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Bürgerbeteiligung bei StromnetzplanungKritische Kommentare erwünscht

Zum Entwicklungsplan für neue Stromleitungen kann jeder Bürger Stellungnahmen einreichen. Wie die Planer damit umgehen werden, ist bislang noch nicht abzusehen.

Sonnenuntergangsromantik mit Überlandleitung. Bild: dpa

BERLIN taz | Bei der Planung der neuen Stromleitungen können die Bürger ein Wörtchen mitreden. Nachdem die vier Betreiberfirmen des deutschen Hochspannungsnetzes am Mittwoch den ersten Vorschlag zum Netzausbau vorgelegt haben, haben Bürger und Organisationen nun sechs Wochen lang die Möglichkeit, kritische Kommentare einzureichen. Diese erweiterte Bürgerbeteiligung, die Umweltverbände für einen Fortschritt halten, hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossen.

Bei dem Netzentwicklungsplan der Netzbetreiber geht es zunächst nicht um präzise Trassenverläufe, sondern um eine grobe Vorplanung. Der Plan enthält Informationen über die Schwachstellen im Hochspannungsnetz. Außerdem wird zwischen einzelnen geografischen Punkten in Deutschland ein Bedarf für den Bau zusätzlicher Leitungen definiert. Diese sollen beispielsweise den Windstrom von Nord- und Ostsee nach Süddeutschland bringen.

Städte, Landkreise, Firmen, Bürgerinitiativen, aber auch einzelne Einwohner, die sich betroffen fühlen, können nun sechs Wochen lang schriftliche Stellungnahmen an die Betreiber schicken. Informationen dazu finden sich ab Mittwoch auf netzentwicklungsplan.de. Die Firmen müssen die Argumente der Bürger laut Energiewirtschaftsgesetz berücksichtigen. Wie sie das tun, bleibt abzuwarten – das Verfahren findet zum ersten Mal statt und ist bislang ohne Vorbild.

Im Herbst geht die komplizierte Planung des neuen Stromnetzes dann in die zweite Runde. Dann beginnt die Bundesnetzagentur mit dem Genehmigungsverfahren des Netzentwicklungsplanes, der letztlich vom Bundestag beschlossen werden muss. Die Verfahren zur Raumordung und Planfeststellung, die schließlich den genauen Verlauf der Stromtrassen festlegen, finden aufgrund dieser Vorplanung später statt. Auch hier gibt es eine Änderung: Sie werden zum Teil nicht mehr von den Ländern und Kommunen vorgenommen wie bisher. Um zu verhindern, dass die Planungen an Ländergrenzen enden und sich zeitlich verzögern, werden sie einheitlich von der Bundesnetzagentur vorgenommen.

Im Herbst sind die Bürger also wieder zur Stellungnahme aufgerufen, um den Plan der Bundesnetzagentur zu kommentieren. Fraglich ist, ob sie ihre neuen Rechte wahrnehmen. 2011 hatten die Netzbetreiber ihre Schätzung vorgelegt, wie viele Sonnen-, Wind-, Kohle- und Gaskraftwerke Deutschland in zehn Jahren versorgen sollen. Schon zu diesem Vorschlag hätten alle erwachsenen Bundesbürger sich beteiligen können. Tatsächlich gingen aber nur 76 Stellungnahmen bei der Bundesnetzagentur in Bonn ein.

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3 Kommentare

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  • H
    H.Z.

    Hadi Khalil, ich stimme Dir voll zu und wiederhole es nur in verkürzter Form: die Menschen im Süden der Republik wollen keine Stromabhängigkeit vom Norden, sie können ihren Strom auch selber erzeugen. Man muß sie nur lassen. Der Versuch, dort Windräder aufzustellen, scheitert an den meisten Orten durch Verbote. Man frage z.B. nur die Bürger von Wildpoldsried i. Allgäu, wieviel Widerstand sie überwinden mußten, um ihre Windräder aufzustellen.

    Bezüglich Netzausbau (- den eigentlich unnötigen):

    Jetzt auf die hohen Kosten für den anstehenden Netzausbau zu verweisen, ist eine weitere Unverschämtheit des Stromkartells. Bisher kassieren, ohne entsprechend zu investieren, dann für die Versäumnisse in der Vergangenheit dem Bürger abermals in die Tasche zu greifen - toll! Und unsere Regierung singt auch noch das Lied der Stromkonzerne - noch toller!

  • HK
    Hady Khalil

    Mich wundert es nicht, das sich nur wenige an den Einsprüchen beteiligen. Ich hätte eine Idee, wie man das für den Bürger attracktiv machen könnte.

    Wie wäre es wenn jeder seinen Kommentar, den er an die Netzagentur schickt gleichzeitig auf eine öffentliche Plattform ins Internet stellt. Ich fange mal hier damit an:

    Ich lehne den Netzentwicklungsplan ab und obwohl ich ihn mir gar nicht angesehen habe. Ich lehne ihn deshalb ab, weil die Interessen der Bürger dabei nicht genügend berügsichtigt wurden. Der Bürger in Bayern zum Beispiel hat ein Interesse an einer regionalen, möglichst autarken Energieversorgung. Der Bürger in Bayern will sich nicht von irgendwelchen „nordländischen „ Energiekonzernen abhängig machen, sondern selbst bestimmen über das Grundnahrungsmittel Stromversorgung. Bei der grossflächigen Planung scheinen mir z.B. die neuen Technologien, von neuen intelligenten Energieverbundnetzen zu wenig berücksichtigt. Bei Nutzung dieser effizientesten Möglichkeit der Energieverteilung und Einsparung macht ja vielleicht viele Starkstromtrassen unnötig.

    Bei der Energiewende geht es nicht nur um die Verteilung von viel Geld an vier grosse Energiekonzerne, ondern ein Zukunftsfestes Modell unserer Energieversorgung. Ich sehe gar nicht ein, warum wir unser förderales System bei der Versorgung mit einem Grundnahrungsmittel dem wohl und wehe grosser Energiekonzerne überlassen sollen. So funktioniert der Kapitalismus, die Konzerne möchten möglichst den ganzen Kuchen haben und geben sich mit weniger nicht zufrieden. Politik aber vertritt die Interessen der Bürger und gerade in Zukunftsfragen darf die Politik ihre Verantwortung nicht an die Wirtschaft abgeben. Ich bin ein Gegner ausufernden Schuldenmachens des Staates. Bei perspektivischer Ausrichtung eines ganzen Landes, kann der Staat aber gar nicht genug Geld in die Hand nehmen, bei effizenten wirtschaften damit. Bei allen solchen Zukunftsinvestitionen, wird unsere Zukunft, werden unsere Kinder und Enkel sagen, habt ihr gut gemacht.

  • G
    Gerold

    Wenn die deutsche Industrie unbedingt Aufträge braucht:

    Baut doch unterirdische Hochspannungsleitungen. Das ist technisch inzwischen problemlos realisierbar. Nicht nur die optische auch die umstrittene elektromagnetische Belastung sinkt durch eine Erdverlegung. Die höheren Baukosten rechnen sich mit der Zeit durch die geringeren Unterhaltskosten, die praktisch nicht vorhanden sind, weil Wind und Wetter den Erdleitern nichts anhaben kann.