: Bücher zu Staubsaugern
■ Im Gespräch: Förderpreisträger Jens Sparschuh über die Zeugen Jehovas, Staubsaugervertreter und deutschen Humor
Jens Sparschuh aus Berlin-Pankow wurde für „Der Zimmerspringbrunnen“ ausgezeichnet. Bevor er zum Schreiben kam, studierte der Autor in Leningrad Philosophie, unter anderem Geschichte der Logik. In dem „Heimatroman“ bemüht sich der arbeitslose Hinrich Lobek nach der Wende als Vertreter für Zimmerspringbrunnen wieder Fuß zu fassen.
taz: Haben Sie oft Vertreterbesuch?
Jens Sparschuh: Ja. Im Osten herrscht ja noch diese Goldgräber stimmung. Da werden die Claims abgesteckt.
Lassen Sie die Leute rein?
Fast immer. Ich sehe dann, was für Fehler im Verkaufsgespräch gemacht werden. In den ersten zehn Sekunden entscheidet sich alles. Zuletzt war ein Duo von den Zeugen Jehovas da. Ich habe allerdings Abstand gewahrt. Es gibt einen etwas unhöflichen Trick. Man läßt die Hände in den Hosentaschen. Damit erstickt man alle Versuche, etwas zu unterschreiben oder Broschüren in Empfang zu nehmen.
Wie sind Sie eigentlich gerade auf dieses Milieu gekommen?
Ich war mal ein paar Wochen im Schwarzwald und wohnte in so kleinen Hotels. Und am Abend war ich dann immer von diesen Vertretern umgeben, die den Tag über versuchten, irgend etwas zu verkaufen. Diese Verkaufssituation ist schon ein archaischer Akt für diese marktwirtschaftlich Gesellschaft. Und jetzt schaue ich mich manchmal bei den Lesereisen so an und denke: Ich bin selbst solch eine Art Vertreter geworden. Nur daß ich statt Staubsauger Bücher verkaufe.
Sie haben mal gesagt, daß Ihre Bücher für den Urlaub oder den Intercity gedacht sind. Ist das Ihr Ernst?
Also wenn ich mich beobachte, wo ich wirklich und mit Konzentration Bücher lese, dann im Zug oder im Urlaub. Das klingt das vielleicht nach Understatement, aber eigentlich ist es eine Top-Adresse.
Der leichte Ton hat in der deutschen Literatur keine große Tradition, wie kommen sie dazu?
Ich habe mal beschlossen, nur noch die Bücher zu schreiben, die ich auch selbst gern lese. Und mit der Gegenwartsliteratur, die mir ständig die kalte Schulter zeigt, habe ich meine Schwierigkeiten. Ich will ein Stück Schulter sehen. – Damit wir uns nicht falsch verstehen, gegen solche Knaller der Unterhaltungsliteratur wie James Joyce oder Franz Kafka ist natürlich nichts zu sagen.
Viele ihrer Zeitgenossen scheinen auf die Wende doch weniger mit Humor, als vielmehr mit der Neuauflage der deutschen Innerlichkeit zu reagieren.
Das hört sich ja so an, als ob der Witz etwas äußerliches sei. Doch tiefer,als die Traurigkeit liegt im Menschen doch das ingrimmige Lachen. Walter Mehring hat schon zu Kurt Tucholsky gesagt, man dürfe in Deutschland keine Satire ohne Gebrauchsanweisung herausgeben. Das ist ein nationales Problem. Denn die Unterscheidung zwischen E-Literatur und U-Literatur, die gibt es in anderen Ländern gar nicht.
Was würden Sie denn als Gebrauchsanweisung für Ihre Bücher mitgeben?
Frei nach Hegel: Das Wesen erscheint und die Erscheinung ist wichtig. Fragen: Susanne Raubold
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