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Bund-Länder-ArbeitsgruppeHartz-IV-Verhandlungen, zweiter Akt

Die Suche nach dem Kompromiss geht weiter: Regierung und Opposition kommen erneut zusammen, um eine Lösung fürs Hartz-IV-Paket zu finden. Die Linke kritisiert das Verfahren als „Farce“.

Wie viel kommt in den Hartz-IV-Becher? Bild: ap

BERLIN dpa/rtr/dapd/ | Nach der ergebnislosen ersten Runde am Montag kommt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Suche nach einem Hartz-IV- Kompromiss am Dienstag erneut zusammen. Die hochrangig besetzte Arbeitsgruppe soll für den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einen Lösungsvorschlag vorbereiten, nachdem die Länderkammer das Hartz-IV-Paket am vergangenen Freitag blockiert hatte.

„Heute… geht es jetzt in die Details“, sagte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu Beginn der Beratungen in Berlin. Einzelne Fragen würden definiert und Untergruppen übertragen, die dann über die anstehenden Feiertagen eine Lösung suchen würden. Die Verhandlungsführerin der SPD-Länder, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig, erklärte: „Von unserer Seite aus kann es schnell gehen.“ Dafür müsse aber das Regierungslager auf die Forderungen der Opposition eingehen.

SPD und Grüne lehnen die von der Regierung und der schwarz-gelben Bundestagsmehrheit beschlossene Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um lediglich 5 auf 364 Euro als unzureichend ab. Das Gleiche gilt für das damit verbundene Bildungs- und Teilhabepaket für 2,3 Millionen Kinder aus Hartz-IV-Familien. Damit sollen warme Schul- oder Kita-Essen, Nachhilfe und Ausflüge sowie die Mitgliedschaft in Vereinen bezuschusst werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die alten Regelungen gekippt und bis Ende des Jahres eine Neufassung verlangt.

Von der Leyen (CDU) sagte nach der Auftaktsitzung in Berlin: „Wir haben fast fünf Stunden hart miteinander verhandelt.“ Die Runde habe über die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze, über Hinzuverdienstgrenzen für Hartz-IV- Bezieher und über einen von SPD und Grünen geforderten Mindestlohn geredet. Bei dem Austausch seien aber mehrere Punkte offen geblieben.

Ergebnis bis Mitte Januar möglich

Alle Beteiligten sprachen von konstruktiven Verhandlungen. Die Verhandlungsführerin der SPD-geführten Länder, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig, sagte, für das erste Treffen sei es „ein ordentliches Ergebnis“. Aus Verhandlungskreisen verlautet, wenn es bei den Gesprächen der Arbeitsgruppe gut laufe, könne der Vermittlungsausschuss am 19. Januar das Ergebnis formal beschließen. Einer nachgebesserten Hartz- IV-Reform müssen Bundestag und Bundesrat anschließend dann noch gesondert zustimmen. Die Leistungen würden rückwirkend zum 1. Januar beschlossen.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Hubertus Heil, sieht bei der Neuregelung von Hartz IV massiven Nachbesserungsbedarf. So müssten auch die Bildungschancen von Kindern verbessert und ein flächendeckender Mindestlohn geschaffen werden, sagte er im Bayerischen Rundfunk (Bayern2). „Wir müssen dafür sorgen, dass es für Langzeitarbeitslose ein Existenzminimum gibt, das man nicht herunterrechnen darf.“ Ohne substanzielle Fortschritte in der Mindestlohn-Frage werde es mit der SPD keine Einigung im Vermittlungsausschuss geben.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, griff das geplante Bildungspaket für Kinder aus Hartz-IV-Familien scharf an: „Die Berechnungen des Bildungspakets sind ein statistischer Schrotthaufen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt. Vieles sei immer noch beliebig gesetzt, ohne valide Zahlen, „beispielsweise die acht Euro pro Monat für Schulmaterial im Schulbasispaket“.

„Kungelei auf dem Rücken der Betroffenen“

Ulrich Thöne, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW, nannte die Bildungsmaßnahmen der Regierung im Hamburger Abendblatt einen Tropfen auf den heißen Stein. Man müsse an den beschlossenen Bildungsausgaben von sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr festhalten. „Mit dem Bildungspaket von Ministerin von der Leyen verabschieden wir uns von diesen Vorhaben“, kritisierte Thöne.

Linke-Parteichef Klaus Ernst hat das angelaufene Vermittlungsverfahren zur Hartz-IV-Reform als „Kungelei auf dem Rücken der Betroffenen“ kritisiert. In der seit Montag tagenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe diskutierten allein die „Hartz-IV-Parteien“ untereinander, sagte Ernst am Dienstag in Berlin. Gewerkschaften, Sozialverbände und Arbeitsloseninitiativen seien nicht beteiligt. Dies sei „eine Farce“.

Damit die Betroffenen schnell und unbürokratisch mehr Geld bekämen, forderte Ernst eine sofortige Einigung auf drei wesentliche Punkte: Demnach soll der Regelsatz vorläufig auf 420 Euro angehoben, ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde vereinbart und eine Revisionsklausel fixiert werden. Die ersten beiden Punkte entsprächen den Minimalforderungen von Experten, Sozialverbänden und Gewerkschaften, erklärte Ernst. Zudem könne die Regelsatzanhebung durch den Mindestlohn gegenfinanziert werden.

Die Revisionsklausel sehe wiederum vor, dass eine öffentlich tagende Kommission die Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze im ersten Halbjahr 2011 überprüfe, und weitere Erhöhungen gegebenenfalls rückwirkend zum 1. Januar ausgezahlt würden. Das Gremium sollte nach Ansicht von Ernst mit Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen, unabhängigen Experten sowie Vertretern von Erwerbslosen, Sozialverbänden und Gewerkschaften besetzt sein.

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4 Kommentare

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  • U
    Ulle

    Man muß sich mal das Ganze durchlesen, die Bürgerarbeit setzt die Krone auf!Unter vollen Santionszwang zum Dampinglohn,dass sind aussichten!Also ein 3 Jahresvertrag unter Zwang des aushungerns! Hartz4 liest sich wie offener Strafvollzug, nur was haben wir verbrochen?.Menschen werden versklavt, anders kann man das nicht nennen.Die Diskussion über lächerliche 5 €,keiner redet von dem gesetzeswiedrichen Gesammtprogramm.Viele halten sich mit Blut u Plasmaspenden am Leben, das ja komischer Weise nicht vom Hartz abgezogen wird.Wann kommt das Organspendepflichtgesetz für Erwerbslose?

  • ES
    Erika S.

    Die Arbeitsministerin tut so, als ob ihr die Kinder am Herzen lägen . Aber ihre Trickserei bei der Berechnung der Regelsätze zeigt was für eine kleinliche herzlose Erbsenzählerin sie ist. Sie behandelt alle Hartz- Eltern als versoffene, rauchende, Kinder vernachlässigende Halbidioten den sie, so "christlich" wie sie ist, selbst einen Christbaum verweigert und einsamen Menschen keinen Hund zubilligt.

    Heuchler hoch 2 diese ganzen "Oberschullehrer der Nation" von CDU/FDP.

  • H
    Hannes

    Frau von der Leyen - unsere liebe christliche Arbeitsminister, hat gemerkt, was passieren würde, wäre der Satz für Hartz-IV höher: Die Arbeitslosen machen dann Urlaub, lassen sich volllaufen und geben das Geld nur für nutzloses Zeug aus. Deren Kindern gehen natürlich bergab und deswegen braucht man wohl auch nicht das Urteil aus Karlsruhe wirklich durchlesen, immerhin relativ viele Seiten und etwas bedeuten die auch noch.

     

    Dass die CDU eine Arbeitsministerin hat, die sich nur in Pauschalisierungen ergehen kann, aber dafür fette Kekse backt, um die SPD zu bestechen ( wäre wohl zu günstig - oder?), ist in meinen Augen eher der spätbundesrepublikanischen Dekadenz zuzuordnen, als der christlichen Arbeiterbewegung. Aber die existiert ja wohl auch eher in gelben Gewerkschaften, die für noch niedrigere Löhne in miesen Branchen sorgen.

     

    Für mich ist Frau von der Leyen eindeutig eine Fehlbesetzung und ihr Mitgefühl mit armen Menschen zwei Tage vor dem heiligen Abend nicht vorhanden. Wie arme und arbeitslose Menschen Weihnachten feiern und wie die Ministerin selber feiern wird, sollte man wohl lieber nicht im Detail betrachten wollen. Denn da würde schnell deutlich, dass bei den Arbeitslosen eben nicht Champagner, Bordeaux und Cubanische Zigarren kreisen, sondern Frust und Not. Aber wer ein christliches Herz hat, der ist ja auch nicht mehr in der CDU oder CSU.

     

    Und wenn es nach Frau von der Leyen geht, ist das mit der Armut nach staatlichem Programm auch in Ordnung, denn sie schlägt 5 EURO mehr vor. Weniger also als der Satz vor 5 Jahren war, rechnet man Inflation dazu.

    Schröder hätte wenigstens gesagt, dass die Armen wenigstens top-motiviert ins neue Jahr gehen, sich auf neue Arbeit und tolle Gehälter freuen ...

    Aber der ist ja jetzt selber so reich, dass er weitaus mehr auf dem Konto hat, als der Mittelständler um die Ecke.

    Die Arbeitslosen haben zum Glück noch eine Stimme bei den Wahlen, die könnten sie ja nutzen (wollte nicht jemand von der Jungen Union denen das sogar nehmen?).

  • RW
    Ralf Wünsche

    Was für ein Lügengebilde ! Eine SPD unter Gerhard Schröder hat mit Agenda 2010 diesen Sozialabbau betrieben und stellt sich nun mehr als Sozial -

    verfechter da !

     

    Schon damalig stimmten weder die Regelsätze , noch zum Wohnraum , um eine tats. effektive Vermittlung

    und Ausbildung ging es weder damalig noch heute.

    Mit dem SGB II sollte nur gespart werden um damalig wie auch heute für den ineffektiven öffentl. Dienst ( siehe Winterdienste ) Raum und hier finanz. Mittel für deren Gehaltssteigerungen zu erhalten ( immerhin war auch in besagter H - Kommission die stell. Vors.

    von VERDI vertreten ).

     

    Warum ruft z.B. das Land Berlin ( SPD / Linke - Senat ) nicht im Rahmen eines Normenkontroll -

    verfahren das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ?

     

    Dieses Gesetz als auch die Vermittlungsverhandl.

    sind von vorne bis hinten ein einziges Lügen-

    gebilde !

     

    Mit Demokratie , Teilhabe , Gleichheit und Menschenwürde hat dieses alles nichts mit zu tuen !