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Bürgerkrieg im SüdsudanFliehen oder sterben

Im bisher eher friedlichen Süden des Bürgerkriegslandes wütet jetzt eine besonders brutale ethnische Gewalt. Tausende fliehen täglich nach Uganda.

Warten auf die Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks in Yei Foto: ap

Nairobi taz | Verbrannte Körper, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Kleine Kinder in Stücke geschnitten. Häuser abgebrannt. Die grausigen Bilder haben Einwohner von Yei in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Das Städtchen im Süden von Südsudan war lange eine der wenigen friedlichen Oasen seit Beginn des südsudanesischen Bürgerkriegs vor knapp drei Jahren. Aber jetzt ist der Handelsknotenpunkt nahe den Grenzen zu Kongo und Uganda selbst Zentrum der Gewalt.

Die Toten sind meist von der Regierungsarmee SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) umgebracht worden. Die Regierung von Präsident Salva Kiir glaubt nämlich, dass die Einwohner von Equatoria, dem südlichen Landesteil, den ehemaligen Vizepräsident und Rebellenführer Riek Machar unterstützen. Seit Machar im Juli aus Südsudan floh, ist ein Teil seiner Kämpfer nach Equatoria gezogen. Die Armee zog hinterher.

Vorige Woche bestätigte Yongule Athanasius, Innenminister des Bundesstaates Yei River, ein Massaker, bei dem die SPLA ein Dutzend Menschen ermordete. Der Minister versprach, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Einwohner von Yei glauben ihm kein Wort. „Soldaten werden nie bestraft“, sagt eine junge Frau am Telefon. „Die können machen, was sie wollen. Die Regierung in der Hauptstadt Juba schützt sie alle.“

Einige Tage zuvor war ein anderer lokaler Regierungsfunktionär zurückgetreten. In seinem Rücktrittschreiben, das Journalisten zugespielt wurde, erwähnte er Plünderungen von Kirchen, Abfackeln von Märkten und Tötungen von Bürger durch SPLA-Soldaten. „Meine Leute werden getötet und gefoltert“, schrieb Toti Jacob.

Inzwischen gründen junge Equatorianer eigene Milizen. Sie nehmen Rache für die Opfer der Armee. Vor Kurzem hielt eine Miliz einen Bus an. Die Milizionäre trennten die Dinka von den anderen und exekutierten sie auf der Stelle. Die Dinka sind das Rückgrat der SPLA und der Regierung von Salva Kiir.

In diesem Klima existiert ein Potenzial für Völkermord

UN-Beauftragter Dieng

Adama Dieng, der UN-Sonderbeauftragte für Genozid, besuchte kürzlich Equatoria und erklärte danach, dass „in dem Klima von Intoleranz und Gewalt ein Potenzial für Völkermord existiert.“ Er sah, wie Familien ihre Sachen packen und am Straßenrand auf Transport ins Nachbarland Uganda warten. Dort leben mittlerweile über eine halbe Million Flüchtlinge aus Südsudan, jeden Tag steigt die Zahl um über 2.000.

Die Equatorianer, ein geografischer Sammelbegriff für mehrere Dutzend kleine Volksgruppen, fühlen sich von keiner der großen Bürgerkriegsparteien Südsudans vertreten. Einige Gruppen haben sich mit der Regierung von Salva Kiir zusammengetan, aber viele anderen stellen sich auf der Seite der Rebellen von Riek Machar. Sie wehren sich gegen die undisziplinierten Truppen der Regierung. Unterstützung bekommen die Dinka-Regierungssoldaten von einer Dinka-Miliz mit dem Namen Mathiang Anyoor, die verbündet ist mit Präsident Kiir und dem Stabschef der Armee, Paul Malong. Nicht nur die Bevölkerung, auch lokale Regierungsfunktionäre und UNO-Vertreter melden, dass diese Miliz die Bevölkerung terrorisiert.

Equatoria mag im Südsudan politisch marginal sein, nicht aber wirtschaftlich. Es ist die Transitregion für die Importe aus Ostafrika und ist ein wichtiges Agrargebiet. Aber der Warentransport ist sehr gefährlich geworden, und durch die Massenflucht nach Uganda werden die Äcker nicht mehr bestellt. Darauf grast jetzt Vieh von Dinka-Hirten, die unter dem Schutz ihrer Miliz aus ihren Gebieten weiter nördlich nach Süden gezogen sind.

Die humanitäre Lage in ganz Südsudan wird immer schlechter. Drei der elf Millionen Südsudanesen sind vertrieben oder auf der Flucht, vier Millionen hungern, schätzen UN-Hilfswerke.

Der UN-Sicherheitsrat erklärte am Freitag, er sei über die jüngste Welle ethnischer Gewaltakte „hoch alarmiert“, und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach vom „Risiko massiver Greueltaten infolge des abrupten Anstiegs von Hassrhetorik und ethnischer Anstachelung in den letzten Wochen“. Dagegen seien die 14.000 UN-Blauhelme machtlos.

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