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Bürgerkrieg in SyrienIslamische Regierungen tagen in Mekka

Die Mitgliedsländer der Organisation der Islamischen Konferenz wollen Syrien aus der Gruppe ausschließen. Nur die iranische Regierung will das nicht. Valerie Amos reist nach Syrien.

Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Idlib. Bild: reuters

DAMASKUS/GENF afp/dpa | Syrien gerät angesichts des blutigen Konflikts auch von Seiten der islamischen Länder immer mehr unter Druck. Die Außenminister der Mitgliedsländer der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) empfahlen am Montagabend eine Suspendierung Syriens von der Gruppe. In Mekka sollten am Dienstag die Staats- und Regierungschefs von fast 60 islamischen Staaten zu dem Sondergipfel zusammen kommen; das OIC-Mitglied Syrien war indes nicht eingeladen.

Die Mehrheit der Teilnehmer des Vorbereitungstreffens auf Ministerebene habe einem Resolutionsentwurf zugestimmt, der auf dem OIC-Gipfel im saudiarabischen Mekka vorgelegt werden solle, sagte OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu vor Journalisten in Dschiddah. Eine Diskussion über einen möglichen Ausschluss Syriens von der Gruppe hatte sich zuvor abgezeichnet.

„Syrien ist in einen dunklen Tunnel eingetreten", sagte Ihsanoglu zu Beginn des Treffens der Außenminister der OIC-Staaten. Die anhaltende brutale Gewalt in Syrien sei die Folge davon, dass Staatschef Baschar al-Assad die Forderungen seines Volkes ignoriert habe. Die „Politik der verbrannten Erde" sei noch nie ein Garant der Stabilität gewesen, sagte er.

Der Iran, engster Verbündeter der Führung in Damaskus und Teilnehmer des Sondergipfels, sprach sich strikt gegen einen Ausschluss Syriens aus der OIC aus. Eine Aussetzung der Mitgliedschaft löse keine Probleme, sagte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi in Dschiddah.

Das OIC-Treffen in Mekka war von König Abdullah einberufen worden. Saudi-Arabien unterstützt die syrische Opposition, die seit März 2011 gegen die Führung von Präsident Baschar al-Assad kämpft, und will die syrische Revolte bei dem Treffen stärken.

Die Rebellen forderten ihrerseits von der internationalen Gemeinschaft die Einrichtung einer Flugverbotszone. Die USA erklärten laut Regierungssprecher Jay Carney, "keine Möglichkeit" auszuschließen, um den Rücktritt von Assad zu erreichen. Es werde aber weiterhin versucht, zu einer politischen Lösung zu gelangen, sagte er.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) telefonierte nach Angaben des Auswärtigen Amtes am Montagabend mit US-Außenministerin Hillary Clinton und seinen Kollegen in Großbritannien, Frankreich und der Türkei, William Hague, Laurent Fabius und Ahmet Davutoglu, zur Lage in Syrien. Westerwelle erklärte, die „Erosion" der syrischen Führung habe mittlerweile den „innersten Kreis" erreicht. Daher müssten die Planungen für die Zeit nach Assad intensiviert werden.

UN-Nothilfekoordinatorin auf dem Weg nach Syrien

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos will sich bei einem Besuch in Syrien ein Bild von den Ausmaßen des seit mehr als einem Jahr andauernden gewalttätigen Konflikts machen. Amos werde von Dienstag bis Donnerstag Syrien und den Libanon besuchen, teilte das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) am Montag mit. Außer Damaskus und Beirut werde Amos auch andere Orte besuchen und mit Regierungsvertretern und Hilfsorganisationen sprechen. Im Libanon seien zudem Treffen mit Flüchtlingen geplant.

Rund zwei Millionen Menschen sind dem OCHA zufolge von den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Oppositionellen in Syrien betroffen. Mehr als eine Million sei innerhalb des Landes, etwa 140 000 Menschen über die Grenze nach Jordanien oder in den Irak, die Türkei oder den Libanon geflohen. Diese Menschen bräuchten dringend humanitäre Hilfe.

Aufständische in der syrischen Provinz Dair as-Saur erklärten am Montag, sie hätten ein Militärflugzeug des Regimes abgeschossen und den Piloten gefangen genommen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana widersprach dieser Darstellung. Die Maschine sei aufgrund technischer Probleme abgestürzt. Der Pilot habe den Schleudersitz betätigt, nach ihm werde gesucht. Sollten die Berichte über einen Abschuss zutreffen, wäre dies ein Hinweis darauf, dass die Aufständischen über Boden-Luft-Raketen verfügen.

Der Leiter der UN-Beobachtermission, General Babacar Gaye, warf Regierungstruppen und Aufständischen gleichermaßen vor, für den Tod von Zivilisten verantwortlich zu sein. „Es ist offensichtlich, (...) dass der wahllose Einsatz schwerer Waffen seitens der Regierung und gezielte Angriffe der Opposition in städtischen Zentren einen hohen Blutzoll unter unbeteiligten Zivilisten anrichten“, sagte Gaye am Montag in Damaskus. Das Mandat der UN-Beobachter, die eine von Beginn an nicht eingehaltene Waffenruhe überwachen sollten, läuft am 20. August aus.

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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • K
    Komisch

    Komisch. Die Diktatoren des Nahen Osten wollen Demokratie in Syrien.

     

    Kommt das nur mir komisch vor? Wenn die Saudi´s Demokratie wollen, warum führen die die nicht selbst ein?

     

    Warum verbündet sich der Westen mit diesen Despoten?

     

    Sind die Menschenrechte noch universell oder ist das nur eine Lüge?

  • R
    Ralph

    taz, wo bleiben die Klarstellungen, dass die Unterstützung der syr. "Rebellen" durch Katar u.a. mit Waffen usw. dem Völkerrecht widerspricht und im übrigen in keinem Verhältnis steht zu den sicher vorhandenen Menschenrechtsverletzungen durch Assad ? Bereits der Irak-Krieg war völkerrechtswidrig (Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in 2001), der Krieg gegen Libyen genau so. Folgt ihr jetzt dem allgemeinen Lügen, wonach Kriege gesellschaftsfähig werden sollen ?

  • T
    toddi

    Zitat: „Die Rebellen forderten ihrerseits von der internationalen Gemeinschaft die Einrichtung einer Flugverbotszone. Die USA erklärten laut Regierungssprecher Jay Carney, "keine Möglichkeit" auszuschließen, um den Rücktritt von Assad zu erreichen.

    Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) telefonierte nach Angaben des Auswärtigen Amtes am Montagabend mit US-Außenministerin Hillary Clinton und seinen Kollegen in Großbritannien, Frankreich und der Türkei, William Hague, Laurent Fabius und Ahmet Davutoglu, zur Lage in Syrien.“

    Man sollte sich eigentlich fragen ,mit welchem Recht fordern die selbsternannten Friedensengel,oder besser noch „Menschenrechtsanwälte“ irgendwas. Diese Vertreter der Staaten die für die grausamsten Verbrechen verantwortlich sind (direkt oder indirekt) die die Nachkriegsgeschichte gesehen hat. Dieses Mörderpack erdreistet sich der Menschheit Forderungen zu stellen. GB Griechenland/Palästina, Frankreich mit seinen „Heldentaten“ in Algerien und die vor allem die USA mit der „Unterstützung des Volkes“ Vietnams. Aus aktuellem Anlass und um zu zeigen wo die eigentlichen Terroristen zu verorten waren und sind, ein Auszug der Taten der Verbrecher „im Namen der Freiheit“ in Indochina . Zitat JW : Schweigen aus Bonn

    Wenn während des verbrecherischen Kriegs der USA in Vietnam gefoltert und gemordet wurde, gab es nie auch nur den geringsten Einwand. Auch nicht, als durch Enthüllungen des US-Magazins Newsweek 1972 bekannt wurde, daß dort im Rahmen des »Phönix«-Programms der CIA Zehntausende unschuldige Vietnamesen gefoltert und ermordet wurden. Das Journal bezog sich auf Aussagen des Verantwortlichen des Mordprogramms, den damaligen US-Botschafter in Saigon, William Colby, später Direktor der CIA, der bei einer Befragung vor dem Kongreß zugeben mußte: durch das »Phönix«-Programm wurden 20941 Personen getötet, die nicht »als schuldig oder unschuldig zu identifizieren« waren. Der im »Phönix-Programm« eingesetzte CIA-Mitarbeiter Barton Osborne, der den Geheimdienst verließ, schilderte Foltermethoden: Häftlingen »wurde ein Holzpflock von fünfzehn Zentimeter Länge in den Gehörgang getrieben. Auf dessen Ende wurde dann gehämmert, bis er ins Hirn eindrang«. Er habe bei allen Vernehmungen niemanden gesehen, »der da lebend herauskam«. In Südvietnam gab es über ein Dutzend KZ und Zuchthäuser sowie Hunderte von Lagern und Gefängnissen der örtlichen US-Kommandanturen und der Marionettenverwaltungen, in denen nach einem Bericht von »Amnesty International« 1972 zwischen 200000 und 300000 politische Gefangene schmachteten, die alle solchen Folterungen ausgesetzt waren

    Die berüchtigtste Folterhölle war das KZ auf der Insel Con Son, wo 10000 Menschen eingekerkert waren. Dort gab es bereits die berüchtigten Tigerkäfige, die später – kaum verändert – auf Guantánamo installiert wurden. Zu den sadistischsten Methoden gehörten Folterungen und Vergewaltigungen der weiblichen Häftlinge. Männer und Kinder wurden gezwungen, dabei zuzusehen. Frauen wurden Coca-Cola-Flaschen in die Vagina gestoßen. Der westdeutsche Arzt Erich Wulff, der sechs Jahre in Südvietnam arbeitete, schrieb unter dem Pseudonym George W. Alsheimer in seinem Buch »Vietnamesische Lehrjahre« (Frankfurt/Main 1968/1972), »daß Folterungen von Verdächtigen – und verdächtigt werden konnte jeder Vietnamese, der nicht selber im Dienste des Terrorapparates der USA stand – keine Ausnahme, sondern die Regel waren."

    Zitat Ende: Afghanistan, Irak, Libyen und aktuell Syrien beweisen, im Grunde haben die "Menschenrechts"apostel sich nicht geändert (deren einzige wirklich geforderte "Menschen"recht nach (Vogel)Freiheit,meint die Freiheit jeden Menschen als Ware bzw. Verbraucher zu betrachten - also das Recht (Maximal) Profite zu machen. Sie haben nur dazugelernt, finanzieren die „Drecksarbeit“, überlassen den größten Teil der Ausführung „anderen“. Algerien und Vietnam, Chile usw. droht der gesamten Menschheit wenn sie nur so könnten wie sie wollen! Fallt den Mördern in den Arm statt ihnen auf den Leim zu gehen...

  • U
    Ute

    Ist Syrien denn das einzige Thema dieser Konferenz?

     

    Von Marokko bis Indonesien und von Somalia bis in den Kaukasus gibt es eine Menge Probleme.