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Bürgerbeteiligung in MannheimLieber ein Ponyhof als Kasernen

In Mannheim äußern die Bürger ihre Wünsche zu alten US-Militärflächen. Es wächst die Sorge, dass Großinvestoren in die Kasernen drängen.

Bald ein Bild der Vergangenheit: US-Soldaten in Kasernen in Heidelberg und Mannheim. Bild: dpa

MANNHEIM taz | Riesige Beton- und Grünflächen, darauf unzählige aneinandergereihte Kasernenblöcke und überdimensionierte Lagerhallen. Als Peter Kurz das zum ersten Mal sah, wusste er, dass er handeln muss. Obwohl er Mannheims Oberbürgermeister ist, kannte auch er lange die Ausmaße der Flächen in seiner Stadt nicht.

Es sind die Kasernengebiete der US-Armee, die im baden-württembergischen Mannheim stationiert ist. Doch nur noch bis zum Jahr 2015. Dann will das Pentagon seine Truppen abziehen – und stellt Mannheim damit vor gigantische Herausforderungen.

Es geht um acht militärische Einzelstandorte, insgesamt eine Fläche von über 500 Hektar. Das sind mehr als 500 Fußballfelder. Was also mit den Flächen tun? Diese Frage wollte der Sozialdemokrat Kurz nicht ohne Einbeziehung seiner Bürger klären. Immerhin bestehe die Chance, „ein neues Leitbild der Stadt“ zu entwickeln, so Kurz. Das Problem aber: Die Flächen gehören gar nicht der Stadt. Und so bemüht sich ein Oberbürgermeister um Beteiligung und läuft gleichzeitig Gefahr, genau damit das Vertrauen in Beteiligungsprozesse zu enttäuschen.

Was da alles steht, sei der Wahnsinn, dachte Kurz beim ersten Geländebesuch. Eine Stadt in der Stadt. Auf den Grundstücken gibt es etwa große Sportplätze, eine Bowling-Anlage, ein Jugendzentrum, einen Supermarkt, sogar eine Militärkirche.

Solarparks und Pflegeheime

Was aus diesen Anlagen entstehen könnte, dafür kannte die Fantasie der Mannheimer keine Grenzen. Die Ideen reichten von Ponyhöfen über Solarparks und Legoland bis hin zu Wohnanlagen für Demenzkranke. Die Wirtschaft möchte gerne eine Ingenieursmeile aufbauen, der Musiker und berühmte Sohn der Stadt Xavier Naidoo einen Medienpark.

„Nerven + Machen“

Hugo Hager stellt seinen Transporter mitten auf die Straße, die durch sein Dorf im Wendland führt, um gegen den Lkw-Verkehr zu protestieren. In Berlin demonstriert ein Türke seit sieben Jahren mit Rad und Tröte für sein Wahlrecht. Selbst die Wissenschaft hat den Wutbürger für sich entdeckt. Und in Baden-Württemberg ist die CDU plötzlich für Transparenz.

Ist Bürgerbeteiligung nur was für die Opposition? Wie buchstabiert sich „Partizipation“ im Alltag? „Nerven + machen“ – die taz-Serie zur guten alten Frage: Was tun?

Kurz beauftragte schließlich Konrad Hummel, sich um den Prozess zu kümmern. Der Sozialwissenschaftler war lange Sozialdezernent der Stadt Augsburg und danach für den Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung tätig. Und schon immer begleitete ihn das Thema Bürgerengagement.

In Mannheim hat er Bürger zu Moderatoren, sogenannten Zukunftslotsen, gemacht, die jeweils im Tandem mit einem Vertreter der Verwaltung zusammenarbeiten. Um alle Vorschläge zu erörtern und zu gewichten, veranstaltete Hummel Workshops. Er band Jugendliche ein, weil die heute entwickelten Ideen auch in 20 Jahren noch Sinn machen sollen.

Alles scheint wie im Lehrbuch über Bürgerbeteiligung abzulaufen. Inzwischen gibt es zehn konkrete Projekte, die weiter ausgearbeitet werden. Legoland und Ponyhöfe gehören nicht dazu, weiterverfolgt werden aber etwa die Ingenieursmeile und die Idee, die Bundesgartenschau nach Mannheim zu holen.

Drohender Großinvestor

Doch nun steht die Stadt vor der nächsten Herausforderung. Die Grundstücke werden in die Hände der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) übergehen, die dem Finanzministerium unterstellt ist. Die Bima hat die Aufgabe, die Kassen des Bundes zu füllen. Werden sich letztlich also Investoren die Filetstücke herauspicken? „Baukonzerne, Investmentgesellschaften, Banken wären die Akteure, die Stadtbevölkerung die Zuschauer“, beschreibt Thomas Trüper, Stadtrat der Linkspartei, das Szenario.

Auch die Zukunftslotsen beschleichen diese Bedenken. In einem Gespräch mit dem Konversionsbeauftragten Hummel äußern die Bürger genau diese Sorgen, „dass am Ende doch der Großinvestor kommt“, sagt einer.

„Klar ist unsere Gestaltungsmöglichkeit größer, wenn die Gelände unser Eigentum sind, deshalb wollen wir sie ja auch nach Möglichkeit erwerben“, sagt OB Kurz. Doch schon jetzt sieht er die Stadt durchaus in einer guten Position. „Das Planungsrecht ist uns auf jeden Fall nicht zu nehmen.“ Darüber kann die Stadt die Art der Nutzung festlegen, also ob ein Gebiet etwa als Wohn- oder Gewerbefläche genutzt werden soll. Deshalb werde auch die Bima, so Kurz, bei Verhandlungen mit Dritten auf die Stadt verweisen.

Und letztlich sieht Kurz die Beteiligung auch als eine Art Lernprozess einer Stadtgesellschaft. Und dazu gehöre auch, nachzuvollziehen, „dass es am Ende vielleicht den einen oder anderen Abstrich geben muss“.

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4 Kommentare

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  • K
    Käfertaler

    @ Mannheim-Rheinau

     

    was ich da in ihrem Post über die Bürgerbeteiligung in Mannheim lese entspricht auch meinen Erfahrungen. Die Beteiligungen im Rahmen der Ortskernsanierung in Käfertal verkommen zur Farce. Workshops wurden veranstaltet und was weiß ich noch. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass die Pläne längst in den Schubladen liegen. An die Stelle des Penny-Gebäudes in der Mannheimer Straße soll ein neuer Supermarkt. Mannheim möchte den gerne so groß wie möglich machen, obwohl das hier kein Mensch will oder braucht. Aber klar städtische Fläche verkaufen bringt Geld. Die neuen Parkplätze sollen in den Stempelpark, was rechtlich eigentlich nicht zulässig ist, da es sich hierbei um eine Schenkung handelt, unter der Voraussetzung dass es Parkfläche bleibt. Tja.. die Schenkungsurkunde ist jetzt aber leider „weg“. Komisch... taz ermitteln sie?

  • M
    Mannheimer

    @ quint

     

    Wenn ich mir so deinen Kommentar (oder eher Sam) durchlese, scheinst du auch nicht weiter als bis zur nächsten Ecke zu denken!

     

    Großinvestoren haben Nicht grundsätzlich mit Schaffung von Arbeitsplätzen und schon garnicht mit sicheren, oder gar gut bezahlten Arbeitsplätzen zu tun!

    Außerdem sollten die Bürger bzw. die Stadt selbst entscheiden können was an wen verkauft wird!

     

    Viele Grüße aus Mannheim!

  • Q
    quint

    Ja die pösen Großinvestoren wollen das Gelände Wirtschaftlich nutzen,ja wo kommen wir den da hin, das könnte ja ausversehen Arbeitsplätze schaffen. Das muss verhindert werden. Da hört sich das mit den Ponyhof vernünftig an, hat ja schließlich jeder was davon.

  • M
    Mannheim-Rheinau

    Es gibt auch viele Mannheimer Bürger, die nichts gegen einen Großinvestor haben bzw. sogr darauf hoffen, da im der Bugwelle von Großinvestoren andere mitschwimmen können, die bei solchen naiven Träumen der Gremien nicht länger als 2 Jahre solvent sein werden.

    In allen Ausschüssen und Gremien sitzt eine sehr homogene Gruppe, die ihre Visionen und Ideologien hier umzusetzen hofft. Kritische Stimmen und abweichende Meinungen sind aus zwei Gründen nicht dabei:

    1. Zeitliche Gründe: Ich war Mitglied in einem der Ausschüsse, bis ich mich kritisch zu einigen Ideen äußerte. Plötzlich war es zeitlich nur noch möglich, sich um 14.00 zu treffen. Dass um diese Uhrzeit viele Bürger arbeiten war egal (vielleicht gerade die Bürger, die ein wenig Realität in viele Diskussionen einbringen wollen). Auch andere können sich nicht einbringen, weil sie neben einer 40-50 Stunden Woche noch eine Familie haben, die sie auch gerne sehen wollen.

    2. Inhaltliche Gründe: Alle Gremien wurden von einer gesellschaftlichen Minderheit gekapert, keine Chance für diejenigen, die davon abweichen. Man wurde mundtot gemacht, aus Mail-Verteiler gelöscht, übergangen.

     

    Wenn das die Vorstellung von Bürgerbeteiligung ist, dann gute Nacht. Wenn eine Minderheit sich zur Bürgergesellschaft erklärt und alle abweichenden Meinungen von vorherein übergangen werden, kann ich auch gleich CDU wählen. Das Gehabe der führenden Köpfe in diesen Ausschüssen erinnert ohnehin an die F-J Strauß in seinen dunkelsten Zeiten.