Bundesgeschäftsführer der Linken: Der Moderator geht
Matthias Höhn tritt von seinem Job in der Zentrale der Linkspartei zurück. Sein kommissarischer Nachfolger dürfte am Samstag gekürt werden.
Höhn stammt aus Sachsen-Anhalt und gehört zu den Ostrealos um Dietmar Bartsch, die auf konkrete Reformen und Regierungsbeteiligungen setzen. Wegen seiner sachlichen besonnenen Art genießt er flügelübergreifend einen guten Ruf. Denn Höhn verstand es schon vor dem sogenannten Burgfrieden, dem Bündnis zwischen Bartsch und Wagenknecht, Mittelwege auszuloten. Als vor sieben Jahren zwischen den Ex-PDSlern und den Westlinken um Oskar Lafontaine ein heftiger Streit um das Grundsatzprogramm tobte, handelte Höhn mit Wagenknecht den Kompromiss aus.
Doch offenbar waren die letzten innerparteilichen Eskalationen auch für den stets moderat auftretenden Höhn zu viel. Bei der Bundestagswahl schnitt die Partei mit 9,2 Prozent respektabel ab – trotzdem feuerte Oskar Lafontaine eine persönlich adressierte Kritik gegen das zentristische Duo Kipping und Riexinger ab. Gerüchten zufolge sollen die beiden Parteivorsitzenden von ihrem Bundesgeschäftsführer verlangt haben, dass Höhn sie offensiv gegen diese Kritik verteidigen sollte. Was er nicht tat.
Höhn hat sich nun gegen die unauffällige Art des Rückzug entschieden – nämlich beim nächsten Parteitag im Sommer 2018 einfach nicht mehr zu kandidieren. Über die Gründe, warum er vorzeitig zurücktritt, hüllt er sich in Schweigen – offenbar um die derzeit angespannte Situation, die von mancherlei persönlichen Animositäten kennzeichnet ist, nicht weiter zu belasten. Eine Rolle für Höhns Entscheidung mag auch gespielt haben, dass der aus Sachsen-Anhalt stammende Politiker seit dem 24. September eine neue Aufgabe hat: Er sitzt jetzt erstmals im Bundestag.
„Wir wollten, dass er bleibt“
Sein Parlamentskollege Jan Korte vom Reformerflügel sagte, der Rücktritt sei ein echter Verlust. Höhn, der die Wahlkampagne entworfen hatte, habe „maßgeblich zu unserem Wahlerfolg beigetragen“. Katja Kipping erklärte gegenüber der taz, dass die Parteichefs den Rückzug bedauern: „Wir wollten, dass er bleibt“. Wer den vakanten Job nun erst mal übernimmt, wird kurzfristig entschieden.
Am Samstag trifft sich der Parteivorstand. Dort wird wohl kommissarisch der neue Macher gekürt. Das von Medien verbreitete Gerücht, dass der Exbundestagsabgeordnete Jan van Aken, der als Kipping-nah gilt, Höhn nachfolgen soll, wurde umgehend dementiert. Gewählt wird der Bundesgeschäftsführer erst im Sommer nächsten Jahres von dem Parteitag.
Kipping und Riexinger müssen einen Kandidaten präsentieren, der nicht nur das intellektuelle Niveau und die Integrität seines Vorgängers hat, sondern auch von dem ziemlich bunt zusammengewürfelten Parteivorstand akzeptiert wird. Keine leichte Aufgabe. Klar ist: Er oder sie braucht gute Nerven und Nehmerqualitäten. Das Gezerre zwischen Ostrealos, Wagenknechtianern und den Zentristen um Kipping und Riexinger ist noch nicht zu Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften