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Bürgerkrieg in SyrienUN-Beobachter müssen pausieren

Aus Sicherheitsgründen werden die 300 UN-Beobachter in Syrien bis auf Weiteres nicht mehr auf Patrouille gehen. Die syrischen Streitkräfte setzten am Samstag ihre Offensive weiter fort.

Müssen vorläufig in ihren Unterkünften bleiben: UN-Beobachter in Homs. Bild: dpa

BEIRUT dapd | Wegen des immer weiter zunehmenden Blutvergießens in Syrien hat die UN-Beobachtermission ihre Arbeit ausgesetzt. Die in den vergangenen zehn Tagen stark gestiegene Gewalt stelle bedeutende Risiken für die rund 300 Beobachter dar und halte sie davon ab ihr Mandat auszuüben, sagte der Leiter der Beobachtermission, Robert Mood, in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung.

Die UN-Mitarbeiter würden bis auf weiteres nicht auf Patrouille gehen und in ihren Unterkünften bleiben, hieß es weiter. Das Land verlassen sollen die Beobachter aber nicht. Die Entscheidung, ihre Arbeit vorübergehend einzustellen, solle täglich neu bewertet werden. „Die Operationen werden wieder aufgenommen, wenn wir die Situation als geeignet ansehen, um unsere Mandatsaktivitäten wieder auszuführen“, sagte Mood.

Am Samstag ging die jüngste Offensive der syrischen Streitkräfte unvermindert weiter. Bei Artillerieangriffen auf Vororte der syrischen Hauptstadt Damaskus wurden nach Angaben von Aktivisten mindestens zwölf Menschen getötet. Acht Menschen kamen demnach ums Leben, als Regierungstruppen in der Nacht auf Samstag Mörsergranaten auf ein Wohnhaus in dem Vorort Duma abfeuerten. Weitere vier Menschen seien beim Beschuss der Ortschaften Arbin und Tall getötet worden, berichteten der Aktivist Mohammed Said aus Duma und die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Die Regierung stellte die Kämpfe rund um Damaskus anders dar. Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Sana stürmten die Truppen in Duma Verstecke von bewaffneten Gruppen und töteten eine Reihe von Terroristen. Auch bei einer versuchten Infiltration von Bewaffneten vom Libanon aus seien in der Nacht mehrere Terroristen getötet und verwundet worden.

Auch in Homs gingen die Angriffe der Regierungstruppen gegen die von Rebellen kontrollierten Stadtviertel weiter, darunter auch in den Bezirken Chaldije und Dschuret el Schajja. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte rief UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf, „sofort einzuschreiten“.

Mehr als 1.000 Familien seien in den umkämpften Vierteln gefangen, teilte die Beobachtungsstelle in einer Erklärung mit. Viele Frauen und Kinder leiden demnach dort unter immer schlechter werdenden humanitären Bedingungen. Außerdem müssten Dutzende Verwundete in Sicherheit gebracht werden. Ihre Leben seien wegen des Mangels an Ärzten und Medikamenten in Gefahr.

Die zunehmende Gewalt und der vorübergehende Stopp der Beobachtermission, des einzigen tatsächlich in die Tat umgesetzten Punktes des Friedensplans des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan, ließen die Hoffnung auf einen Erfolg des Annan-Plans weiter sinken. Sowohl Regierung als auch Opposition haben eine Waffenruhe ignoriert, die eigentlich am 12. April hätte in Kraft treten sollen.

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4 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @toddi:

     

    Jetzt versteht man eine interessante Nachricht vor einigen Tagen: In Rahmen des "erhöhten Drucks" auf Syrien,hat die Bundesrepublik die Lieferung von Gasmasken und ABC-Schutzanzügen nach Syrien verboten. Keine Kommentare dazu...

     

    Die Massaker-Keule funktionierte nicht (die UN-Beobachter haben festgestellt, dass die "Freiheitskämpfer" massakrierten), die Brutkasten- und Vergewaltigungskeule haben sich schon in Irak und Libyen ausgedient, Bombardierung des eigenen Volkes ist auch nicht mehr zu verkaufen, so was bleibt als nächste Keule: Giftgas, usw.

     

    Jetzt versteht man auch, warum die UN-Beobachter sich zurückziehen wollen: Augenscheinlich wurden die Blauhelme noch rechtzeitig informiert, dass etwas "gefärliches" kommen könnte.

  • T
    toddi

    Wartet die USNATO und ihre Kameltreiberversallen eventuell darauf das Assad Chemiewaffen einsetzt um endlich mit Schaum vor dem Mund selbst die "Initiative" übernehmen zu können? Und auf diesem Wege quasi nebenbei die Absolution "unserer glückssüchtigen Gesellschaft" für die Durchführung weiterer Maßnahmen der kolonialistischen "Neuordnung der Welt" im Interesse des Kapitals (das auf diesem Wege bereits wieder Wesenszüge des Faschismus offenbart" zu rekrutieren.

    Nach Angaben der russischen Aufklärung (und auf die setzt(e) selbst der Ami wenn es um muslimische Aktivitäten geht) trainiert eine Gruppe der Islamisten bereits mit aus Libyen "importierten" Chemiewaffen.

    Und da zum (direkten) Eingreifen des Westens an der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft vorbei (was mehr die repräsentierten Menschen - weniger das entsprechende Kapital angeht) vorbei muss natürlich der vorstellbar größte anzunehmende Verstoß gegen die Menschenrechte, ein Chemiewaffenangriff gegen "das eigene Volk" her.

    Die "Revolutionäre" die vom Westen auf Regimechange gebrieft , bereits den Annanplan zum scheitern gebracht haben und mit modernsten Waffen ,Munition usw. ausgerüstet wurden scheinen sich (typisch islamistisch großmäulig) etwas "verschätzt" zu haben. Ihren menschlichen Schutzschilden beraubt werden sie (endlich) auch militärisch (unter den Gesichtspunkten moderner Gefechtsführung) bekämpft und stehen mehr oder weniger vor ihrer Zerschlagung. Da die Luftüberlegenheit die wichtigste militärische Komponente darstellt werden die Rufe nach einer "Flugverbotszone" also Vietnamkrieg 2.0 größer werden, um dem Versprechen des Westens gerecht zu werden den gewaltsamen Sturz der Assadregierung unter allen Lagebedingungen zu "garantieren". Damit werden auch die "Menschenrechtsverletzungen" des Assad Regimes (mindestens in Medien) in nächster Zeit eine "neue Dimension" erreichen müssen. Bereiten wir uns also darauf vor - den Einsatz von chemischen Kampfstoffen (der im übrigen seit seiner ersten Benutzung immer von der Seite benutzt wurde die die Initiative verloren hat)...

  • AG
    Ali Grünberg

    "Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte": Und da ist er wieder, unser exil-syrischer Gemüsehändler aus London - unsere verlässliche Quelle im syrischen Freiheitskampf.

     

    Und seine Freunde, die "Aktivisten" und "Freiheitskämpfer", die - was sich ja mittlerweile rumgesprochen hat - gerne auch mal mit selbstinszenierten Massakern nachhelfen, wenn die syrische Regierung hinter ihrem Propagandasoll zurückbleibt ...

     

    Oh je, hätte ich doch nur den Mund gehalten. Jetzt muss der Westen doch noch seine "Schutzpflicht" wahrnehmen und selbstlos einmarschieren.

  • P
    pedro

    "Sowohl Regierung als auch Opposition haben eine Waffenruhe ignoriert, die eigentlich am 12. April hätte in Kraft treten sollen."

     

    Dies ist zwar verschiedendlich behauptet worden, konnte jedoch weder durch glaubhafte Augenzeugenberichte noch in früheren Stellungnahmen der UN-Beobachtermission bestätigt werden. Vielmehr sollen die schweren Waffen, wie vom UN-Friedensplan vorgeschrieben, bereits ab dem 12. April 2012 aus den Stadtgebieten abgezogen worden sein, was jedoch leider dazu führte, dass sich die, wie bereits mehrfach zugegeben und berichtet, aus dem Ausland bezahlten, gesteuerten und größtenteils aus Kämpfern anderer Länder bestehenden bewaffneten Gruppen, die den UN-Friedensplan im Übrigen zu keiner Zeit anerkannt oder befolgt hatten, neu gruppieren konnten, woraufhin eine, auch vom Menschenrechtsrat der UNO schärfstens verurteilte, ganze Serie von Terroranschlägen verübt wurde, welche noch immer anhält und durch die bereits Hunderte Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen sind.

    Zumindest soviel Wahrheit sollte bitte erlaubt sein, zum Wohle der friedlichen syrischen Bevölkerung von immerhin mehr als 22 Millionen Menschen, die sich verständlicherweise nichts mehr wünscht als das sofortige Ende des Krieges für die im demokratischen Sinne wohl selbstverständliche Freiheit, ohne äußere Bevormundung, selbst zu entscheiden von wem sie regiert werden wollen.

     

    Weitere Berichte von Augenzeugen vor Ort aus Quellen die bisher noch nicht beim Lügen erwischt wurden:

     

    tinyurl.com/7c6jyej

     

    tinyurl.com/d6uzsvg