Buch über die Bomberjacke: Ausdruck der Demokratisierung
Hans-Christian Dany rekonstruiert in seinem Buch die Geschichte der Jacke der Bomberpiloten – vom Symbol des Fortschritts zum Hipstertum.
„Es schleicht sich heran, packt zu und hat dich erwischt.“ Als irgendwie gefährlich, so beschreibt Hans-Christian Dany diese folgenreiche Begegnung. Vor zehn Jahren kaufte sich der Hamburger Autor seine erste Bomberjacke.
Von der alten Jacke handelt das Buch, aber auch von diesem Typ Blouson an sich, der heute nahezu bei allen Herstellern „MA-1“ heißt; eine Anspielung auf Mach 1, die Schallgeschwindigkeit. Dabei gab es, als erstmals ein Mensch schneller flog, die heute so ikonische Jacke noch gar nicht. Aber die Assoziation mit dem technischen Fortschritt scheint bis heute eingeschrieben in das Stück Nylon.
Wollungetüme aus einer Baracke im Hamburger Freihafen und die bis zum Kränklichen entfärbte Armeejacke von „Tatort“-Kommissar Schimanski: Dany erzählt von Outfit-Sozialisation und wechselhafter Mode, von Subkulturen und dem Umdeuten von Zeichen, vom Original Dandy George Bryan „Beau“ Brummel und den Ruinen des Hipstertums, von nur kurz dauernden „drops“ neuer Produkte und den Verlockungen des Normcore.
Darüber hinaus unternimmt er teils kühne Ausflüge in die grundierende (Technik-)Geschichte, und das ist bei Bekleidung mit ursprünglich militärischem Hintergrund – und den hätten fast alle Mode-Basics – schnell auch die Geschichte der Kriegsführung und des Selbstverständnisses derer, die Krieg führen.
Hans-Christian Dany: „MA-1. Mode und Uniform“. Edition Nautilus, Hamburg 2018, 192 S., 16 Euro; Lesung, 4. 10., Buchhandlung pro qm, Berlin
So lernen wir, dass die MA-1, die wenig hat vom Schneid früherer Uniformen, ein Symbol war für ein neues Selbstverständnis der US-Army als einer demokratischeren – in dem Sinne, dass der einzelne G.I. mehr Verantwortung tragen sollte. Die Jacke stelle den „bekleidungstechnischen Vorboten“ des Arpanet dar. Dieser „militärische Vorläufer des Internet“ verzichtete auf „das Führungsmodell der bisherigen Kriegsführung“, schreibt Dany: „Statt einer sich nach oben ausrichtenden Hierarchie wird ein flaches Gewebe aus Netzknoten gesponnen“ – mit einer Jacke, „in der alle zu Befehlshabern werden konnten, machte die Kriegsführung einen großen Schritt in die Zukunft“.
In der Mode taucht die MA-1 bis heute auf: mal grotesk in ihren Proportionen aufgebläht, mal halb jeder Form enthoben; mit fingiert individuellen Aufnähern versehen bei Raf Simons oder im aufwendigen Buzz-Rickson’s-Nachbau des Prototyps von 1957, sündteuer. An Zivilisten verkaufte man die MA-1 – wie auch die M-65 –, als absehbar war, dass der Vietnamkrieg zu Ende ging. Heute erkennt Dany wieder eine besondere Konjunktur, wieder sieht er einen Zusammenhang mit dem Krieg: Wo einst Piloten ihre Haut riskierten, säßen zunehmend Drohnenlenker vor Bildschirmen, weitab von Detonationen. Statt dieser unerreichbaren Kombattanten nehme „der Terrorismus“ die Zivilbevölkerung ins Visier – und die sei oft gekleidet in „die Jacke der Bomberpiloten“.
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