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Bürgerkrieg in SyrienErstmals französische Luftangriffe

Französische Kampfjets greifen erstmals IS-Stellungen in Syrien an. Premierminister spricht von „legitimer Selbstverteidigung“.

Frankreich schickt jetzt Kampfflugzeuge nach Syrien (Archivbild von 2011). Foto: dpa

Paris afp | Frankreich hat erstmals in Syrien Stellungen der Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) bombardiert. Französische Kampfflugzeuge griffen die IS-Positionen an, wie das Präsidialamt am Sonntag in Paris mitteilte. Vor dem Beginn der UN-Generaldebatte in New York, bei der Präsident Wladimir Putin die Ausweitung des militärischen Engagements Russlands in Syrien erklären will, gab es auf diplomatischer Ebene intensive Gespräche über eine politische Lösung des Konflikts.

Paris begründete die Luftangriffe in Syrien mit der Wahrung „der nationalen Sicherheit“ angesichts „der terroristischen Bedrohung“ durch die IS-Miliz. Der Einsatz sei „in Koordination mit unseren Partnern in der Region erfolgt“ und beweise die Entschlossenheit Frankreichs, gegen die Dschihadisten zu kämpfen, erklärte das Präsidialamt.

Grundlage der Angriffe seien die Informationen gewesen, welche die Luftwaffe bei ihren Aufklärungsflügen in den vergangenen Woche gesammelt habe.

Präsident François Hollande hatte Anfang September die Aufnahme von Aufklärungsflügen bekannt gegeben, um Luftangriffe auf die Dschihadisten in Syrien vorzubereiten. Ende August hatte auch Großbritannien erstmals Angriffe auf die Extremisten in Syrien geflogen. Beide Länder hatten sich zuvor nur im Irak an der US-geführten Koalition gegen die IS-Miliz beteiligt. Eine Intervention in Syrien hatten sie gescheut, um nicht den dortigen Machthaber Baschar al-Assad zu stärken.

Der französische Premierminister Manuel Valls sprach zur Begründung für die Angriffe von „legitimer Selbstverteidigung“, da der IS Anschläge gegen Frankreich vorbereite. Der französische Geheimdienstexperte Eric Dénécé sagte dazu, es sei „völliger Unsinn“ zu behaupten, mit Luftangriffen könnten terroristische Verschwörungen verhindert werden. Statt „einiger symbolischer Luftangriffe“ seien Bodentruppen erforderlich, um etwas zu bewirken. Der Öffentlichkeit werde „Sand in die Augen gestreut“, kritisierte Dénécé.

Die Angriffe erfolgten, während sich Hollande bei den Vereinten Nationen in New York aufhält, wo am Montag die UN-Generaldebatte beginnt. Ein zentrales Thema dabei wird der Syrien-Konflikt sein. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Rede Putins, der sich zur verstärkten militärischen Präsenz seines Landes in Syrien äußern will. Russland hatte zuletzt nahe Latakia einen Luftwaffenstützpunkt ausgebaut und nach Panzern und Artillerie auch Kampfflugzeuge geschickt.

Bilaterale Gespräche

Vor allem die USA fürchten, dass es Russland weniger um den Kampf gegen die Dschihadisten geht als um die Stärkung Assads. Putin will nach seiner Rede in New York US-Präsident Barack Obama zu einem bilateralen Gespräch treffen. Am Samstag vereinbarte Putin bei einem Telefonat mit dem saudiarabischen König Salman, die Suche nach einer politischen Lösung sowie die Zusammenarbeit im Kampf gegen die IS-Miliz zu verstärken.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und US-Außenminister John Kerry trafen ihrerseits Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in New York zu Gesprächen über einen Ausweg aus dem Konflikt. Diskutiert wird derzeit auch, ob für eine politische Lösung mit Assad verhandelt werden muss. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte, ein Rücktritt Assads sei keine Bedingung für Verhandlungen, aber letztlich das Ziel.

Der Irak kündigte derweil an, enger mit Russland, Syrien und dem Iran gegen die Dschihadisten zusammenarbeiten. Wie ein Regierungssprecher mitteilte, wollen die vier Staaten in einem Ausschuss Erkenntnisse der Militärgeheimdienste austauschen. Die irakische Armee teilte ihrerseits mit, Moskau sei über die Präsenz „russischer Terroristen“ in der Konfliktregion besorgt. Laut einem Bericht der New York Times schlossen sich inzwischen rund 30.000 Ausländer dem IS in Syrien und dem Irak an.

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1 Kommentar

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  • Nach Ansicht Camerons und Hollande soll Assad das Land mit Luftunterstützung der bisher erfolglosen Weststaaten wieder freikämpfen, danach aber nur für eine kurze Übergangszeit als Präsident im Amt bleiben dürfen. Die Rechnung der beiden Herren wird nicht aufgehen.

     

    Assad wird nach der Befreiung der vom Westen herangezüchteten diversen Terrorbanden Neuwahlen ansetzten und das Volk, soweit noch vorhanden, entschieden lassen, ob er in den Ruhestand gehen oder aber weiter ihr Präsident bleiben soll. Danach können Cameron und Hollande entscheiden, ob sie im Land wieder Hilfstruppen für eine erneute bunte Revolution anheuern und dort abermals einen Krieg anzetteln wollen.

     

    Der Irak, bisher treuer Partner der USA, kündigte an, enger mit Russland, Syrien und dem Iran gegen die Dschihadisten zusammenzuarbeiten. Zugleich spricht sich Putin mit Israel und Saudi-Arabien ab. Da kommen also den USA, GB und Frankreich gerade die Verbündeten vor Ort abhanden. Doch noch überlegen sie, ob sie vielleicht Russland in ihrer 60ger-Allianz unter Führung der USA einbinden wollen. Offenbar haben sie noch immer nicht begriffen, dass es längst nur noch darum geht, ob sie sich ihrerseits beim gerade zur Bekämpfung des IS, Nusra, FSA und sonstigen Dschihadisten gebildeten gemeinsamen Informationszentrum in Bagdad eingliedern lassen. Wenn sich die USA dazu durchringen würden, würde es dort freilich ihre Führungsrolle verlieren. Wollen sie das nicht, würde von ihrem Einfluss im Nahost nicht mehr viel übrig bleiben.

     

    Der Hintergrund ist ziemlich einfach: Das Konzept, alle zu bekämpfen, die dort wieder so etwas wie eine staatliche Ordnung herstellen könnten, führt ins Nichts, endet erkennbar im absoluten Chaos. Das haben offenbar viele ihrer Verbündeten langsam begriffen.