Bundesliga-Countdown (2): Wenn der Ökotrophologe kommt

Die in den Vereinen grassierende Übungsleiterinflation deutet auf eine Kulturrevolution im deutschen Fußball hin.

Bei Schalke 04 steht der Ökotrophologe Christian Frank ganz links Bild: dpa

Ein intensiver Blick auf die Mannschaftsposter im Bundesliga-Sonderheft des Kickers fördert Jahr für Jahr überraschende Erkenntnisse ans Tageslicht. Über die neusten Trends des Trikotdesigns, über die Entwicklung der Schnauzbartquote unter den Fußballern oder über die zyklisch zu- und abnehmende Bedeutung der Maskottchen etwa.

Beim Studium der Fotos aus der aktuellen Ausgabe der roten Bibel fällt nun zuallererst auf, dass sich offenbar erhebliche Veränderungen in den hierarchischen Strukturen der Spitzenklubs vollzogen haben. Der VfB Stuttgart, Schalke 04 und Bayern München haben ihre Trainer, Assistenten und Betreuer nicht mehr - wie früher üblich - irgendwo am Rand drapiert, diese meist völlig unbekannten Herren stehen nun in langen Reihen im Zentrum der Poster. Ein Jahr nach Jürgen Klinsmann kann das kein Zufall sein.

Die Spezialisierung der Trainerstäbe ist endgültig in der Bundesliga angekommen. "Teambetreuer Rücker" (Stuttgart), "Ökotrophologe Frank" (Schalke), "Osteopath Witkop" (Hannover) oder "Sportwissenschaftler Proietti" (Bayern) sind jetzt auch Stars des Betriebs. Dabei hatten sich weite Teile der Branche lange Zeit gegen diese Form der Klinsmannisierung gewehrt. Dortmunds Thomas Doll etwa hatte vor einem Jahr erklärt: "Ich persönlich denke, dass man die erfolgreiche Methodik der Nationalmannschaft nicht verallgemeinern kann. Die Bundesliga-Trainer werden ihre Pläne jetzt nicht ändern, nur weil Jürgen Klinsmann neue Dinge angewendet hat." Ähnliches war von Felix Magath oder Peter Neururer zu vernehmen, Magath hat dann auch gleich nach seinem Dienstantritt in Wolfsburg einen Satz Medizinbälle bestellt. Doch auch wenn einige Übungsleiter Traditionen pflegen, die einer wissenschaftlichen Überprüfung kaum standhalten, befassen sich selbst die eher konservativen Vertreter mehr und mehr mit den Möglichkeiten moderner Methoden.

"Ich bin froh, dass Themen wie mentales Training, Individualtraining und Verbesserung der Fitness bekannt gemacht wurden, uns hatte das schon länger beschäftigt", sagt etwa Mirko Slomka, der Trainer von Schalke 04. Vor allem das Prinzip der Individualisierung hat sie alle überzeugt. Nürnbergs Hans Meyer erklärte auf dem Trainerkongress des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer im Juli: "Die Durchschnittszeit reicht nicht aus, um im Training auf die Unterschiede der einzelnen Spieler einzugehen, gerade der jungen, die an 18. oder 20. Stelle im Kader stehen. Das individuelle technisch-taktische Training, das kommt 100 Prozent zu kurz." Diesen Mangel sollen die zusätzlichen Fachkräfte beheben, denn mittlerweile suchen sie alle nach den vier, fünf Prozent, die aus einem 1:1 ein 2:1 machen. "Kleinigkeiten, die über eine Meisterschaft entscheiden können", wie Slomka sagt.

Überhaupt fällt auf, dass sich ein Generationswechsel auf den Trainerbänken der Bundesliga vollzieht. Doll, Slomka, Dieter Hecking, Marcel Koller, Petrik Sander, Ede Becker oder Rudi Bommer sind Leute, die noch vor drei, vier Jahren kaum jemand in der Bundesliga erwartet hätte. Sie haben die Röbers, Bergers, Neururers oder Heynckesens abgelöst. Und mit Ottmar Hitzfeld und Hans Meyer versuchen auch ältere Trainer dem Trend zu folgen und delegieren Verantwortung an Experten ab.

Ein wenig erinnert die gegenwärtige Entwicklung an den Radsport, an den Übergang von einer alten in eine neue Schule. Auch im Fußball fällt gerade das Prinzip, dass alte Männer von einst jene Dinge weitergeben, die früher einmal gut waren. Dieser Mechanismus hat lange Zeit Räume für Innovationen verstellt. Besonders auf den Treffen des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer spüre man diesen Wandel des Zeitgeistes, sagt Hannovers Hecking: "Es wird allgemein registriert, dass wir eine neue Generation haben, die den Fußball verändern möchte und kann - wenn man sie lässt." Denn die Vereinspräsidenten, die bei Misserfolg auf Druck bestimmter Medien große alte Namen verpflichten, sind ja immer noch da.

Nur mit der Psychologie, die sich nicht mit Laptops und Laktatwerten fassen lässt, haben selbst die Jungen noch ihre Probleme. Zwar machen fast alle Teams irgendwelche von Mentaltrainern ausgeheckten Ausflüge in Hochseilgärten oder Wildwasserschluchten und nennen den Spaßtag dann "Teambuilding". Doch vor einem Spiel, das über den Ausgang einer Saison entscheidet, doktern weiterhin die Trainer selbst an der mentalen Konstitution ihrer Spieler herum.

Und der gute Felix Magath glaubt natürlich weiterhin ans Bewährte: "Man kann mir doch nicht erzählen, dass Sportler vor 30, 40 Jahren überhaupt nicht wussten, wie man einen Körper trainiert oder in Form bringt." Mal sehen, wer in einem Jahr so alles neben ihm auf dem Mannschaftsposter posieren darf. Und in welcher Liga.

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