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■ Schöner LebenBuggy-Skating

Herr K. ist ein harmloser Mann. Machogehabe hat er so wenig nötig wie seine schütteren Haare irgendein Kampfgel. Unauffällig lebt er sein Journalistendasein, ist dabei ein höflicher, beinahe altmodisch zuvorkommender Mensch. Herr K. ist auch herzlich zu Kindern und Frauen. Besonders zu der eigenen. Kurz: Er ist zwar kein Bauknecht – dafür fehlt ihm das handwerkliche Geschick, aber doch ein veritabler Rama-Ehemann, meistens gut gelaunt und eine Wohltat für seine Mitwelt.

Just ist er Vater geworden. Welche Freude für ihn! Seitdem aber geht mit ihm eine merkwürdige Veränderung vor: Behende schraubt er am Kinderwagen, säubert Räder, ölt die Lager. Dabei pflegt er murmelnd merkwürdige Äußerungen von sich zu geben wie : „Haha, bald ist Weihnachten, da stürze ich mich hinein ins Gewühl und vollziehe meine Rache.“Tatsächlich beginnt er mit den täglich näherkommenden Symbolen des weißen Festes immer häufiger auch bekanntes Liedgut mit drohendem Singsang zu unterlegen: „Heißa morgen wird's was geben.“

Beim ersten Mal hörte seine Gattin darüber hinweg. Beim zweiten aber alarmierte sie Freundinnen und Bekannte. Was war mit ihrem Liebsten geschehen? Ein offenes Gespräch tat not. Herr K., ein wie schon gesagt, offener Mensch, gestand ohne Umschweife: Das zielgerichtete Schieben des Kinderwagens durch die große Menschenmenge habe ihn anfänglich unruhig gemacht, da letztere stets zäh und in allzu gemäßem Tempo beiseite trat, welches mit seiner journalistischen Gangart nun einmal nicht zu vereinbaren war. Bis zur Wut habe man ihn, den sonst so Gelassenen, dadurch getrieben, und so habe die Höflichkeit ihre Grenzen am Bordstein des Trottoirs gefunden. Herr K. hatte entdeckt, daß die Menschen wunschgemäßer reagierten, wenn er ihnen den Kinderwagen in die Hacken rammte.

Und nicht nur das: Herr K. hatte entdeckt, daß ihm dies ein grandioses Gefühl der Genugtuung verschaffte, das zu einem äußerst geringen Preis zu erhalten war: Niemand wagte bisher, seinen Fauxpas zu sanktonieren, wenn er, dabei vergebe man sich schließlich nichts, der Rempelei ein flottes „Pardon“, „Scusi“oder „Entschuldigung“hinterherschob. In Sekundenschnelle habe sich der zornige Blick der Gerammten in Mitleid aufgelöst, häufig vom Töchterlein mit einem vielwissenden Kichern quittiert.

Kein Wunder, daß Herr K. süchtig geworden ist nach dieser besonderen Form der Begegnung. So kam es, daß der, selbst wenn ihm die Welt Böses wollte, durchaus schüchterne Mann zum veritablen Buggy-Rambo mutierte, der mit wachsender Freude Alltagsgänge und Einkäufe erledigt.

Sicher werden Sie Herrn K. und seine kleine Tochter treffen, irgendwo auf dem Weihnachtsmarkt oder in den überfüllten Kaufhäusern. Unser Rat: Lassen Sie Milde walten mit einem Menschen, der zur Herstellung von Gerechtigkeit einen Kinderwagen benutzt.

Dora Hartmann

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