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BulgarienDie Weichteile der EU

Kommentar von Ivaylo Ditchev

Von Dimitroff zu den Krankenschwestern - Bulgarien war schon häufig Opfer von weltdiplomatischen Geiselnahmen. Kein Zufall, denn es bildet die perfekte Angriffsfläche.

Weiche Ziele: die begnadigten bulgarischen Krankenschwestern mit Angehörigen nach ihrer Ankunft in Sofia. Bild: dpa

D as Horrorszenario der bulgarischen Krankenschwestern, das Anfang der Woche nach langen Verhandlungen mit der EU von Gaddafi beendet wurde, lässt an Churchills berühmtes Zitat denken: "Der Balkan produziert mehr Geschichte, als er verbrauchen kann."

Seit dem 20. Jahrhundert war Bulgarien dreimal in Geiselnahmen mit frappierend ähnlicher Dramaturgie verwickelt, wenn auch mit verschieden anmutenden Protagonisten. Als Erstes wurden der Vorsitzende der bulgarischen KP Georgi Dimitroff und zwei weitere Bulgaren von den Nazis beschuldigt, 1933 den Reichstag auf Anweisung der Komintern angezündet zu haben. Im Jahr 1982 wurde Sergei Antonow, ein Angestellter der Balkan Airlines, verhaftet und verurteilt, da ihm die Organisation des Attentats auf den Papst im Auftrage des KGBs zur Last gelegt wurde. Und 1999 schließlich, just nachdem von Libyen Kompensationszahlungen für die Toten des Anschlags von Lockerbie gefordert wurden, wurden fünf bulgarische Krankenschwestern festgenommen, die in einem Hospital in Bengasi gearbeitet hatten. Ihnen wurde die absichtliche Infizierung von 461 Kindern vorgeworfen - im Auftrag der CIA und des israelischen Mossads. Unter Folter zu Geständnissen gezwungen, verurteilte man sie gemeinsam mit einem palästinensischen Arzt, der als staatenloser Flüchtling ohne ein ihn verteidigendes Herkunftsland auskommen musste, zum Tode.

All diese Fälle wurden zum Gegenstand internationaler Konfrontation, ebenso wie sich letztlich immer die Unschuld der Beschuldigten herausstellte. Bei den ersten beiden Verdächtigungen ordnete das Gericht selbst die Freilassung an, im Falle Libyens fand eine internationale Untersuchungskommission heraus, dass die Infektion im Krankenhaus schon lange vor der Ankunft der Krankenschwestern und des Arztes begonnen hatte.

Warum Bulgarien? Die Antwort ist einfach: Es ist der schwächste Verbündete des jeweils angegriffenen größeren Blocks. In den 80er Jahren die Sowjetunion zu attackieren oder jetzt die EU mit französischen oder deutschen Geiseln zu erpressen, wäre ungleich schwieriger gewesen. Von den Amerikanern, die nicht zögerten, Libyen zu bombardieren als sie angegangen wurden, ganz zu schweigen. Bulgarien ist die perfekte Angriffsfläche, es ist der Unterbauch der mächtigeren Verbündeten: Es schafft einen Fall, stellt aber keine Bedrohung dar. Seine Diplomatie ist hilflos, seine Politik inkonsequent. Man muss sich nur klar machen: Mehrere hundert in Libyen arbeitende Bulgaren warten derzeit auf ihre Gehälter, und obwohl die Regierung ihnen diese versprochen hat, kann sie deren Sicherheit unter den aktuellen Bedingungen nicht garantieren.

Innerhalb der EU, der es seit dem Scheitern der Verfassung an einem Zentrum fehlt, verschärft sich das Problem noch. Hinter Sarkozys Intervention verbirgt sich die Idee von einer mediterranen Kooperationszone, die eine Alternative zum EU-Beitritt der Türkei darstellen könnte. Weder sie noch der Verkauf von Waffen und nuklearem Zubehör an Libyen als Auszeichnung für die Geiselnahme sind Konsens oder geeignet, die Einheit der EU zu konsolidieren.

Was Bulgarien selbst angeht, so wurde der Libyen-Fall zur ersten Gelegenheit für eine seit dem Zusammenbruch des Kommunismus ungekannte nationale Einigkeit. In der allgemeinen, zum Großteil von den Medien geschürten Euphorie, scheinen alle anderen Fragen vergessen. Kurz vor der Freilassung der Geiseln hatte etwa eine Untersuchungskommission für die Aufarbeitung der kommunistischen Staatssicherheit herausgefunden, dass der bulgarische Präsident Parwanow und sein Vizepräsident Marin sowie verschiedene ihrer Kollegen damals verdeckte Mitarbeiter waren (Parwanow unter dem Kodenamen "Goze", Marin als "Kleine Nachtigall"). Kaum aber hatte der Präsident feierlich die Begnadigung der Geiseln veranlasst, scheint auch ihm die bulgarische Öffentlichkeit vergeben zu haben.

Natürlich hört man auch allenthalben, wie stolz die Bulgaren darauf sein sollten, endlich vollwertige EU-Mitglieder zu sein. Doch ist die glückliche Rückkehr der Geiseln tatsächlich ein Erfolg für die Bulgaren oder für Europa? Der bulgarische Kanzler schlug vor, dass Bulgarien "freiwillig" die 44 Millionen Euro, die Libyen dem Land schuldet, in den mysteriösen Kompensationsfonds einzahlt, den der Emir von Qatar für die infizierten Kinder kreiert hat. Keine direkte Lösegeldzahlung also, sondern eine indirekte, die das Gesicht zu wahren erlaubt. Andere Länder sollen dem Beispiel folgen.

Noch mehr wird es einen ankotzen, wenn Libyen demnächst ein Auffanglager von Europa für unerwünschte Emigranten bekommt. Dann stünde es an, die internationale Öffentlichkeit gegen Tripolis zu mobilisieren, ebenso wie gegen die Ölfirmen, die Gaddafi zurück auf dem internationalen Parkett sehen wollen. Bulgarien wird bei diesen zukünftigen Kämpfen kaum in der ersten Reihe mitwirken: Die Nation schwelgt im Glück darüber, dass ihre Landsleute lebend zurück sind, blickt auf menschliche Tränen und lauscht herzzerreißenden Geschichten. Der Unterbauch der EU, oder wenn Sie so wollen, die Weichteile, sind bereit für den nächsten Tritt.

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