■ Buchtip: Der Berg ruft
Warum inspiriert die Bergwelt die Schriftsteller nicht? Warum schreiben Alpinisten so uninspiriert? Den berg- und literaturbegeisterten Journalisten Wilfried Schwedler haben diese Fragen angetrieben, sich mit dem Verhältnis von Schriftstellern zum Gebirge zu befassen. Achtzehn solcher Verhältnisse hat er zusammengetragen, von Johann Wolfgang von Goethe bis Jack Kerouac.
Herausgekommen sind individuelle Stücke über den Bezug Schriftsteller–Bergwelt. Es stellt sich heraus (wie zu erwarten), daß sich aus den einzelnen Porträts kein übereinstimmendes Bild ergibt. Rainer Maria Rilke fühlt sich von der unmittelbaren Nähe der Berge in seinem Sommerdomizil in der Schweiz geradezu bedroht. Der Österreicher Heimito von Doderer zeigt sich uninteressiert am Gebirge als schriftstellerischem Material, während die Österreicherin Marlen Haushofer die Bergwelt als Folie und Bedingung ihrer utopischen Robinsonade „Die Wand“ verwendet.
Jack Kerouac genießt den Aufstieg in die Rocky Mountains, die gesunde Luft und alkoholfreie Ernährung, marschiert später aber schnurstracks in den nächsten Schnapsladen.
Wendlers Essays sind gut lesbar, mit Anekdoten und zahlreichen Originalzitaten angereichert. Es fehlt ihnen allerdings jegliche Art von theoretischer Klammer. Überlegungen zu einer historischen Entwicklung des Bezugs von Schriftsteller und Bergwelt oder gar eine These, warum zweitere (so jedenfalls seine Ansicht) in der Literatur stark vernachlässigt wird, finden sich nirgends.
Der Alpinismus als historisches Phänomen wird zwar angesprochen, seine Entstehungsbedingungen aber nicht erläutert. Ein wenig mehr Tiefgang hätte dem Buch nicht geschadet. Martin Hager
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