Bürgerkrieg in Syrien: Kofi Annan sucht Friedensplan zu retten
Der UN-Sondergesandte verlangt die Einhaltung des Friedensplans. Derweil weisen die USA, Frankreich, Italien, Spanien, Australien und Kanada syrische Diplomaten aus.
BERLIN taz | Obwohl sein Friedensplan zu zerfallen droht, hat Kofi Annan am Dienstag Syriens Präsidenten Baschar al-Assad zu Gesprächen getroffen. Der UN-Sondergesandte ist für einen dreitägigen Besuch nach Syrien gereist, um zu retten, was nach dem Massaker von Hula vom Freitag noch zu retten ist. Denn nach Einschätzung von Beobachtern könnte der Tod der 108 Menschen in Hula leicht das Ende von Annans Initiative bedeuten.
Kofi Annan forderte Assad nachdrücklich dazu auf, seinen UN-Friedensplan umzusetzen. Er brachte die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft über das Massaker mit über 100 Toten in Hula zu Ausdruck. Jetzt seien „mutige Schritte“ zur Beendigung der Gewalt und der Freilassung von Gefangenen notwendig. Präsident Assad warf in dem Gespräch „terroristischen Gruppen“ vor, die Gewalt in Syrien zu provozieren.
Annans Sechs-Punkte-Plan umfasst neben einer Waffenruhe unter anderem den Abzug des Militärs aus Wohngebieten, das Recht auf friedliche Demonstrationen und freien Zugang für Journalisten. Eine Mission von derzeit rund 270 UN-Beobachtern soll überwachen, ob die Vereinbarungen eingehalten werden. Kritiker sehen Annans Initiative längst als gescheitert an: Bisher hat das Regime keinen der Punkte umgesetzt. „Die Erwartungen an die UN-Mission sind übertrieben. Die Beobachter können keine Waffenruhe durchsetzen“, sagte ein führender Politologe in Damaskus, der anonym bleiben wollte. „Annans Besuch spiegelt die Notwendigkeit, dass die Mission auch einen politischen Prozess in Gang bringt. Ob das gelingt, hängt davon ab, ob das Assad-Regime bereit ist, nach einer Lösung zu suchen.“
Aus nächster Nähe getötet
Bereits am Sonntag hatte der UN-Sicherheitsrat die Bluttat von Hula scharf verurteilt. Noch während des Treffens von Annan und Assad veröffentlichten die Vereinten Nationen neue Erkenntnisse darüber, was in der Nacht von Freitag auf den Samstag geschah: Weniger als 20 der Opfer seien bei der Bombardierung getötet worden, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit. Die anderen, darunter 49 Kinder und 34 Frauen, seien hingerichtet worden: Ihre Mörder hätten sie durch Messerstiche oder Schüsse aus nächster Nähe getötet. Damit bestätigen die UN, was die Anwohner des Dorfes seit Freitag berichten. Augenzeugen zufolge sollen Killerkommandos aus den Nachbardörfern ganze Familien im Dienste des Regimes ausgelöscht haben.
Infolge des Massakers gerät Damaskus international zunehmend in Bedrängnis: Aus Protest gegen den Massenmord weist Deutschland den syrischen Botschafter aus. Radwan Lutfi wurde am Dienstag im Auswärtigen Amt darüber informiert, dass er die Bundesrepublik innerhalb von 72 Stunden verlassen muss. Die USA folgten diesem Schritt. Auch Frankreich, Italien und Spanien sowie Australien und Kanada wiesen in einer konzertierten Aktion syrische Diplomaten aus. Die Europäische Union stellte weitere Sanktionen gegen das Assad-Regime in Aussicht.
Regimegegner in Syrien fürchten, dass der Besuch des UN-Gesandten die Legitimität von Präsident Assad stärkt. „Die Anwesenheit der UN-Beobachter könnte die Gewalt durchaus mindern“, sagt Wissam Tarif, ein Menschenrechtler des Kampagnennetzwerks Avaaz. „Doch dazu brauchen wir viel mehr Beobachter, 3.000, nicht 300. Zudem muss das Mandat geändert werden. Es ist zwecklos, einen Friedensplan zu überwachen, der schon längst nicht mehr existiert.“
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