Bürokratie in Berlin: Wachsender Rückstau bei Wohngeldanträgen
Berlins Bezirke kommen beim Wohngeld kaum hinterher. Teils brauchen sie ein halbes Jahr, um einen Antrag zu bearbeiten. Besserung ist nicht in Sicht.
Wie aus einer aktuellen Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger und Stefan Ziller hervorgeht, ist es in einzelnen Bezirken selbst mit den dreieinhalb Monaten nicht getan.
So lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für einen Wohngeldantrag in Friedrichshain-Kreuzberg zuletzt bei 23 Wochen – fast ein halbes Jahr. Und das, obwohl andere Bezirke einen weitaus höheren „Antragseingang“ verzeichnen.
Das Gleiche gilt für Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf, wo die Wohnungsämter zwischen vier und fünf Monate damit zubringen, Anträge zu genehmigen oder abzulehnen. Auch in Lichtenberg dürfen sich Betroffene auf diese Wartezeiten einstellen.
Allerdings werden in dem wachsenden Ostbezirk auch mehr Anträge auf Wohngeld gestellt als in Friedrichshain-Kreuzberg & Co. Außerdem: In Lichtenberg wurden es im vergangenen Jahr von Monat für Monat mehr, worauf das Bezirksamt nach eigenen Angaben aber erst im März mit verschiedenen Optimierungsmaßnahmen reagiert hat.
„Versunken im bürokratischen Treibsand“
Mag ja sein, sagt Katrin Schmidberger. Aber vier, fünf oder sechs Monate, das sei nicht hinnehmbar. „Die langen Wartezeiten bringen viele Menschen in existenzielle Not“, sagt die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus zur taz. Wohngeld sei kein Antrag für später, „sondern eine Leistung für jetzt“, die Existenzen sichern soll. Dass Hilfeansprüche stattdessen „im bürokratischen Treibsand versinken“, sei ein Unding.
Die Lage wird dabei nicht besser. So zeigen die Zahlen, dass der Rückstau bei der Antragsbearbeitung sogar größer geworden ist. Waren im Juni 2024 am Ende des Monats berlinweit noch 21.800 Anträge „anhängig“, summierte sich die Zahl der unerledigten Verfahren bis Ende April dieses Jahres auf rund 25.100.
Kein Wunder, wenn allein zu Jahresbeginn über 14.000 neue oder Folgeanträge im Monat bei den Ämtern eingetrudelt sind, das System aber den Senatszahlen zufolge offenkundig bei rund 10.000 Verfahren an seine Grenzen stößt.
Die Verwaltung des zuständigen Senators Christian Gaebler (SPD) begründet die langen Bearbeitungszeiten in der Antwort an die Grünen damit, dass „das Wohngeldrecht im Vollzug“ nun mal „kompliziert“ sei. „Einerseits werden viele Nachweise von den antragstellenden Personen gefordert und andererseits ist eine große Bandbreite an Fachwissen und Erfahrung der Sachbearbeitenden nötig“, heißt es.
Künstliche Intelligenz statt Stellenaufwuchs
Richten soll es jetzt die Technik. Um die Bearbeitungsdauer von Wohngeldanträgen zu verkürzen, „prüft“ der Senat „derzeit intensiv einen möglichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI)“. Konkret geht es hierbei um „die Entwicklung eines KI-basierten digitalen Assistenten, der die Sachbearbeitung in den Wohnungsämtern bei der Vollständigkeitsprüfung von digital eingereichten Wohngeldanträgen unterstützt“. Kleiner Haken dabei: Rund zwei Drittel der Anträge werden analog gestellt.
Die naheliegende Möglichkeit, mehr Personal einzustellen, wird in der Antwort des Senats nicht einmal erwähnt. Da bleibt man sich treu. Auch in den vergangenen zwölf Monaten gab es in ganz Berlin keine einzige zusätzliche Stelle bei den Wohnungsämtern.
Der Grund liegt auf der Hand. „Für die Schaffung weiterer Wohngeld-Sachbearbeiter-Stellen ist eine Finanzierung leider nicht gegeben“, gibt das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg unumwunden zu.
Besserung ist in dieser Hinsicht nicht in Sicht für die über 54.000 Berliner Haushalte, die auf Wohngeld angewiesen sind. Schon jetzt ist absehbar, dass auch der anstehende Doppelhaushalt 2026/27 vor allem neue Zumutungen bereithalten wird.
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