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Bürgerkrieg in LibyenGaddafi will "entscheidende Schlacht"

Am Donnerstag will die Uno über eine Flugverbotszone für Libyen abstimmen. Währenddessen stachelt Machthaber Gaddafi seine Kämpfer weiter auf.

Fühlen sich bereits als Sieger: Anhänger von Gaddafi. Bild: dpa

KÖLN/TRIPOLIS dapd/afp | Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi kündigte für Donnerstag eine "entscheidende Schlacht" um die Stadt Misrata an. "Ab heute (Mittwoch) Abend werdet ihr an den Waffen trainiert, und morgen werdet ihr an der Schlacht teilnehmen", sagte Gaddafi bei einem Treffen mit jungen Menschen aus Misrata, wie das Staatsfernsehen zeigte.

Am Mittwoch hatte ein Rebellensprecher gesagt, Gaddafis Truppen hätten Misrata angegriffen. Dabei seien mindestens vier Menschen getötet und zehn verletzt worden. Unter den Toten seien zwei Zivilisten, deren Häuser blind mit Granaten angegriffen worden seien. Die Stadt werde von allen Seiten attackiert, sei aber noch immer unter Kontrolle der Rebellen, hatte der Sprecher gesagt.

Das libysche Staatsfernsehen verkündete am Mittwochabend die Einnahme der Stadt Adschdabija durch Gaddafis Truppen. Die Stadt liegt rund 160 Kilometer südlich der Rebellenhochburg Bengasi. Das Internationale Rote Kreuz zog wegen des Vormarschs der Regierungstruppen seine Mitarbeiter aus Bengasi ab und versetzte sie in die weiter östlich gelegene Stadt Tobruk.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete die Tötung von unbewaffneten Zivilisten durch Regierungstruppen in Libyen als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die Verantwortlichen müssten vor Gericht gestellt werden, sagte er in Guatemala-Stadt.

UN-Sicherheitsrat nicht einig über Flugverbotszone

Trotz weiterer Vorstöße libyscher Regierungstruppen zu den Rebellenhochburgen ist die internationale Gemeinschaft weiter uneins über den Umgang mit der Situation. Der UN-Sicherheitsrat einigte sich am Mittwoch in New York lediglich auf einen vorläufigen Resolutionsentwurf, über den am Donnerstag abgestimmt werden sollte. Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi drohte mit einer "entscheidenden Schlacht".

Nach einer siebenstündigen Sitzung in New York teilten UN-Botschafter mit, das Gremium habe einen Resolutionsentwurf ausgearbeitet, der eine Flugverbotszone über Libyen vorsieht. Der Entwurf habe mehrere Standpunkte berücksichtigt, sagte ein UN-Botschafter. "Aber das heißt nicht, dass er in Stein gemeißelt ist." Demnach können die 15 Sicherheitsratsmitglieder den Text noch verändern.

Mit einer Flugverbotszone über Libyen sollen Luftangriffe der libyschen Regierungstruppen auf Rebellen und Zivilisten verhindert werden. Vor allem Frankreich hatte sich dafür stark gemacht, Unterstützung erhielt Präsident Nicolas Sarkozy von Großbritannien. Mehrere Länder, darunter die UN-Vetomächte China und Russland, aber auch das nicht-ständige Mitglied Deutschland, fürchten dagegen die Verwicklung in einen Krieg in Libyen.

In der Sicherheitsrats-Sitzung warnte der stellvertretende libysche UN-Botschafter Ibrahim Dabbaschi, der sich Ende Februar von seiner Regierung losgesagt hatte, vor einem "Völkermord". Er rief die internationale Gemeinschaft zu einem raschen Eingreifen auf. Die US-Botschafterin bei der UNO, Susan Rice, sagte, es müssten über eine Flugverbotszone hinaus weitere Maßnahmen getroffen werden. Ähnlich hatte sich bereits Frankreichs Außenminister Alain Juppé geäußert.

Die Einrichtung einer Flugverbotszone wird auch von der Arabischen Liga befürwortet. Der libanesische UN-Vertreter im Sicherheitsrat, Nawaf Salam, sagte, mehrere arabische Staaten seien bereit an der Durchsetzung der Maßnahme mitzuwirken. Salam hatte zu einer harten Resolution aufgerufen, welche die Äußerungen von Gaddafis Sohn Seif el Islam widerlege. Dieser hatte in einem Interview am Mittwoch gesagt, der Aufstand in Libyen werde in zwei Tagen beendet sein.

Westerwelle lehnt Flugverbotszone weiterhin ab

Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnt eine Flugverbotszone über Libyen weiterhin ab. Ein solcher internationaler Beschluss stelle ein militärischen Eingreifen dar, denn es gehe dabei um das Ausschalten von Bodentruppen und Flugabwehrstellungen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag im Deutschlandfunk. Es sei zudem unklar, ob dieses Eingreifen überhaupt wirksam sei.

Westerwelle räumte ein, dass dies eine "sehr schwere Entscheidung" sei, aber er sehe "keine deutschen Soldaten in Libyen". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor die Beteiligung Deutschlands an einem möglichen Militäreinsatz des Westens in Libyen mit deutlichen Worten abgelehnt.

Die Alternative sei aber nicht Tatenlosigkeit, sondern gezielte Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft, sagte der Minister. "Wir müssen zu recht den Druck auf das Regime Gaddafi erhöhen, dabei müssen auch die arabischen Staaten ihrer Verantwortung gerecht werden", betonte Westerwelle.

Die Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrats könnten bereits an diesem Donnerstag über eine Resolution für eine Flugverbotszone über Libyen abstimmen. Großbritannien und Frankreich fertigten am Mittwochabend die Endfassung eines entsprechenden Entwurfs an, über den im 15 Mitgliedsstaaten umfassenden UN-Sicherheitsrat abgestimmt werden kann.

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11 Kommentare

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  • K
    Kai

    Man sollte jetzt nicht in Libyen eingreifen, das Geld sollte man lieber Japan zur Vefügung stellen, auch sollte wie ein Grünenpolitiker schon gesagt hat die Bundeswehr zur Unterstützung nach Japan geschickt werden, dort ist Hilfe wichtiger als im sozialistischen Libyen!

  • L
    Liberta
  • JK
    Jürgen Kluzik

    "Wir können nicht alle Menschen aus Nordafrika aufnehmen", sagte Westerwelle. "Jetzt vor Ort zu helfen" sei die beste Methode, "um Flüchtlingsströme einzudämmen".

    Dabei hilft heute ganz besonders Gaddafi, weil er, auch mit deutschem Geld und deutschen Waffen, viel potentielle Flüchtlinge erschiessen läßt.

  • C
    Celsus

    Derweil hatte der Machthaber doch freundliche Worte für die deutsche Kanzlerin. Er hat dieser Regierung auch die Importe seiner siegreichen Waffen zu verdanken. Derweil wird dann schon sicher die nächste Exportgenehmigung vorbereitet.

  • SR
    soeren roth

    Gerade nach dem Anschauungsunterricht in Sachen Europäischder Verwundbarkeit kommen ... wir ... dem Ziel von 500 000 000 Erdeneinheiten (menschlich) näher!

    Ich zähle auf die Visionen des Herrn Trump.

    Wieso fragt keine Seite nach dem Harp Programm?

  • N
    nichtzumaushalten

    WO SIND DIE SANKTIONEN? WO DIE DROHKULISSE GEGENÜBER BAHRAIN; SAUDI-ARABIEN? Bisher war Westerwelle nur der Clown von der FDP, der halt als Juniorpartner das Außenministerium als Sahnestück bekommen hatte. Jetzt aber klebt das Blut der libyschen Demokratiebewegung an seinen Händen, und damit auch an unseren.

  • N
    nichtzumaushalten

    HELFT ENDLICH DEN LIBYERN! DAS GADDAFI-APPEASEMENT FUNKTIONIERT NICHT!

  • PS
    Post Scriptum

    Gaddafi, wie auch das Königshaus in Saudi-Arabien bzgl. der „Familie“, des Königshauses in Bahrain, nützt die Katastrophe in Japan, und die Tatsache, dass sich vor allem darauf die öffentliche Aufmerksamkeit richtet, um seine Machtstellung zu erhalten. Wenn er gewinnen sollte, werden all die Verbrechen, die seine Armee bis jetzt begangen hat, unaufgeklärt bleiben und keiner wird zur Rechenschaft gezogen werden. Man kann in dem Fall jetzt schon mit weiteren Strömen von Flüchtlingen rechnen, diesmal politische Flüchtlinge, und auch mit weiteren Verbrechen, an den Angehörigen, bzw. Unterstützern der Revolte, usw. Falls sich Gaddafi als ein „gnädiger“ Herrscher präsentiert und eine Generalamnestie erlässt, werden trotzdem weitere Verbrechen durch die Hintertür begangen werden („Verschwindelassen“, Tortur etc., ich habe schon einmal den Vergleich mit dem Franco-Terror in Spanien gezogen, aber es gab auch genügend weitere Terror-Regime, nicht nur im spanischsprachigen Raum; dass die „linke“ spanische Regierung bzgl. Gaddafi so reagiert, wie sie es jetzt tut, hat, wie immer und überall, mit der spanischen Innenpolitik, bzw. mit den Verhältnissen im Land, siehe vor allem Baskenland und Katalonien, zu tun, und ändert nichts an den Tatsachen in Libyen). Dass vor allem China und Russland gegen ein Eingreifen sind, war auch zu erwarten, der deutsche Außenminister kann versuchen (vielleicht gelingt es ihm auch), die Tatsachen wegzureden, trotzdem werden die Folgen seiner Entscheidungen eine deutliche Sprache reden, und wenn man (Öffentlichkeit) sie jetzt vielleicht noch nicht zu erfassen vermag, das wird in der Zukunft geschehen müssen, früher oder später.

    Also ja, die deutschen und andere Soldaten (die glücklicherweise in naher Zukunft freiwillig die undankbare Arbeit werden wählen können) werden das ausbaden müssen, was die politische Elite „versäumt“, bzw. in Kauf genommen hat (zusammen mit den wirtschaftlichen Eliten). Und wenn die Soldaten diese Arbeit jetzt nicht erledigen, wird es die Zivilbevölkerung in Libyen ausbaden müssen, d.h. die, die sich gegen das Regime aufgelehnt haben. Falls sich die UNO (bzw. NATO) nicht einmischt, dann werden auch die Aufständischen, falls sie gewinnen, genauso ungehindert Verbrechen begehen können (noch einmal der Verweis auf Erfahrungen aus der Geschichte), wenn man bei der Haltung, sich nicht einzumischen, konsequent bleibt.

  • C
    Clemens

    Während alle Welt auf japan schaut, entzieht sich unser häuchlerischer Außenminister seiner Verantwortung und lehnt Maßnahmen gegen den Mörder Ghaddafi ab - peinlich, dass er dafür von Gaddafi sogar gelobt wird und Deutschland nun in einem Atemzug mit Russland, China und Indien nennt. Na dann ist wenigstens die Ölzufuht gesichert, man kann eben nicht immer für Menschenrechte und Demokratie einstehen *hust*. So und jetzt bitte alle wieder das Thema wechseln, oder wegschauen, in ein paar Tagen ist da unten sowieso Ruhe. Business as usual also. Gaddafi ist ja auch ein treuer Geschäftskollege Deutschlands, wir können jetzt auch nicht einfach so die hiesige Rüstungsindustrie auflaufen lassen und unser Wachstum gefährden!

     

    Irgendwie ist die Welt schon ein sehr, sehr trauriger Ort.

  • B
    bongbong

    Was mich wundert: Die tweets der Rebellenfraktion zeichnen ein etwas/teilweise anderes Bild, als derzeit von unseren Medien (einschießlich TAZ) wiedergegeben wird. So wurden einige wenige recht erwähnenswerte Ereignisse nirgends der breiten Öffentlichkeit zugänglich, selbst wenn diese Unwahr sein sollten. Es scheint, als würden eher derzeit Nachrichten vom libyschen Staatsfernsehen verbreitet, also Propagandamaterial. Wenn schon Propagandamaterial, dann doch bitte ausgewogen, das von beiden Seiten. Jedenfalls ist das meine bescheidene Meinung. So konnte ich gestern nirgends lesen, das ein desertierter Jetpilot sein Flugzeug in die Festung Gaddafis gesteuert hat (Selbstmord/Märtyrer). Der Name des Piloten ist bekannt, er hatte Familie in Benghazi. Es hat eine große Explosion gegeben. Ein Krankenhaus wurde daraufhin von Sicherheitsleuten umstellt. Vermutet wird, daß Hochrangige eingeliefert wurden. Außerdem sollen desertierte Kampfpiloten (Hubschrauber und Jets) zwei Kriegsschiffe Gaddafis versenkt und eins beschädigt haben plus einiger Panzer. Ein Tanker wurde von den Rebellen erobert. Weiter habe sich angeblich ein weiterer großer Kampfverband (8000 Mann) den Rebellen angeschlossen. Der abgeschossene (tote) Pilot eines Pro-Gadadfi-Kampfflugzeugs war angeblich angekettet, so daß er seinen Schleudersitz nicht benutzen konnte. Gaddafis Truppen benutzen angeblich biologische Waffen (Munition in bakterielle Lösung getaucht), letzteres hört sich in meinen Ohren sehr nach Fantasy an, aber wer weiss. Ein weiterer Zeuge berichtet sein Nachbar wäre von Pro-Gaddafi-Soldaten erschossen worden, weil er einen Nationalfahnenaufkleber (Rebellen) an seinem Auto hatte. Wie gesagt, wenn Propaganda, dann von beiden Seiten bitte. Danke!

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die Tage der USA als Weltpolizei sind längst gezählt und während sich viele Israelis noch auf die Supermacht verlassen, verkennen sie die Zeichen der Zeit. Die Aufstände in vielen arabischen Ländern machen es deutlich: Israel muss seine Strategie ändern! http://bit.ly/gbZV6Y