Bund der Steuerzahler über Stimmzettel: „Wahlbeteiligung sank trotzdem“

Vorstandsmitglied Carl Kau moniert Bremens Stimmzettel in „leichter Sprache“.

Für viele keine leichte Situation: allein mit dem Wahlzettel, Bremen im Mai 2015. Foto: Jörg Sarbach/dpa

taz: Herr Kau, ist die Verwendung von Leichter Sprache tatsächlich ein Bremer „Luxus“, wie der Bund der Steuerzahler moniert?

Carl Kau: Auf jeden Fall. Als Nehmerland kann man sich nichts leisten, was sich Geberländer auch nicht gönnen wollen oder können – wie bei den Wahl-Unterlagen. Hinzu kommt die Frage nach der Effektivität: Wenn damit bei der vergangenen Bürgerschaftswahl ein Erfolg erzielt worden wäre, könnte man das vielleicht noch rechtfertigen. Aber die Wahlbeteiligung sank trotz der teuren Wahl-Zettel.

Die Zahl der ungültigen Stimmen hat sich im Mai doch aber reduziert!

Die Menschen gehen nicht deswegen nicht zur Wahl, weil sie den Wahlzettel nicht kapieren. Sie sind mit der Wahl-Reaktion unzufrieden – weil trotz deutlicher Abwahl einer Koalition mit Verlust von 13 Prozentpunkten sich dennoch nichts ändert. Die Menschen wollen durch Fernbleiben einen Denkzettel verpassen – nicht weil der Wahlzettel kompliziert geworden ist.

61, CDU, ist Vorstandsmitglied des Bundes der Steuerzahler Niedersachsen/Bremen

Wie sollen zum Beispiel An­alphabeten wählen können?

Also erst einmal ist deren Anzahl in Deutschland nicht so groß – und in Bremen auch nicht exorbitant hoch. Und dafür gibt es Hilfestellungen, die man sich im Umfeld holen muss und kann.

Rund 15 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland gelten als funktionale Analphabeten – also Menschen, die verschachtelte Sätze schwer verstehen.

Gut, aber wie gesagt: Dafür gibt es Möglichkeiten. Sowohl die Parteien bieten Hilfestellungen an, als auch das private Umfeld. Wenn ich ein Handicap habe, muss ich ja auch selber dafür sorgen, dass ich mit persönlicher Hilfe bewerkstelligt bekomme, was ich machen will.

Das Bremer Büro für Leichte Sprache berichtet von positiven Rückmeldungen nach der Bürgerschaftswahl: „Viele Menschen sagen uns, sie seien jahrelang wählen gegangen. Dabei hätten sie aber nie verstanden, was darin stand“, betont Büroleiterin Elisabeth Otto. Das zeige den großen Handlungsbedarf.

Einer Hamburger Studie zufolge verfügen rund 40 Prozent der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 über Lesefähigkeiten auf Grundschulniveau.

Sowohl das Grundgesetz als auch diverse UN-Konventionen verlangen die Möglichkeit zu gleichberechtigter Teilhabe. Da ist Bremen doch wohl in der Pflicht, das Wählen ohne Hilfe zu ermöglichen?

Das eigentliche Problem ist doch: Hier in Bremen ist der Wahlmechanismus unnötig verkompliziert worden. Die leichte Gestaltung muss also dadurch stattfinden, dass man einen ­verständlichen Wahlmodus schafft. Das zweite ist: Sie ­müssen vernünftige Politik ­machen. Ich prophezeie einen weiteren Rückgang der Wahlbeteiligung. Aber nicht wegen der Menschen, die ein Handicap haben. Sondern aufgrund der Menschen, die diesen ­politischen Wahlmechanismus nicht mehr mitmachen wollen.

Will der Bund der Steuerzahler nun alle Bundesländer an den Pranger stellen, die dem Bremer Beispiel in Bezug auf „leichte“ Wahlunterlagen folgen?

Hier werden verschiedene Punkte völlig übersehen: Die Wahlbenachrichtigung kam ­früher als Postkarte, jetzt wurde sie aufgrund des Umfangs teurer als Brief verschickt. Allein das hat 40.000 Euro mehr gekostet. Die in Deutschland einmaligen farbigen Parteien-Logos kosteten 175.000 Euro ­zusätzlich. Und dann hat die Wahlkommission den Termin der Wahl so unglücklich ­gewählt, dass man an Christi Himmelfahrt noch einige Stimmen ­auszählen musste – mit Mehrkosten von 26.700 Euro. Das sind doch die wichtigen Punkte – nicht nur die leichte Sprache.

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