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Buddhismus"Mönche entscheiden über Nonnen"

Sind buddhistische Nonnen bald gleichberechtigt? Der Dalai Lama äußert sich frauenfreundlich. Doch die Entscheidung trifft ein Männergremium, beklagt Religionswissenschaftlerin Herrmann-Pfandt

Männlich oder weiblich - Nachwuchsbuddhisten wird der Kopf geschoren Bild: ap

taz: Frau Herrmann-Pfandt, in Hamburg sprach sich der Dalai Lama jetzt dafür aus, dass tibetische Buddhistinnen Nonnen werden können, mit gleichen Rechten wie die Mönche. Ist das mehr als eine unverbindliche Bekundung guten Willens?

Adelheid Herrmann-Pfandt: Dass sich der Dalai Lama ohne Wenn und Aber hinter die Nonnenordination stellt - das ist schon ein Erfolg. Es hat auch einen Symbolgehalt, wenn sich die höchste Autorität einer traditionellen Religion für die Gleichstellung der Frauen ausspricht.

Im Interview: 

ADELHEID HERRMANN-PFANDT, 51 Jahre, ist Privatdozentin für Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt "indotibetischer Buddhismus" an der Universität Marburg. Bei ihrer Arbeit untersuchte sie immer wieder auch die Stellung der Frauen. Zurzeit leitet sie die Vorbereitungen zur einer Sonderausstellung "Tibet in Marburg".

Dalai Lama: gleiche Rechte für Nonnen

Am Wochenende beendet der Dalai Lama, geistliches Oberhaupt der Tibeter, seinen Besuch in Deutschland. Besonderes Interesse erregten seine Aussagen zur Stellung der Frau: "Frauen haben genauso die Fähigkeit, das höchste Ziel von Buddhas Lehren zu erlangen", sagte er in Hamburg. Er sprach sich dafür aus, Nonnen die gleichen Rechte wie Mönchen zu geben. Derzeit können Frauen im tibetischen Buddhismus nur Novizinnen werden, keine voll ordinierte Nonnen. Die lang ersehnte Entscheidung, wie die Ordination erfolgen soll, ließ der Dalai Lama offen. Er verwies auf eine Mönchskonferenz, die im Winter in Indien stattfinden soll.

Einige Zuhörerinnen aber waren enttäuscht, weil der Dalai Lama die eigentliche Entscheidung einer Mönchskonferenz überlassen will.

Es ist folgerichtig, dass der Dalai Lama in dieser Frage ein Gremium einberuft. Er sieht sich ja als Demokrat, nicht als Alleinherrscher. Bedenklich aber finde ich, dass der Konferenz nur Mönche angehören sollen. Männer entscheiden, was Frauen tun dürfen - die bekannte patriarchale Praxis. Ich traue dem Dalai Lama aber zu, dass er die Entscheidung in die richtige Richtung treibt.

Ist der Buddhismus traditionell wenig frauenfreundlich?

Dass der Dalai Lama sich jetzt so frauenfreundlich äußert, ist sicher nicht allein dem tibetischen Buddhismus zu verdanken. Das entspringt nicht zuletzt der Auseinandersetzung mit der westlichen Kultur. Volle Gleichberechtigung hat es im tibetischen Buddhismus nie gegeben. Die relativ starke Stellung der Frau, die der Buddha vorgesehen hatte, haben seine Nachfolger schnell wieder zurückgenommen. Lange galt die Lehre, dass eine Frau erst als Mann wiedergeboren werden muss, um Erleuchtung zu erlangen. Dieses Denken dauert fort. Wenn ein Mann Mönch wird, gilt das als große Leistung. Wenn eine Frau ins Kloster geht, wird eher gefragt, wovor sie sich drückt. Oft tauchen Vorurteile auf, die wir auch aus der christlichen Tradition kennen: dass Frauen emotionaler seien als Männer, nicht so gut logisch denken könnten. Auch deshalb erschien vielen Funktionsträgern die volle Teilhabe der Nonnen am intellektuellen Leben bisher als wenig wünschenswert.

Ist es da nicht verwunderlich, dass westliche, emanzipierte Frauen so oft vom Buddhismus fasziniert sind?

Na ja, die Frauendiskriminierung ist ja keine Spezialität des Buddhismus. Hinzu kommt, dass die buddhistische Lehre in wesentlichen Teilen geschlechtsneutral ist. Und eines schätze ich an den buddhistischen Mönchen sehr: Sie sind in der Regel bereit, sich mit Kritik auseinanderzusetzen. Sie sehen, anders als etwa der Papst, die traditionelle Geschlechterhierarchie nicht als gottgegeben und unveränderlich an. Die Ersten, die die geltende Praxis hinterfragt haben, waren übrigens Westlerinnen. Sie wollten in der buddhistischen Gemeinschaft aufsteigen - und waren überrascht, wie schnell sie an Grenzen stießen.

Haben viele Westler ein idealisiertes Bild des Buddhismus?

Ja, sicher. Gern vergessen wird etwa, dass lange der Grundsatz galt: Eine Nonne darf einen Mönch nicht unterrichten. De facto hieß das: Wenn Männer diskutieren, müssen die Frauen schweigen. Frauen waren ausgeschlossen aus den intellektuellen Debatten.

Ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Neuerungen auch wirklich eingeführt werden?

Ich bin da verhalten optimistisch. Der Dalai Lama ist ja nicht irgendwer. Sein Wort hat riesiges Gewicht. Auch Mönche, die weit konservativer denken, tun sich schwer, ihm zu widersprechen. Wichtig ist, dass es einige Pionierinnen gibt, die sich für die Nonnen engagieren. Wenn die Rolle der Nonnen aufgewertet wird, stärkt das die gesellschaftliche Stellung aller Frauen.

INTERVIEW: COSIMA SCHMITT

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