Bürgermeister versus Lokalzeitung: Provinzpösschen
Liebesentzug per Pressefach: Bad Oldesloes Bürgermeister Tassilo von Bary will das lokale "Stormarner Tageblatt" nicht mehr von sich aus informieren.
Tassilo von Bary, parteiloser Bürgermeister des zwischen Hamburg und Lübeck im Kreis Stormarn gelegenen Bad Oldesloe, hatte vor kurzem eine fragwürdige Idee. In einer E-Mail, die der taz vorliegt, wies von Bary die Angestellten der Stadt in der vergangenen Woche "zum wiederholten Male darauf hin, dass sämtliche Einladungen zu Pressegesprächen und auch die Pressemitteilungen über mein Vorzimmer […] verschickt werden".
So weit, so unbedeutend, könnte man meinen, schließlich halst der Bürgermeister mit der Anweisung vor allem sich und seinem Vorzimmer Mehrarbeit ohne erkennbaren Zweck auf. Doch nach dem Cliffhanger folgt in der Mail der Sündenfall: "Bis auf Weiteres werden wir das Stormarner Tageblatt nicht mehr mit Informationen bedienen", ordnet der Bürgermeister an.
"Ja, so ein bisschen Liebesentzug" sei das schon, sagt von Bary der taz. Aber er habe eben nicht weiter mitansehen können, wie die Lokalzeitung "einzelne meiner Mitarbeiter demontiert hat". Erst jüngst sei eine Mitarbeiterin wegen eines Streits um das Heimatmuseum in einer Karikatur "beschädigt" worden.
Auch in Bad Oldesloe gilt die in vielen Kommunen übliche Praxis, wonach für Medienanfragen nur der Bürgermeister und die Fachdezernenten zuständig sind. Neu ist in diesem Fall aber, dass das zum schleswig-holsteinischen Zeitungsverlag gehörende Stormarner Tageblatt (ST), anders als sein Hauptkonkurrent Lübecker Nachrichten, erst gar nicht mehr mit Informationen versorgt wird. Ein ST-Postfach im Rathaus, wo Sitzungsunterlagen und Ähnliches für die RedakteurInnen bereitlagen, wurde aufgelöst, die Redaktion aus dem Presseverteiler gestrichen.
Von Bary sieht darin kein Problem: "Das war ein Service. Ich bin nicht in der Bringschuld. Wenn das Stormarner Tageblatt Informationen haben möchte, bekommt es sie auch weiterhin." Man müsse ihn eben nur anrufen oder die Website der Stadt aufrufen, wo alle Dokumente zum Download bereitstünden.
Maria Herrmann, Pressesprecherin der SPD-Fraktion in der Bad Oldesloer Stadtverordnetenversammlung, teilt von Barys Gelassenheit in der Angelegenheit nicht: "Seine Verhaltensweisen sind nicht immer rational nachzuvollziehen." Die SPD will daher gemeinsam mit FDP und Grünen schon heute in der Sitzung des Hauptausschusses einen Antrag einbringen, der den Bürgermeister zur Rücknahme der Dienstanweisung bewegen soll. "Es ist ein Armutszeugnis für einen Bürgermeister und Beschneidung der Pressefreiheit, per Maulkorberlass zu versuchen, unliebsame Berichterstattung zu verhindern", sagt Herrmann. Nehme von Bary diesen Erlass nicht zurück, drohe ihm rechtliches Ungemach, orakelt Herrmann.
Damit hat von Bary bereits Erfahrung: Im Jahr 2007 wurde ein Ermittlungsverfahren, das der Bürgermeister angestrebt hatte, um eine anonyme ST-Quelle im Rathaus ausfindig zu machen, eingestellt. Ein anderes Mal wurde ihm vom Blatt eine Gegendarstellung verweigert.
Der betroffene ST-Redakteur und sein Verlag wollten sich auf Anfrage der taz nicht öffentlich zu dem Vorfall äußern. Gespräche zwischen Zeitung (Auflage: rund 6.000 Exemplare) und Bürgermeister fanden zwar schon mehrfach statt, eine Lösung aber fand sich offenbar nicht. Der betroffene Redakteur schreibe und recherchiere ja auch gut, sagt von Bary, daran gebe es eigentlich nichts auszusetzen. Auch "persönlich" habe er "ein gutes Verhältnis" zu ihm. Sogar die CDU-Fraktion, von SPD, Grünen und FDP bewusst nicht einbezogen in Sachen Protest, lobte jüngst den Journalisten, wenn auch verklausuliert, für seine Arbeit. Was also ist die Idee hinter von Barys Anweisung?
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