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Bundesanwaltschaft ermitteltGefecht in Kundus mit Folgen

Nach den Gefechten in Kundus vom Karfreitag wird die Bundesanwaltschaft gegen Taliban ermitteln, möglicherweise auch gegen Bundeswehrsoldaten.

Trauerfeier für drei getötete Bundeswehrsoldaten im Feldlager Kundus. Bild: dpa

FREIBURG taz Der blutige Karfreitag von Kundus wird auch die Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe beschäftigen. Es wird Ermittlungsverfahren gegen Taliban geben, möglicherweise auch gegen Bundeswehrsoldaten.

Wenn deutsche Soldaten in Afghanistan von Taliban beschossen werden, eröffnen die Karlsruher Ankläger automatisch ein Ermittlungsverfahren. Allein 2009 wurden 64 neue Verfahren eingeleitet. Die Vorwürfe: Mord, versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, Sprengstoffexplosion, Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Gegen die Taliban wird bisher also ermittelt wie gegen gewöhnliche Kriminelle und Terroristen.

Seit einigen Wochen stuft die BAW die Situation in Afghanistan zwar offiziell als "bewaffneten Konflikt" ein, dies nützt bislang jedoch nur den Bundeswehrsoldaten, da sie Taliban im bewaffneten Konflikt auch außerhalb von Notwehrlagen angreifen und töten dürfen. Die Taliban haben diese kriegsrechtlichen Privilegien nicht, wenn sie ihre Waffen nicht offen tragen und so nicht von der Zivilbevölkerung unterscheidbar sind.

In der Praxis führen die Karlsruher Ermittlungen gegen die Taliban ohnehin zu nichts, da die BAW nicht in Afghanistan ermitteln kann. Bisher wurde noch nie Anklage gegen Taliban erhoben geschweige denn ein Prozess eröffnet.

Eventuelle Ermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten werden wohl ebenfalls nicht zur Anklage führen - wenn auch aus anderen Gründen. Dass die Soldaten auf afghanische Militärfahrzeuge schossen, ist nicht per se als Fahrlässigkeit zu werten. Schließlich benutzen auch die Taliban oft (erbeutete) Fahrzeuge der afghanischen Sicherheitskräfte. Ein Vorwurf wäre den deutschen Soldaten wohl nur zu machen, wenn die Afghanen sich vor dem Beschuss verabredungsgemäß identifiziert hätten, zum Beispiel durch Lichtzeichen.

Außerdem wäre fraglich, ob eine "fahrlässige Tötung" im bewaffneten Konflikt strafbar sein kann. Voraussetzung dafür wäre, dass neben dem Völkerstrafgesetzbuch, das im bewaffneten Konflikt gilt, auch das zivile Strafgesetzbuch anwendbar bleibt. Dies muss die BAW bald entscheiden. Vermutlich wird sie dies bejahen, aber weitreichende militärische Rechtfertigungsgründe annehmen, sodass bei Kampfhandlungen wohl keine fahrlässigen Straftaten denkbar sind. CHRISTIAN RATH

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3 Kommentare

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  • H
    hellacharlot

    Volker Rockel, ich habe eine andere juristische Frage: Wenn in Afghanistan ein von von Guttenberg und Kanzlerin angeordneter, wie sie selber sagen, Krieg geführt wird, für den es als solchen kein Mandat vom Bundestag gibt, kann man dann nicht von Beihilfe der beiden zum Mord an den getöteten Soldaten sprechen? Was nicht legalisiert ist, ist Tötungsdelikt, oder?

  • VR
    Volker Rockel

    Das 2002 verabschiedet Völkerstrafgesetzbuch unterscheidet nicht alternierend zwischen einer rechtlichen Würdigung einer Tat nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder dem Strafgesetzbuch! - D.h., ein möglicher Tatbestand unterliegt immer auch einer rechtlichen Würdigung nach dem Völkerstrafgesetzbuch und dem Strafgesetzbuch!

     

     

    In diesem Zusammenhang erlaube mir ergänzend auf den Text der Drucksache 14/8524 ("Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches" Seite 13) aufmerksam zu machen, der hierzu einen impliziten Hinweis auf die Absichten des Gesetzgebers enthält (Zitat):

     

     

    "Das VStGB trifft keine abschließende Sonderregelung für Straftaten, die in bewaffneten Konflikten oder im Zusammenhang mit Angriffen gegen die Zivilbevölkerung begangen werden. Verhaltensweisen, die nach allgemeinem Strafrecht unter Strafe gestellt sind, können daher auch dann nach dem StGB strafbar sein, wenn eine Strafbarkeit nach den Vorschriften des VStGB nicht gegeben ist. Allerdings ist zu beachten, dass die Vornahme völkerrechtlich zulässiger Kampfhandlungen, etwa die Tötung oder Verwundung gegnerischer Kombattanten im bewaffneten Konflikt, nach allgemeinen Grundsätzen nicht strafbar ist und dann auch nicht etwa nach §§211 ff. StGB bestraft werden kann.

     

     

    Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Täter die für ihn verbindlichen einschlägigen Regeln des völkerrechtlichen Kriegsführungsrechts eingehalten hat; war das Verhalten völkerrechtlich verboten, so kann es auch dann nach deutschem Strafrecht strafbar sein, wenn das Völkerrecht als solches keine Strafbarkeit anordnet.

     

     

    So kann etwa ein Flugzeugpilot, der die völkerrechtlich gebotenen Vorsichtsmaßnahmen (vgl. etwa Artikel 57 Abs. 2 Zusatzprotokoll I) nicht getroffen und deshalb beim Abwurf von Bomben Zivilpersonen getötet hat, nach deutschem Recht - sofern dieses nach §§ 3 bis 7 StGB anwendbar ist - wegen vorsätzlicher Tötung strafbar sein, auch wenn das Völkerstrafrecht sein Verhalten nicht unter Strafe stellt."

  • KH
    Karin Haertel

    Uuhhh, da bekommen die Taliban aber Angst, wenn man in Deutschland gegen sie "ermittel". Fuer die blauaeugigen unter uns sei mal klar gesagt, dass in Afghanistan Krieg ist. Und wer angegriffen wird, der sollte sich auch verteidigen koennen und ganz besonders dann, wenn feige aus dem Hinterhalt unter Zuhilfenahme von so "unschuldigen" Zivilisten agiert wird.