Bürgerkrieg auf Sri Lanka: Massenflucht aus dem Norden

Bei den Kämpfen im Rebellengebiet werden hunderte getötet. Das Rote Kreuz kritisiert die medizinische Versorgung. Die Regierung nennt die Militäraktion dennoch eine "Rettungsoperation"

Ausgemergelt und bepackt mit wenigen Habseligkeiten: Bewohner des Nordens von Sri Lanka suchen Schutz vor Kampfhandlungen. Bild: dpa

DELHI taz Es sind Aufnahmen einer ungeheuren Massenflucht: Zehntausende tamilischer Zivilisten haben sich am Dienstag bereits zum zweiten Tag in Folge auf die Flucht aus dem Nordosten Sri Lankas gemacht. Abertausende von Menschen strömten, bepackt mit wenigen Habseligkeiten, aus dem winzigen Gebiet, in dem die Rebellen der "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) sich über Monate verschanzt hatten.

Viele von ihnen sahen ausgemergelt aus: Sri Lankas Regierung hatte bereits vor einem halben Jahr internationale Hilfsorganisationen zum Abzug aus dem Kampfgebiet gezwungen und seitdem kaum noch Konvois mit Lebensmitteln und Medikamenten zu den Menschen durchgelassen. Auf Nahaufnahmen von den Flüchtlingen ist zu erkennen, dass etliche von ihnen krank, verletzt oder am Ende ihrer Kräfte sind.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass seit Januar bei Kämpfen 4.500 Zivilisten ums Leben gekommen und 12.000 weitere verletzt worden sind. Bereits vor Wochen deuteten UN-Vertreter an, es gäbe Anzeichen für massive Menschenrechtsverletzungen durch beide Seiten, die bis zu Kriegsverbrechen reichen könnten. Das Rote Kreuz zeigte sich in Sorge um die geschätzt bis zu 150.000 Menschen, die sich immer noch im Rebellengebiet aufhalten. "Die Situation ist nichts weniger als katastrophal", sagte Pierre Kraehenbuehl, Einsatzleiter des Internationalen Komittees des Roten Kreuzes am Dienstag in Genf. Hunderte würden getötet oder verletzt und hätten nur einen "minimalen Zugang zu medizinischer Versorgung", sagte er.

Sri Lankas Regierung gab an, bis zum Dienstagabend seien 50.000 Menschen auf Regierungsgebiet geflohen. Die Massenflucht habe umgehend eingesetzt, nachdem die Regierungsarmee am Montag einen großen Erdwall zerstört habe, der den Vormarsch ihrer Soldaten zuvor lange aufgehalten hätte, hieß es aus Kreisen des Verteidigungsministeriums. Nun läuft auch die Propagandamaschinerie beider Konfliktparteien auf Hochtouren. Die Regierung bestritt Vorwürfe der LTTE, wonach beim Vorstoß ihrer Truppen Anfang der Woche 1.000 Zivilisten ums Leben gekommen seien. Sie bezeichnet die Offensive als "Rettungsoperation", da die LTTE die Zivilisten als Geiseln gehalten hätten. Jedoch räumte Brigadegeneral Udaya Nanayakkara, der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Colombo, kürzlich gegenüber der taz ein, viele Angehörige aktiver oder gefallener LTTE-Kader hielten sich bewusst im Rebellengebiet verschanzt. Was sich tatsächlich im Kriegsgebiet abspielt, lässt sich nicht überprüfen. Sri Lankas Regierung lässt keine westlichen Journalisten in den umkämpften Nordosten des Landes. Die Regierung dementierte am Dienstag, vermutlich auf massiven internationalen Druck, sie habe mit einer Entscheidungsschlacht gedroht.

Die Frage, was mit den Flüchtlingen auf Regierungsgebiet geschieht, wird immer drängender. Sie werden in Internierungslager gebracht, zu denen Hilfsorganisationen nur eingeschränkt und Journalisten nur in geführten Pressetouren des Verteidigungsministeriums Zugang haben. Offiziell sollen die Menschen in den Lagern verbleiben, bis ihre Dörfer wiederaufgebaut sind. Zugleich sollen dort LTTE-Anhänger "herausgefiltert" werden, die sich unter die Zivilisten gemischt hätten.

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