Bürgermeister gegen den Senat: Der Aufstand der Bezirke
Den Bezirksbürgermeistern reicht es. Über Parteigrenzen hinweg fordern sie vom Senat für Umweltzone, Nichtraucherschutz und Erziehung mehr Geld.
Der pathetische Klang wirkte noch etwas angestrengt: "Das ist heute der Auftakt des neuen Selbstbewusstseins der Bezirke", sagt der Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Ekkehard Band. Am Donnerstag haben sich der SPD-Mann und seine elf Amtskollegen getroffen, um gemeinsam dem Senat die Stirn zu bieten. Über Verwaltungs- und Parteigrenzen hinweg wollen sich die Bezirke verbünden, um gegen Rot-Rot mehr Geld, Personal und Kompetenzen zu erkämpfen. Das klingt nach trockenem Verwaltungstreiben, könnte aber weitreichende Folgen für die Berlinerinnen und Berliner haben.
Die Kernforderung des Kongresses spricht bereits aus seinem Titel: "Berlin braucht seine Bezirke" haben die Bürgermeister und Stadträte ihr Treffen überschrieben, und nicht zufällig hat es gerade jetzt stattgefunden. In sechs Wochen soll das Abgeordnetenhaus den Doppelhaushalt des Landes für 2008 und 2009 beschließen. In den jeweils knapp 20 Milliarden Euro schweren Etats steckt auch das Geld für die Bezirke. Die zwölf Verwaltungseinheiten erhalten pauschal insgesamt rund 4,6 Milliarden Euro vom Land, eigene Einnahmen der Bezirke machen rund 1,2 Milliarden Euro aus. Das reicht ihnen nicht.
Der weitgehende Einstellungsstopp in den Berliner Verwaltungen müsse enden, fordert Friedrichhain-Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne). Weit mehr als die jährlich landesweit 200 Neueinstellungen müssten her. "Das ist die einzige Möglichkeit, junge Menschen in die Verwaltung hereinzuholen", urteilt Schulz. Ansonsten drohe eine "Vergreisung", assistiert Band. Allein die Jugendämter bräuchten in den kommenden fünf Jahren 50 neue Sozialarbeiter. Schon heute liege das Durchschnittsalter in der Verwaltung bei rund 50 Jahren.
Rot-Rot belaste die Bezirke mit immer neuen Aufgaben, ohne dafür mehr Geld und Personal herauszurücken, klagt der Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg. Erst nach langem Drängen habe der Senat den Ordnungsämtern 88 Mitarbeiter aus dem Stellenpool in Aussicht gestellt, damit diese sich um die Einhaltung der Umweltzonen- und Nichtraucherschutz-Regelungen kümmern. Die Bezirke sind in der Pflicht, zu kontrollieren, dass ab Januar nur Autos mit entsprechender Plakette innerhalb des S-Bahn-Rings fahren und in öffentlichen Gebäuden nicht geraucht wird. Bis heute sei unklar, welcher Bezirk wie viele der zugesagten Extramitarbeiter bekomme, sagt Band.
Vor allem für soziale Aufgaben, klagen die Bezirkschefs, müsse der Senat ihnen mehr Geld und Kompetenzen geben. Anders als bislang sieht der Haushaltsentwurf feste Geldsummen vor: für Wohngeld, Sozialhilfe, Kitakosten und Hilfen zur Erziehung.
Zwar reichten die Erziehungshilfen nach den bisherigen Plänen aus, gesteht Lichtenbergs Bürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) ein. Ab 2008 will das Land jedoch bei Budgetüberschreitungen nicht mehr einspringen. Das feste Budget soll genügen. "Wir wollen nicht auf den finanziellen Risiken sitzen bleiben", sagt Emmrich.
Doch die Macht der Bezirksbürgermeister ist begrenzt, die Finanzverwaltung stemmt sich gegen die Forderungen. Daher setzen die Kommunalpolitiker auf öffentlichen Druck. "Noch bestimmt das Abgeordnetenhaus die Richtlinien der Politik", sagt Franz Schulz. Das Kalkül könnte aufgehen - wenn auch kaum noch beim Doppelhaushalt 2008/09. Unisono verkünden die Linke-Fraktionschefin Carola Bluhm und der Landesvorsitzende Klaus Lederer: "Berlin braucht seine Bezirke, weil sie für demokratische Politik, umfassende Teilhabe, zivilgesellschaftliches Engagement und bürgerorientiertes Verwaltungshandeln unverzichtbar sind."
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