Bundeshaushalt in den USA: Obamas radikales Sparprogramm
Der US-Präsident hat ambitionierte Sparpläne vorgelegt. Damit erntet er Kritik von links wie von rechts. Es dürfte ein harter Streit im Kongress folgen.
WASHINGTON taz | Mit dem ursprünglichen Programm von Barack Obama hat das nicht mehr viel zu tun: Der Haushalt über 3,7 Billionen (3.700 Milliarden) Dollar, den der US-Präsident am Montag vorgelegt hat, ist ein radikales Sparprogramm. Damit soll der US-Bundeshaushalt im nächsten Jahrzehnt rund 1,1 Billionen - 1.100 Milliarden - Dollar einsparen und so zumindest die weitere Vergrößerung des Defizits bremsen.
Ab September will Obama 200 Bundesprogramme entweder komplett streichen oder radikal kürzen. Besonders empfindlich betroffen sind das Sozial- und Umweltbudget und die Raumfahrt. In den Transportsektor hingegen - insbesondere in den Bau von Straßen, Brücken und Hochgeschwindigkeitszügen - und in die Bildung, will Obama massiv investieren: Zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zu der Verbesserung der Infrastruktur.
Das Militärbudget soll in den kommenden fünf Jahren – die zugleich Nachkriegszeit in Irak und Afghanistan werden sollen – um 78 Milliarden Dollar schrumpfen. Zusätzliche Einsparungen in Höhe von 46 Milliarden Dollar im Lauf von zehn Jahren erwartet Obama durch die Streichung von Subventionen an die Öl-, Gas- und Kohlekonzerne
Zwei Jahre nach dem knapp 800 Milliarden Dollar Konjunktur-Plan soll die Supermacht ihren Gürtel enger schnallen. Das ist nicht nur für Obama eine Abkehr von alten Prioritäten, sondern kündigt zugleich lähmende Auseinandersetzungen für die kommenden Monate im Kongress an.
Kritik von rechts
Die RepublikanerInnen, die die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen, haben bereits angekündigt, dass ihnen Obamas Sparvorschläge nicht weit genug gehen. Sie wollen auch bei der Sozialversicherung und der Krankenversicherung sparen. Die radikalsten Sparpläne haben die neuen Abgeordneten von der Tea-Party am rechten Rand der RepublikanerInnen, die bei den Halbzeitwahlen im November gewählt wurden. Manche von ihnen verstehen den Kampf gegen den Staat und gegen "zu viel Ausgaben" als ihre Hauptaufgabe.
Frei nach dem Motto ihres politischen Vorbildes Ronald Reagan, der bei seinem Amtsantritt 1981 erklärt hatte: "Der Staat ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems". Paradoxerweise hat derselbe Reagan in seiner Amtszeit das Haushaltsdefizit der USA verdreifacht. Ein Jahrzehnte später sorgte sein Nachfolger George W. Bush mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan schließlich für die Explosion des Budgets.
Kritik von links
Auf der Linken kritisiert ein Teil von Obamas Basis das Budget, weil es sozial Schwache besonders hart trifft. Linke DemokratInnen kritisieren zugleich, dass ihr Präsident noch im Januar den SpitzenverdienerInnen der USA ein Geschenk in Form einer mehrjährigen Verlängerung ihrer Steuernachlässe gemacht hat. Adam Green, vom "Progressive Change Campaign Committee", sagte am Montag: "Es ist rechter Radikalismus, den Banken weitere Steuernachlässe zu gewähren, während notwändige Regierungsprogramme zerstört werden. Kein demokratischer Präsident sollte so etwas tun."
Obama will alle heimischen Ausgaben, die nicht die nationale Sicherheit betreffen, in den kommenden fünf Jahren einfrieren. Unter anderem will er die Energie-Beihilfe für Niedriglohnempfänger auf das Niveau von 2008 zurückschrauben - obwohl ExpertInnen prognostizieren, dass die Energiepreise im kommenden Winter weit über das Niveau von vor vier Jahren steigen werden. Und obwohl klar ist, dass die Zahl der Arbeitslosen im kommenden Winter sehr viel höher sein wird, als im Winter 2008. Auch ein Teil der Förderung für StudentInnen aus sozial schwachen Familien soll gekürzt werden.
Für die Betroffenen werden die Sozialkürzungen dramatisch sein. Gegen die enorme Schuldenlast werden sie hingegen nicht viel ausrichten. Die wirklich tiefgehenden - und schmerzhaften - Einschnitte in den Bundeshaushalt der USA, darin sind sich DemokratInnen und RepublikanerInnen ausnahmsweise einig, werden erst nach den nächsten Präsidentschaftswahlen im Herbst 2012 stattfinden. Bis dahin geht es um Schadensbegrenzung.
Obamas Beraterin Melody Barnes gibt zu, dass ihr Präsident diese Einschnitte "unter normalen Umständen" nicht gemacht hätte. Und meint, ihm bleibe angesichts der Rekorddefizit nichts anderes übrig, als zu sparen und zugleich zu investieren, um "die Leute wieder an die Arbeit zu bringen und die Bildung für unsere Kinder zu verbessern."
Symbolische Botschaft an die Republikaner
Doch die Auswahl jener Haushaltsposten, die Obama kürzen will, ist auch eine symbolische Botschaft an die RepublikanerInnen. "Der Präsident zeigt, dass alle von den Streichungen betroffen sind", sagt Gewerkschafter und Obama-Vertraute Andy Stern, "auch Projekte, die für den Präsidenten sehr wichtig sind." Der Direktor des Washingtoner Forschungszentrum "on Budget and Policay Priorities", Robert Greenstein, hält die Kürzungen zwar für nicht ausreichend. Aber er nennt sie dennoch in Form und Menge "gut fundiert".
In der gegenwärtigen "giftigen politischen Atmosphäre", so Greenstein, sei ein vorsichtiges Vorgehen des Präsidenten die einzige Möglichkeit, das Terrain für spätere gemeinsam von DemokratInnen und RepublikanerInnen erarbeitete Sparprogramme vorzubereiten.
Die Schlacht, die jetzt im Kongress beginnt, wird trotz der von Obama angestrebten Zwei-Parteien-Zusammenarbeit hart und ideologisch sein. Die republikanischen Abgeordneten sind bereits in den Präliminarien für den Wahlkampf im Jahr 2012. Und sie haben die erklärte Absicht, die DemokratInnen zu blockieren, wo immer ihnen das möglich erscheint. Mit den geplanten Einsparungen von 1,1 Billionen über ein Jahrzehnt verteilten Dollar bleibt Obama weit hinter den Forderungen seiner eigenen Defizit-Kommission zurück. Die hatte im Dezember Einsparungen in Höhe von vier Billionen Dollar verlangt.
Im laufenden Haushaltsjahr erwartet das Weiße Haus ein Redkord-Defizit in Höhe von 1,645 Billionen Dollar. Das entspricht 10,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bis 2013 soll das Defizit auf 4,6 Prozent fallen. Allerdings liegen diesen Prognosen optimistische Einschätzungen zugrunde: Unter anderem geht das Weiße Haus von einem Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent für das laufende und von 3,6 Prozent für das Jahr 2012 aus. Und von einer Arbeitslosenquote, die von gegenwärtig offiziellen 9,3 Prozent auf 8,6 Prozent im kommenden Jahr sinken wird.
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