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Bürgerbeteiligung bei StadionumbauFolgenlose Demokratie

Die Stadt Braunschweig will das "Eintracht-Stadion" aufhübschen. Dem Geldausgeben vorausgehen soll eine Bürgerbeteiligung - allerdings unverbindlich.

Darum gehts: Luftaufnahme des Stadions in Braunschweig. Bild: dpa

BRAUNSCHWEIG taz | Ein paar versprengte Grüne verteilen vor der Stadthalle ein müdes Info-Blatt. Vorbei an der Security, rauf in den ersten Stock: Einwohnerversammlung zum Ausbau des Eintracht-Stadions. Indes: Was von der Lokalpolitik zu Braunschweigs "Stuttgart 21" hochstilisiert wird, will an diesem Abend nicht recht an kontroverser Fahrt aufnehmen.

Sicher: Es ist die erste Bürgerbefragung zu einem örtlichen Bauvorhaben. Aber Oberbürgermeister Gert Hoffmann stellte gleich in seiner Einführung klar: bei juristisch komplexen Themen, vergleiche etwa die Überbauung des Schlossparks mit einem Einkaufscenter, schließe die niedersächsische Gemeindeordnung derartige Plebiszite aus. Bindend sei das Bürgervotum jetzt auch nicht. Was also steht da überhaupt zur Abstimmung?

Die Stadt Braunschweig besitzt seit 1981 ein Stadion, das sie aus der Konkursmasse des Fußballvereins Eintracht Braunschweig übernahm. Seit 2008 trägt dieses wieder den Namen "Eintracht-Stadion", denn: "Braunschweig träumt von 1967", so ist es an diesem Abend mehrfach zu hören. Da wurde der besagte Fußballverein Deutscher Meister. Nun gibt es einen weiteren Ex-Meister samt schmucker Arena 35 Kilometer weiter östlich: in Wolfsburg. Und die Eintracht ist derzeit Drittligist.

Schon länger will die Kommune das sanierungsbedürftige Stadion aufpeppen. Seit 2006 liegt, nach einem Architektenwettbewerb, eine Gesamtplanung des örtlichen Büros Schulitz und Partner vor. Teile davon, wie die Erweiterung um gut 1.000 auf nun insgesamt 25.540 Plätze oder auch die Überdachung der Nordkurve, wurden umgesetzt, insgesamt 7,6 Millionen Euro investiert. Jetzt ist der zentrale Bereich an der Reihe: die Westtribüne mit dem Vorplatz an der Zugangsseite.

Wie anderswo auch soll das Stadion nun sogenannte Business Seats, rund 1.000 Ehren- und Sponsoren- sowie 248 Logenplätze erhalten, eingebettet in einen Gastronomiebereich. Diese kommunale Subventionierung eines privatwirtschaftlich betriebenen Fußballvereins kann man heikel finden. Im Falle Hannovers billigte die EU-Kommission vor einigen Jahren das Modell eines öffentlich bezuschussten Stadionausbaus, weil dort nicht nur ein Verein exklusiver Nutzer ist und die Betreiber nach transparenten Grundsätzen ausgewählt worden seien. Das trifft, mit etwas anderer Sachlage, auch für Braunschweig zu: Neben den Fußballern der Eintracht nutzen auch der Footballclub Lions und gelegentliche Leichtathletik-Veranstaltungen das Stadion.

Trotzdem bleibt ein Beigeschmack: Es ist diese provinziell klüngelnde Nähe von mittelprächtig sportlicher Leistung, wirtschaftlicher Beziehungspflege am Spielfeldrand und lokaler Politik, in der auch die Opposition nicht recht als solche erkennbar ist. Im Juni 2010 senkte der Verwaltungsausschuss schon mal die jährliche Pacht, die die Eintracht für die Nutzung des Stadions zu entrichten hat, von 524.000 Euro auf 285.000 Euro gesenkt.

Und so werden nun wohl auch 14,5 Millionen Euro in das Stadion investiert. Davon gehen je rund 2 Millionen in den Gastronomiebereich und die Rohbauten der Logen, die durch die Sponsoren dann auf eigene Kosten weiter ausgebaut werden müssen.

Aber weder Baukosten noch Planungen und Finanzierungsmodalitäten sollten in einer Demokratie sakrosankt sein. So bleibt die jetzige Bürgerbefragung nur eine taktisch äußerst geschickt eingefädelte Imagekampagne für den OB. Nichts anderes zeigte die Veranstaltung am Dienstag in der Stadthalle.

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13 Kommentare

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  • JS
    Jimmy Snooker
  • B
    Braunschweigen

    Die Umfrage - eine unnötige, teure und fragwürdige Farce

     

    Die Entscheidung für den Ausbau hätte, wie sich bereits die ansässigen Fans in einem Protestschreiben an den Braunschweiger OB (CDU) gewendet hatten, mehrheitlich im Rat beschlossen werden können - auch ohne Umfrage, die nun geschickt von der dortigen CDU ins Volk gebracht werden soll. Den Ausbau hatten OB als auch seine Partei versprochen, dann zuerst zurückgestellt und nun darüber eine Befragung vorgezogen. Versprochen ist eben nicht versprochen. Die Fans zeigten sich mit Recht empört.

     

    Auch hieß es von Herrn Sehrt (CDU), dass diese Umfrage keinefalls verbindlich sei.

    Dann wurde diese Aussage schnell wieder zurück gezogen und berichtigt. Jetzt soll das Ergebnis doch verbindlich sein. Die Weblöwen-Fans, die auf einen mehrheitlich möglichen Ratsbeschluss zur Befürwortung des Stadionausbaues pochen wollten, machen nun gute Miene zum bösen Spiel und sprechen sich zwangsläufig in offensichtlicher Ermangelung einer Alternative aus dieser pseudodemokratischen CDU-Umfrageaktion wieder heraus zu kommen, nun sogar für die Teilnahme an dieser Pseudo-Befragung aus. Welche Provinzposse!

     

    Dabei geht völlig unter, dass sich die verantwortlichen Braunschweiger Politiker mal wieder erfolgreich vor ihren Versprechen gedrückt haben. Und selbst wenn der Ausbau dreimal so teuer wird, wie jetzt angekündigt, wird der OB als Sieger hervorgehen, denn er wird den Bürgern sagen können, seht selbst, ihr habt an der Umfrage mitgemacht und zugestimmt und wolltet somit auch die Teuerung. Und das will sich demokratisch nennen.

  • B
    Bernd

    Soviel Blödsinn in einem Artikel habe ich noch nie vorher gelesen. Respekt BETTINA MARIA BROSOWSKI.

    Ich hoffe das die Bürger für den Ausbau stimmen. Eintracht und die Stadt haben es verdient.

    Pro Stadionausbau!!!!

  • C
    Carsten

    Ich sehe grade, dass die taz den faux pas mit dem Walter statt Gert berichtigt hat.

     

    Wäre schön wenn an dem Text stehen würde das er im Laufe des Tages geändert wurde. Werden sonst auch Textinhalte ohne Hinweis manipuliert?

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Nachdem wir den ersten Hinweis auf dem im Text falsch genannten Bürgermeister bekommen hatten, haben wir den Namen natürlich sofort geändert. Den faux pas bitten wir zu entschuldigen.

  • F
    fussballfan

    Stadionausbau, Bürgerabstimmung und VIP-Logen

    wer sich unbedingt um das Gemeinschaftserlebniss

    " eintrachtsieg " bringen will,und sich hinter Glas

    die Atmosphäre verwässern lassen will,dem ist nicht

    zu helfen.

    Auch der "Edelfan" kann sich durch entsprechende Kleidung gegen Wind und Wetter schützen,und direkt

    mit der echten Fangemeinde die Erfolge feieren.

    Und falls es doch, speziell für die Damen,etwas

    zu kühl werden sollte, kann doch nach dem Spiel

    dafür gesorgt werden, betroffene Körperregionen wieder auf Temperatur zu bringen

    Wer über den Eintrittspreis hinaus mehr bezahlen

    möchte,der kann doch Spenden,nach oben sind keine

    Grenzen gesetzt.

  • S
    Schröd

    Mit rasendem Puls sollte man diesen Artikel wohl nicht kommentieren. Diese zum größten Teil völlig haltlosen Argumente sind auch schon ausreichend kommentiert worden. Das allerdings ein solches Fachblatt eine ihrer Praktikantinnen Artikel veröffentlichen lässt ist schon erstaunlich. Folgender Satz hat mich faziniert: "provinziell klüngelnde Nähe von mittelprächtig sportlicher Leistung". In dieses Stadion pilgern alle 2 Wochen mehr Menschen als bei 15 2. Ligisten, oder anders gesagt, es ist das 25 bestbesuchteste Fußballstadion Deutschlands!!!

    Setzen 6 und eine neue Praktikantenstelle suchen. Vielleicht bei Schalke 05 ;-).

  • CH
    Christian Harten

    "Diese kommunale Subventionierung eines privatwirtschaftlich betriebenen Fußballvereins kann man heikel finden."

     

    Absolut nicht. Die Profiußball-Abteilung wurde zwar ausgegliedert, gehört aber immer noch voll u. ganz dem eingetragenen Verein.

     

    Außerdem generiert ein zeitgemäßes Stadion nicht nur Mehreinnahmen durch das attraktivere Angebot, es schafft in diesem Falle auch mehr (bzw. endlich mal) Raum für soziokulturelles Leben. Auch unterhalb der Woche.

     

    Die Haupttribüne des städtischen Stadion hat bauliche u. sicherheitstechnische Mängel, entspricht weder der Arbeits- noch der Versammlungsstättenverordnung, noch dürften DFB/DFL begeistert sein weitere Ausnahmegenehmigungen für den Spielbetrieb zu machen.

    Lieber einmalig 14,5 Mio € ausgeben u. alles richtig machen für die nächsten 20 Jahre. Oder aber jahrelanges flickwerken welches am Ende teurer ist, da öfter Aufwand betrieben werden muss.

     

    Hätte sich der Verfasser des Artikels mal bissl besser informiert, z.B. bei

    http://stadionmodernisierung.wordpress.com/

    wäre vielleicht ein objektiverer Bericht bei rausgekommen.

     

    Es gibt keine logische Alternative dazu. Ansonsten versickert das Geld in Rücklagen für etwaige schlechte Zeiten, das Rathaus wird saniert oder irgendwo für nen Verkehrskreisel u. Autobahnabfahrten genutzt.

     

     

    - PRO Stadionmodernisierung! Jetzt! -

  • T
    Thomas

    Also als Münsteraner bin ich schlecht recherchierende Tagesteitungen gewohnt. Dass jetzt aber auch die TAZ ein solch niedriges Niveau anbietet, enttäuscht mich dann doch. Zu einigen Punkten haben die Leserkommentare über mir ja schon Stellung genommen. Aber dass z.B. de Schreiber anscheinend keinen Einzigen der beteiligten interviewt hat, möchte ich auch noch erwähnen. Hinzu kommt, dass Hinweise auf die Bedeutung, die die - nach wie vor deutschlandweit vorhandene - Strahlkraft der "Marke Eintarcht" für die Stadt Braunschweig hat. Als Touristiker kann ich nur sagen: für das Stadtmarketing und als sog. weicher Standortfaktor ist Eintracht nach wie vor Gold wert. Die Braunschweiger wären dumm, diesem Aushängeschild die Chance auf Weiterentwicklung zu verbauen.

  • BN
    Bruno Niehoff

    Ist es eine Bürgerbefragung? Nein, es ist ein Trick. Stell eine Frage, von der du weißt, dass du die Antwort bekommst, die du dir erhoffst. Dann ist man natürlich gegen eine Befragung bei der Schließung von Stadtteilschwimmbädern, sondern stellt die Frage nach dem Stadionumbau (wobei ein Teil Sanierung ist, die so oder so durchgeführt werden müsste) für den sehr populären Fußballverein. Eine sehr geschickt inszenierte Imagekampagne für den Oberbürgermeister und eine Eröffnung des Kommunalwahlkampfes auf Kosten des Steuerzahlers.

     

    Es ist ein Braunschweiger Possenspiel, dass hier auf offener städtischer Bühne aufgeführt wird. Mit zugegeben erstklassigen Regisseuren und Darstellern. Wenn auch manche Darsteller zwangsverpflichtet wurden, wie der Fußballverein selbst und die sportlichen Akteure, die vor den kommunalpolitischen Karren gespannt wurden.

     

    Man muss also kein Prophet sein um vorauszusagen, dass es ein positives Bürgervotum für den Stadionausbau geben wird.

     

    Ich werde trotzdem hingehen und abstimmen. Ich werde auch dafür werben, dass möglichst viele hingehen und es ist mir egal, wie sie abstimmen. Diese Bürgerbefragung darf nicht (was leider zu befürchten ist) ergeben, dass die Wahlbeteiligung sehr gering ist. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wir sollten die Kommunalpolitiker bei Wort nehmen und für die Zukunft ernsthafte Bürgerbeteiligung in Braunschweig einfordern.

  • H
    Hannoveraner

    Ein sehr schlechter Artikel. Wer nicht mal den Namen des Oberbürgermeisters richtig schreiben kann...

  • T
    Teerfederfass

    Die Senkung der Pacht wird hier als Gefälligkeit dargestellt.

    Richtig ist, dass die Eintracht die zweithöchste Stadionmiete in den ersten drei Ligen gezahlt hatte.

    Nur zwei Vereine lagen über 500.000 € alle anderen bewegten sich überwiegend zwischen 100.000 und 200.000 €.

    Insofern ist hier ausschliesslich ein starker Wettbewerbsnachteil korrigiert worden.

    Stadien gehören zu den öffentlichen Aufgaben wenn sie multifunktional genutzt werden, selbst wenn dort nur Fußball gespielt würde, wäre dies angesichts der Massen die dies anzieht mindestens genauso wichtig wie Theater, Stadthallen und Bäder.

    Das Staatstheater in Braunschweig kostet die Stadt jedes Jahr zwischen 8 und 9 Millionen Euro.

  • C
    Carsten

    Hm, da ich bei der genannten Veranstaltung war und Bürger in Braunschweig bin, kann ich ja mal ein paar Berichtigungen schreiben.

     

    1) Man kann von unserem OB Hoffmann halten was man will, aber er heißt nicht Walter, sondern Gert. Bei der entsprechenden Aussage wurde das niedrige Niveau des Artikels erreicht und danach nicht mehr verlassen.

     

    2) Ja, die Befragung ist nicht rechtlich notwendig, der Rat wird sich aber an das Ergebnis halten. Die Fraktionen haben das beschlossen. Schön, dass der Souverän direkt gefragt wird. Was soll man dagegen sagen?

     

    3) ... Was von der Lokalpolitik zu Braunschweigs "Stuttgart 21" hochstilisiert... Von wem? An dem Abend hat der OB in einem Nebensatz Stuttgart erwähnt und damit den Schritt zu einer Befragung gerechtfertigt. Vielleicht versuchen das Gegner aufzubauschen.

     

    4) ...So bleibt die jetzige Bürgerbefragung nur eine taktisch äußerst geschickt eingefädelte Imagekampagne für den OB... Warum? Jeder (!) konnte hingehen und kritische Fragen stellen. Wenn die Gegner lieber zuhause bleiben, sind sie selber schuld.

     

    Ich bin für den Ausbau, weil eine Stadt wie Braunschweig ein attraktives Stadion benötigt. Zu den Spieltagen der Eintracht kommen 15.000 Leute die angesichts der Bausubstanz in Depression verfallen. Auch die Lions und die gelegentlichen Veranstalter wünschen sich ein besseres Umfeld.

  • E
    Eintrachtfan

    Der OB heißt Gert Hoffmann und nicht Walter Hoffmann. Außerdem hat die Stadt das Stadion nicht aus der Konkursmasse gekauft, sondern hat den Konkurs durch den Kauf verhindert. Bei solchen Fehlern: Wie soll man denn dem Rest vertrauen?