Bürgerrechtler gefragt

■ CDU setzt nach der Schlappe bei den letzten Bundestagswahlen im Ostteil auf Ostprofil. Günther Nooke und Angelika Barbe kandidieren

Für die PDS könnte es im nächsten Oktober im Wahlkreis 249 eng werden: Im Wahlbezirk Mitte/ Prenzlauer Berg, den der Schriftsteller Stefan Heym bei der letzten Bundestagswahl für die PDS holte, ballt sich das ostdeutsche Politikpotential der Republik. Als Kandidat der SPD geht der Parteivize und das ostdeutsches Gewissen der Sozialdemokratie, Wolfgang Thierse, ins Rennen um ein Direktmandat, die Bündnisgrünen wollen von dort – nachdem Marianne Birthler nicht gegen Thierse kandidieren mag – dennoch eine Ostdeutsche in den Bundestag schicken. Und die Kreisvorstände der CDU in Mitte und Prenzlauer Berg haben sich vergangene Woche für den Bürgerrechtler Günther Nooke ausgesprochen.

Erst im Frühjahr hatte Nooke die CDU als seine neue politische Heimat auserkoren. Zusammen mit anderen BürgerrechtlerInnen wurde er Christdemokrat und zugleich ostdeutsches Aushängeschild seiner neuen Partei. Für die CDU ist der ehemalige Bündnisgrüne geradezu ein Glücksgriff. Der Kreisvorsitzende von Prenzlauer Berg, Andreas Apelt, erhofft sich von der Nominierung ein Signal in die eigene Partei hinein: „Wir wollen damit in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein Zeichen setzen und gleichzeitig darauf dringen, daß neue Personen auch neue Inhalte in die Politik tragen.“ Die Partei propagiere immer die Integration der Ostdeutschen, sie müsse dies jetzt auch in die Tat umsetzen. „Und Günther Nooke ist glaubwürdig. Er wohnt in dem Bezirk und ist einer der die Interessen konsequent vertritt“, so Apelt. Die PDS indes bleibt auch angesichts der Lobpreisungen für Nooke gelassen: „Nooke bedroht uns in dem Wahlkreis überhaupt nicht“, ist zu hören. Der habe schon als Bündnisgrüner in Brandenburg keinen Hund hinterm Ofen vorlocken können.

Mit Nooke haben die ChristdemokratInnen bereits den zweiten aus dem übergewechselten Bürgerrechtsspektrum für eine Kandidatur gewonnen. Für Friedrichshain und Lichtenberg hat Angelika Barbe, die ehemalige Sozialdemokratin, ihre Kandidatur angemeldet. Noch sind Nooke und Barbe nicht durch die Wahlkreisvertreterversammlungen nominiert, doch ihre parteiinterne Wahl gilt als nahezu sicher. Ebenfalls mit Ostprofil tritt Sabine Bergmann- Pohl unbestritten für Hohenschönhausen/Pankow/Weißensee an. Nur knapp konnte sich dagegen eine Westberlinerin, die Vorsitzende der Frauen-Union, Edeltraud Töpfer, am vergangenen Wochenende gegen vier andere Bewerber als Direktkandidatin durchsetzen. Für Köpenick/Treptow schließlich, den letzten der fünf östlichen Wahlbezirke, fehlt bislang eine KandidatIn, die es mit dem PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky aufnehmen könnte.

Das Konzept „BürgerechtlerInnen“ erklärt sich angesichts der Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl. Kein einziges Direktmandat hatte die CDU in Ost-Berlin erringen können. In ihrer parteiinternen Wahlnachlese mußten die ChristdemokratInnen feststellen, daß es ihnen nicht gelungen war, die Popularität der PDS-KandidatInnen zu brechen. „Einen nicht unerheblichen Anteil hatte daran, daß viele derjenigen, die SPD gewählt haben, für den jeweiligen PDS-Direktkandidaten gestimmt haben“, sagt Matthias Wambach, Sprecher der Landes- CDU. Obwohl Wambach betont, die Aufstellung der frisch eingetretenen BürgerrechtlerInnen sei eher Ausdruck der Wertschätzung für die Parteineulinge, sieht deren Kandidatur nach der einzigen Chance für die CDU aus, einerseits eigene Leute aus Ostberlin direkt nach Bonn zu schicken, andererseits die PDS ganz aus dem Bundestag zu bannen. Denn die PDS braucht mindestens drei Direktmandate (oder 5 Prozent), um ins Bundesparlament einzuziehen.

Im Westen nichts Neues könnte dagegen das Motto für das CDU- starke Westberlin sein. Zwar rückt für den ehemaligen Innensenator Heinrich Lummer in Spandau der junge, relativ unbekannte Bezirksverordnete Frithjof Hornemann als Direktkandidat nach, doch für die anderen von der CDU 1995 gewonnen Direktmandate stehen die derzeitigen Amtsinhaber fast vollständig zur Verfügung.

Die Landeszentrale hat bei der KandidatInnensuche inoffiziell längst zum Appell geblasen: Bis Mitte vergangener Woche sollten wenigstens die Termine der entscheidenden Wahlkreisvertreterversammlungen, auf denen die DirektkandidatInnen dann gewählt werden, eingegangen sein. Offiziell jedoch haben die Kreise noch bis zum 1. Januar Zeit.

Im Februar dann, auf dem Parteitag, werden die sicheren Plätze auf der Landesliste verteilt. Günther Nooke, so hat der Parteivorstand besprochen, soll auf jeden Fall einen sicheren Listenplatz bekommen. Für den Fal, daß sich die WählerInnen in Mitte und Prenzlauer Berg für ein anderes Ostgewissen entscheiden sollten. Barbara Junge