Bürgerkrieg in Libyen: Rebellen lösen Regierung auf
Die Suspendierung des Exekutivbüros des Übergangsrates soll mit der Ermordung von Militärchef Junes vor einer Woche in Verbindung stehen. Die EU weitet ihre Sanktionen gegen Gaddafi aus.
BENGASI afp/ap | Der Präsident des Nationalen Übergangsrats der libyschen Rebellen, Mustafa Abdeldschalil, hat offenbar seine Regierung entlassen. Das Exekutivbüro sei suspendiert worden, sagte Rebellensprecher Mohammed al-Kisch am späten Montag der Nachrichtenagentur AFP.
Nach Kischs Worten forderte Abdeldschalil die Nummer zwei des Übergangsrats, Mahmud Dschibril, auf, die Führungsriege auszutauschen. Es sei sicher, dass einige Mitglieder "nicht zurückkehren" würden. Auch Rebellensprecher Schamsiddin Abdulmolah bestätigte die Entlassung des Büros. Dschibril, der die Funktion eines Ministerpräsidenten innehat, werde ein neues Exekutivbüro zusammenstellen, sagte Abdulmolah.
Das Exekutivbüro besteht aus etwa 15 Mitgliedern, die für die Verwaltung der unter Rebellenkontrolle stehenden Gebiete im Osten Libyens zuständig sind. Die Entscheidung zur Regierungsumbildung erfolgte eine Woche nach dem Tod des Militärchefs der Rebellen, Abdel Fatah Junes. Der Mord hatte zu Spekulationen über mögliche Täter und eine Spaltung der Rebellenbewegung geführt. Die Ermittlungen zum Tod des Militärchefs dauern noch an. Ein Mitglied des Übergangsrates, Fathi Turbel, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dapd, die Entscheidung zur Auflösung des Exekutivbüros hänge mit dem Mord an Junes zusammen.
Die EU beschloss unterdessen neue Sanktionen gegen die Führung von Libyens Machthaber Gaddafi. Wie das französische Außenministerium am Dienstag in Paris mitteilte, wurden sie am Vortag gegen zwei mit der Regierung verwobene Unternehmen verhängt. Den Angaben zufolge handelte es sich um die Ölfirma El Scharara und eine mit Verwaltungsfragen befasste Organisation. Damit seien nun 42 Unterstützer Gaddafis und 49 Organisationen mit Sanktionen belegt.+
Libysche Führung: Nato-Truppen töten Zivilisten
Die libysche Führung beschuldigte am Dienstag die Nato-Truppen, in einem Dorf im Westen des Landes 85 Zivilisten getötet zu haben. Der Ort Madscher südlich der Stadt Sliten sei am Montagabend aus der Luft getroffen worden, sagte Regierungssprecher Mussa Ibrahim vor Journalisten am Ort des Geschehens. Dabei seien 33 Kinder, 32 Frauen und 20 Männer ums Leben gekommen. Nach seinen Angaben fielen insgesamt sechs Bomben auf das Dorf.
Die Nato hatte zuvor erklärt, dass sie am Sonntag in der Umgebung von Sliten acht Ziele angegriffen habe. Dabei habe es sich um vier Kontroll- und Kommandozentralen der libyschen Armee, ein Militärlager, ein Waffendepot, eine Panzerabwehreinrichtung sowie eine Abschussrampe für mehrere Raketen gehandelt. Zu möglichen weiteren Luftangriffen am Montag äußerte sich die Militärallianz zunächst nicht.
Die um Sliten kämpfenden Rebellen hatten am Montag mitgeteilt, dass ihnen die Munition ausgehe. Zudem seien in der Nacht zuvor bei Angriffen von Gaddafis Truppen auf die Gegend vier Aufständische getötet und weitere 40 verletzt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles