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■ Bundeskanzler Kohl auf Besuch in ArgentinienLernen und lernen lassen

Es wäre zu simpel, einfach zu behaupten, Bundeskanzler Helmut Kohl wolle mit seiner Lateinamerikareise, so kurz nach der Verabschiedung des Sparpaketes, ein bißchen ausspannen und im Kreise seiner Lieben, der mitreisenden Unternehmensvorständler, in Buenos Aires BSE-freies Rindfleisch essen und am Strand von Rio ein paar Caipirinhas trinken. Nein, tatsächlich ist Kohl unterwegs, um zu lehren und zu lernen. Argentiniens Präsident Carlos Menem erklärte, Kohl habe bei den wirtschaftlichen Reformen in Argentinien „sehr mitgewirkt durch die Ratschläge, die Sie mir gegeben haben, und durch das Beispiel Deutschlands“. Und Kohl ermutigte Menem, der bei 17 Prozent Arbeitslosigkeit und rasanter Verarmung einen Generalstreik nach dem nächsten zu gewärtigen hat: „Wenn Sturm aufkommt, muß man stehen.“

Das kann Menem schon. Tatsächlich haben sich da in Buenos Aires zwei getroffen, die sich beide bestens darin verstehen, allen Skandalen mit der Chuzpe der Macht zu begegnen, in Zeiten der Krise lauthals „Weiter so!“ zu rufen und im Falle sinkender Popularität die miesmacherische Presse zu beschimpfen. Der korrupte, buckelnde Hofstaat, den sich Menem in sieben Jahren Amtszeit aufgebaut hat, ist mit dem Kanzleramt natürlich nicht zu vergleichen.

Aber Argentinien, das ewige Schwellenland, hat was von Deutschland. Manche seit den fünfziger Jahren unter staatlicher Ägide industrialisierten Regionen sind heute wahrhaft blühende Landschaften. Die Fabriken sind privatisiert und stillgelegt, die staatliche Grundversorgung ist in Gefahr, die Menschen aus den Provinzen sind auf dem Weg in die Städte. Und bei Wahlen geben trotz Wahlpflicht immer weniger BürgerInnen ihre Stimme ab. „Gehen Sie weiter auf diesem Weg voran, dann wird Argentinien in vier Jahren das 21. Jahrhundert in guter Verfassung erreichen“, rät Kohl. So ist es nur folgerichtig, wenn der Kanzler das neue Werk von Mercedes-Benz einweiht, wo zwar 20.000 Nutzfahrzeuge jährlich produziert werden sollen – ohne daß aber, so sagen Experten, auch nur ein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen würde. Wie hieß es einst in der Mercedes-Werbung: Willkommen zu Hause. Bernd Pickert

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