Buchvorstellung von Boris Becker: Eine Tennis-Ikone in ganz klein
Boris Becker hat seine Gefängniserfahrungen aufgeschrieben. Er berichtet vom brutalen Alltag, aber auch davon, wie er künftig gesehen werden möchte.

Klein ist er geworden, der Boris Becker, so präsentiert er sich. Einen kleinen roten Teppich hat man dem Tennisweltstar hingelegt. Ins Berliner Kino Delphi ist er am Donnerstagabend gekommen, um „Inside“ vorzustellen, sein neues Buch.
Es handelt von seiner Zeit in englischen Gefängnissen. 231 Tage war er da. Klein waren die Zellen dort, klein die Betten. Davon berichtet er an diesem Abend, den der Ullstein-Verlag organisiert hat.
Das Delphi ist ein Berliner Off-Kino, eines der größten zwar, aber doch eines, das sich bewusst von Mainstream und Blockbustern absetzen möchte. Hier fährt Becker vor, steigt aus mit Frau, mit Sohn, mit Schwester und Neffe und Nichte. Promis sind nicht da. Einzig der Name von Beckers Ehefrau deutet Grandezza an: Lilian de Carvalho Monteiro.
Warum dieses Buch? „Ich bin es leid, von Leuten beurteilt, verurteilt zu werden“, sagt er. Und es sei eine Art Therapie, „ins eigene Gewissen gehen“. Doch ein bisschen relativierend erklärt er sein Urteil, das englische Insolvenzrecht sei schwierig, und weil er ja was zum Leben brauchte, habe er sich Geld aus seiner insolventen Firma geholt. „Das war mein Verbrechen.“ So sei er in den Knast gekommen. „Ohne meinen Wimbledon-Sieg 1985 wäre ich nicht im Gefängnis gelandet.“
Weg von Wimbledon in den Knast
Äußert Becker diesen Satz über seinen Prozess, klingt er wie eine Verschwörungstheorie. In anderem Zusammenhang erhält dieser Gedanke jedoch eine andere Bedeutung. „Wäre ich nicht grenzenlos, hätte ich nicht Wimbledon gewonnen“, meint er. Wer als 17-Jähriger siegesbewusst in ein Wimbledon-Finale gehe, akzeptiere doch keine Grenzen. Aber: „Diese Grenzenlosigkeit hat mich ins Gefängnis gebracht.“
Dort habe man nicht gewusst, wer er sei. „Das war meine Rettung.“ Als er später als Kloputzer arbeitete, sei im Fernsehen gerade Wimbledon gelaufen. In Novak Đokovićs Box saßen Lilian und sein Sohn Noah. Moment mal, hätten die Mitgefangenen gesagt, als sie Lilian sahen, „die Alte war doch letzte Woche hier im Gefängnis“. Da sei die Anerkennung gestiegen.
Überhaupt Race. „Hautfarbe spielt in englischen Gefängnissen eine große Rolle. Die Schwarzen halten zusammen, die Nazis halten zusammen.“ Ein Mitgefangener, mit dem Becker sich anfreundete, hat karibische Wurzeln. Als er zusammen mit Becker im Besuchsraum des Gefängnisses war und Lilian sah, habe ihn das beeindruckt: „dass dieser extrem Weiße Deutsche Dschungelfieber hat“. So hat er sich wirklich ausgedrückt. Ein anderer Mithäftling aus Laos hatte lange in Hamburg gelebt und daher seine Beziehungsgeschichte gekannt. Er habe ihm erklärt: „Deswegen beschütze ich dich.“
Becker legt Wert darauf, aus eigener Kraft respektiert worden zu sein. „Wir hatten einen Schachklub“, erzählt er, und viele hätten mitbekommen, dass er ganz gut spielt. Eine Gruppe von Rumänen und Albanern habe ihn aufgefordert, zu ihnen zu kommen. „Wir können nicht gut lesen und schreiben“, sagten sie. Becker las ihnen Briefe vor und schrieb für sie. So wurde er beschützt. Sogar Lehrer wurde Boris Becker. Für wenige Wochen etwa unterrichtete er Mitgefangene in Mathematik und, tatsächlich, in Englisch.
Gehäutet aus dem Gefängnis
„Wir sind alle gleich.“ Der Knastalltag habe sie alle klein gemacht. „Es wird vergewaltigt in den Duschen“, hat er erlebt. Ein gefährlicher Moment sei immer, wenn man in der Kantine das Essen hole. Einmal sei er angegriffen worden, Mitgefangene seien dazwischen gegangen.
Doch er beharrt darauf: Nicht seine Prominenz habe ihn geschützt. So ganz kann man das nicht glauben. An anderer Stelle berichtet er von einem Häftling, mit dem er sich anfreundete und der Cristiano-Ronaldo-Fan war. Becker erzählte ihm von persönlichen Begegnungen mit dem Fußballstar. Das beeindruckte den Mann. Aber, so macht sich Becker schnell wieder klein, man dürfe ja nicht mit solchen Geschichten prahlen.
Ob er etwa als Gewinner, als Sieger aus dem Gefängnis gekommen sei, wird er gefragt. „Ich habe mich gehäutet“, lautet die Antwort. „Ich habe wieder die Mentalität des Tennisspielers.“ Dann fügt er hinzu: „Das Gefängnis tat mir gut, es hat mich gereinigt.“
Nach Deutschland kehrte er, „klassisch BB“ (Boris Becker), mit dem Privatflugzeug eines Freundes zurück. Ein Bier und eine Pizza waren seine erste Nahrung. „Ich habe gelernt, die kleinen Dinge zu schätzen.“ Die erste Nacht habe er in einem sehr kleinen Apartment verbracht, doch für ihn sei es eine wirklich große Wohnung gewesen. Es war ein Penthouse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologin über AfD
„Rechte Themen zu übernehmen, funktioniert nicht“
Die IG Metall und das Verbrenner-Aus
Gewerkschaft gegen Klimaziele
Attentat auf Charlie Kirk
Ein Spektakel der Gewalt
Humanitäre Lage in Gaza
Auch wo es Nutella gibt, hungern Menschen
Diskussion um Wehrdienst
Doppelte Solidarität
Köln wählt am Sonntag
Eine Grüne, die bei Linken beliebt ist