Bundes-Sondervermögen für Berlin: Ein riesiger Schluck aus der Pulle
Die schwarz-rote Koalition verkündet, wie sie die 5,2 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen des Bundes ausgeben will. Es ist für jeden was dabei.
Ein bisschen skurril war es schon: Da saßen am Freitagmittag die Spitzen der schwarz-roten Koalition in einem Raum des Abgeordnetenhauses, um zu verkünden, wie der Geldsegen des Bundes-Sondervermögens verteilt werden soll – und gleichzeitig fand auf dem Vorplatz des Parlaments eine lautstarke Demonstration gegen Kürzungspläne dieser Koalition statt. Studierende der Zahnmedizin protestierten gegen den im Haushaltsentwurf vorgesehenen Abbau von Studienplätzen, und ihre Stimmen wurden zum vernehmbaren Hintergrundgeräusch der Statements des Regierenden Bürgermeisters, der Fraktionsvorsitzenden sowie der Wirtschaftssenatorin und des Finanzsenators.
Merklich stören ließen sich die fünf davon nicht. Vielmehr überboten sie sich in blumigen Metaphern dafür, wie sehr Berlin von den insgesamt 5,2 Milliarden Euro in den kommenden 12 Jahren profitieren werde. Das reichte von „Booster“ (CDU-Fraktionschef Dirk Stettner) über „Frischzellenkur“ (sein Parteifreund, der Regierende Bürgermeister Kai Wegner) bis zum „Rückenwindprogramm“, einer neuen Wortschöpfung von Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD).
Für „Stabilität und Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen“ stehe die Politik der Koalition, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh, und mit der am Donnerstagabend beschlossenen Belegung des Sondervermögens – also der Verteilung auf einzelne Programme und Vorhaben – setze sie „klare Akzente für ein soziales, nachhaltiges und bezahlbares Berlin“. Saleh war wichtig zu betonen, dass ein nicht unerheblicher Teil von 230 Millionen Euro direkt an die Bezirke gehen soll, „wo Alltag stattfindet, wo Kinder spielen“.
Gleichzeitig sollen 680 Millionen in die U- und Straßenbahnen der BVG fließen, die damit nicht nur für Mobilität, sondern auch für soziale Teilhabe garantieren könne. Einen „riesigen Schluck aus der Pulle“ (Saleh) nehme man, um den Wohnungsbau anzukurbeln: 750 Millionen gehen an das Sondervermögen Wohnraumförderfonds Berlin (SWB). Für Krankenhäuser wurden weitere 600 Millionen reserviert, und bekanntermaßen plant man eine ganze Milliarde, also fast ein Fünftel der gesamten Mittel, für Baumpflanzungen und einen Ausbau der Wasserinfrastruktur ein, wie sie das frisch verabschiedete Baumgesetz fordert.
Aber auch für andere Geschmäcker ist in dem von Schwarz-Rot geschnürten Sonderpaket genug dabei. Vom Neubau des Kriminaltechnischen Instituts für 190 Millionen bis zur Sanierung der maroden Teilanstalt III der JVA Tegel für knapp 130 Millionen. Und natürlich mehrere hundert Millionen für die Sanierung von Straßen, Brücken, Ufern und Schleusen. Franziska Giffey freute sich über rund 370 Millionen, die für den Standort des ehemaligen Flughafens Tegel eingeplant sind – den Ausbau der Terminalflächen für die Technikhochschule BHT und den Innovationsstandort „Urban Tech Republic“.
Abfließen muss das Geld aber auch
Viel Geld, so Giffey – allerdings sei das Land dort ohnehin schon „mit mehreren hundert Millionen dabei“. Gut angelegt seien die allemal, denn die Erschließung des Standorts werde zu „tausenden zusätzlichen Arbeitsplätzen“ führen. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) ließ es sich nicht nehmen, weitere Deregulierung à la Schneller-Bauen-Gesetz zu fordern, denn Geld sei „nicht alles für Wachstum. Ich möchte nicht in ein paar Jahren auf die Zahlen schauen und sehen, dass da nichts abgeflossen ist.“
Und noch eine gute Nachricht hatte Evers am Freitag zu vermelden: Laut der herbstlichen Steuerschätzung entwickle sich die Einnahmesituation des Landes positiv. Es seien zusätzliche Steuereinnahmen von 726 beziehungsweise 778 Millionen Euro für die kommenden beiden Jahre zu erwarten. Gestiegen sei auch die potenzielle Höhe konjunkturbedingter Kredite. „Das eröffnet uns mehr Handlungsspielraum als viele erwartet hatten“, freute sich der Senator.
Deshalb sei es für das Land auch nicht notwendig, angesichts der aktuell prognostizierten Kosten des Landes für Geflüchtete – rund 870 Millionen Euro pro Jahr – eine sogenannte Notlagenerklärung zu deren Finanzierung abzugeben. Damit, so Evers, „schonen wir unsere Rücklagen und sichern Handlungsfähigkeit für kommende Jahre“.
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