Bürgerbegehren zur Kastanienallee floppt: Mit großem Elan abgetaucht
Die Intitative Stoppt K21 erscheint nicht zur vereinbarten Unterschriftenübergabe im Bezirksamt. Ehemalige Mitstreiter beschimpfen sich.
"Ach", sagt Dr. Motte, "das ist ja eine überraschende Wendung." "Ach", sagt Till Harter, "das war doch von Anfang an klar." "Ach", sagt Michael Mittelbach, "da müssen sie den Matthias Aberle fragen." Doch Aberle sagt nichts.
Aberle ist der Kopf der Bürgerinitiative Stoppt K21. Motte, Harter und Mittelbach waren seine Mitstreiter. Gemeinsam lehnten sie den Umbau der Kastanienallee in Prenzlauer Berg ab. Die Flaniermeile bekommt eigene Fahrradspuren, auch damit die Tram schneller durchkommt. Dafür aber müssen die Parkplätze auf die bisher breiten Bürgersteige verlegt werden. Das war bei Anwohnern und Gewerbetreibenden auf heftige Kritik gestoßen.
Per Bürgerbegehren wollten sie die Pläne von Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) stoppen. Sechs Monate hatte sie Zeit, um die notwendigen 8.736 Unterschriften von wahlberechtigten Pankowern zu sammeln. Am Mittwochabend sollten die Bögen dem Bezirksamt übergeben werden. So hat es Aberle auf der Kampagnenseite bei Facebook angekündigt. Stadtrat Kirchner stand bereit. Nur von der Initiative kam niemand.
Die hat sich offenbar längst zerlegt. Aberle ist abgetaucht. Er geht nicht mal ans Telefon. Der Loveparade-Erfinder DJ Dr. Motte, stets prominentes Gesicht auf den Demos, sagt nun, er sei nur "Supporter" der Initiative gewesen. Till Harter, Chef der an der Straße liegenden Bar 103, kann auch nicht weiterhelfen. Er habe Stoppt K21 lange mitgetragen, "aber nur bis zur Abgeordnetenhauswahl". Schon da sei abzusehen gewesen, dass die Hürde nicht geknackt werde. Zuletzt hatte die Piratenpartei das Bürgerbegehren retten wollen. Doch Michael Mittelbach, Vorsitzender der Piratenfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, kann auch nur sagen, dass vor drei Wochen noch 3.000 Unterschriften gefehlt haben. Weitere K21-Gegner beschimpfen sich auf Facebook gegenseitig als Sektierer, die Unterschriftenbögen weggeschmissen oder Spenden unterschlagen haben sollen. Die Kastanienallee wird derweil wie geplant umgebaut. Stadtrat Kirchner geht davon aus, dass alles Ende 2012 fertig ist.
Theoretisch können die Unterschriften auch noch nächste Woche abgegeben werden. Oder nächstes Jahr. Dann müssten sie geprüft werden. Aber an einen Erfolg glaubt offensichtlich niemand mehr. "Es war unrealistisch, für so eine kleine Straße einen ganzen Bezirk zu gewinnen", sagt Harter. Ihm sei es in erster Linie um den politischen Preis für die Verantwortlichen gegangen.
Der lässt sich bei genauem Hinschauen in der Wahlstatistik vom 18. September finden. Die Wahllokale rund um die Kastanienallee sind die wohl stadtweit einzigen, in denen die Grünen bei der Parlamentswahl Stimmen verloren haben. Stärkste Partei blieben sie in ihrer Hochburg dennoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr