renne und ein starker Wind bläst? Oder es am Ende gar regnet.
Wer die Antwort kennt, der möge sie dem Popstar mitteilen. Oder seinem Friseur. Joachim Frisch
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